Textatelier
BLOG vom: 01.10.2013

Deponie Rothacker Walterswil: Kölliken Nr. 2, gleich nebenan

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein AG/CH (Textatelier.com)
 
Die Sanierung der Sondermülldeponie Kölliken (SMDK) wird gegen 1 Milliarde (1000 Millionen) CHF kosten; der Inhalt im Umfang von etwa 450 000 m3 wird zum 2. Mal entsorgt. Die Beseitigung der Deponie Rothacker nahe beim Dorf Walterswil SO (beziehungsweise beim Dorfteil Rothacker) ihrerseits, zirka 1 km nördlich von Safenwil AG und 3.2 km von der Kölliker Deponie entfernt, dürfte wesentlich teurer werden, schon weil sie weniger gut mit Strassen und Bahngeleisen erschlossen ist. Genau wie das bei der SMDK geschah, fliessen auch in diesem Fall die Deponiesäfte, unter anderem über den manchmal schäumenden Schöpflerbach am Fusse des riesigen Deponiekörpers, auf selbst gewählten Wegen in den obersten Teil des Aaretal-Grundwasserstroms, des wohl bedeutendsten der Schweiz, oder allenfalls in Richtung Oftringen der Aare zu. Einmal war die Wiese am Fuss der Deponie mit Schaum verunreinigt, worauf dieser Schaum mit neuem Material erdbestattet wurde. Deponieleiter Max Müller: „Diesen Schaum kann man saufen.“ Wahrscheinlich nur einmal.
 
Deponie-Spaziergang
Es war ein spätsommerlicher Tag, jener 23.09.2013, als ich mit Hertha Schütz-Vogel aus Unterentfelden AG einen Spaziergang im Gebiet Rothacker, einem der 3 Walterswiler Siedlungsteile (neben dem Dorf und Hennebühl) auf etwa 540 m ü. M., unternahm – rund 40 Jahre nach der Deponie-Eröffnung (1973). Ich kenne die vitale, sprudelnde Vorkämpferin für eine bessere Biosphäre seit ihrem Einsatz im Hinblick auf die Aufdeckung der Geschehnisse in der ehemaligen Tongrube in Kölliken. Vor allem geht es ihr um den Grundwasserschutz. Damals habe ich sie aus Überzeugung, im Interesse der Umwelt und einer sachgerechten Aufklärung der Öffentlichkeit zu handeln, als Redaktor am „Aargauer Tagblatt“, der für Umweltfragen zuständig war, unterstützt und ihre Zuverlässigkeit kennengelernt. Sie ist keine Schaumschlägerin, geht einfach dem auf den Grund, was an Fakten vorliegt und bedenkt die zu erwartenden Folgen, macht Behörden und Öffentlichkeit darauf aufmerksam – immer in der Hoffnung auf Verbesserungen, Bereinigungen.
 
„Im Grunde haben wir alle zu diesen Deponien beigetragen“, sagte sie auf unserer kleinen Exkursion im Feinstaub eines bejahrten Lastwagens der Deponiebesitzerin seit 1977, der Firma Peter Hangartner, 5033 Buchs („Transport AG, Aarau“), der ein Fuder Schlacke aus der Kehrichtverbrennung an uns vorbei trug.
 
Ich staunte über die Fuhre, steht doch am unteren, barrieregesicherten Eingang in die Deponierlandschaft eine Tafel: „Wir sind umgezogen. Neuer Standort ab 26.11.2012: Obermatten 12, 5742 Kölliken.“ Offenbar stimmt das nicht, und das Solothurner Amt für Umwelt gab zumindest als Vermutung zu, das Schild sei „möglicherweise etwas irreführend: Gemeint sind lediglich die diversen Nebenbetriebe (Altholzaufbereitung u. ä.), welche an einen neuen Standort in Kölliken umgezogen sind“. Die Deponie werde bis auf weiteres als Schlackendeponie weitergeführt, wurde präzisiert. Es war also ein Teil-Umzug.
 
Die Schlacke aus Kehrichtverbrennungsanlagen muss ja schliesslich irgendwo abgelagert werden; diese Erkenntnis ist nicht weiter aufregend. Doch von den Dimensionen der Deponie Rothacker war ich schon überwältigt: Ein grosser Teil des Südabhangs, der nun bewaldet ist, bis hinunter zum Schöpflerbach, der mit Schachtelhalmen, lebendigen Fossilien mit Reinigungseffekt, überwuchert ist und wo Wohnhäuser stehen, ist das Resultat von Auffüllungen mit Material, das älteste davon von nicht mehr eruierbarer Herkunft. Es muss/müsste zweifellos zu einem grossen Teil als Sondermüll eingestuft werden.
 
Neben der asphaltierten, wohl 3 bis 4 m breiten Strasse, die zur Mondlandschaft auf dem Kulminationspunkt des Deponierkörpers führt, staunte ich über die vielen, mit Betondeckeln abgedeckten Schächte, die manchmal nur 10 m voneinander entfernt sind, dann wieder in weiterer Distanz aus dem Waldboden schauen und die auf Leitungen hangabwärts hinweisen. Abluftrohre schauen aus dem Boden. In einem Fall ist eine etwa 2 m breite Schneise in den Hang geschlagen. Alles strebt, der Schwerkraft folgend, auf direktem Weg nach unten. Das sind Merkmale für die Infrastruktur zur Ableitung der Deponiesäfte, die nach starken Regenperioden in grösserer, in Trockenzeiten eben in kleinerer Menge anfallen. Ein schrottreifer Saurer-Lastwagen mit einer verwaschenen Stoffpuppe vor dem Kühler döste am Strassenrand müde vor sich hin. In einer Betonwanne spiegelte sich der Wald im braunen Wasser. Und eine Aronstab-Pflanze mit ihren feuerroten, reifen Fruchtständen wollte den Beweis antreten, dass das Giftige schön sein kann.
 
Behörden drücken Augen zu
Die Deponie ist dem Amt für Umwelt des Kantons Solothurn wohlbekannt; doch scheint es, dass dort die Tragweite dieser Zeitbombe nicht umfassend genug ins Bewusstsein der Fachbeamten gelangt sei. Ein paar aufrüttelnde, symptomatische Merkmale sind bekannt: Zur Absenkung des Deponiewasserstands wurde 2006 eine Vertikalbohrung bei der Messstelle 94-2 durchgeführt. In einer Medienmitteilung des erwähnten Amts vom 04.01.2012 wird über die weiteren, ein gutes Jahr vorher eingeleiteten Untersuchungen der „technischen Altlasten“ in der Deponie Walterswil (DW) berichtet. Aus den ersten Ergebnissen zeigte sich ein „Einfluss der Deponie auf das Grundwasser sowie auf einen nahe gelegenen Bach“, heisst es in der rudimentären Mitteilung. Doch werden sogleich Worte des Trosts verabreicht. „Für Trinkwasser genutzte Quellen sind nicht beeinträchtigt.“ Merkwürdig nur, dass im Jahresbericht 2006 über die Deponie Rothacker hinsichtlich der Deponiegasmessungen zu lesen war, „dass im Bereich von Schächten, Bohrungen und entlang der Felswand stark erhöhte Gasgehalte auftreten. Methan ist in Mischung mit Luft unter Normalbedingungen zwischen 5 und 15 Volumenprozenten explosionsfähig, weshalb bei Arbeiten an gefährdeten Orten spezielle Vorsichtsmassnahmen zu treffen sind.“ Weitere Gasmessungen wurden auf 2016 (!) hinausgeschoben.
 
Die Untersuchungen waren, als der Bericht verfasst wurde, nicht abgeschlossen – wegen der Trockenheit und der niedrigen Grundwasserstände im Jahr 2012. Angesichts dieses Sachverhalts tönt diese Feststellung etwas abenteuerlich: „Bestätigt hat sich, dass keine ,gefährlichen Sonderabfälle’ in der Deponie eingelagert wurden.“ Das tönt, als ob man alles wissen könne.
 
Solche Beurteilungen wurden mit einem Hinweis auf ältere und neuere 6 Bohrungen des Grundwassers verbal untermauert. Allerdings stehen die Resultate auf wackeligen Beinen, waren die Arbeiten im Jahr 2011 doch durch die ausgeprägte Trockenheit und die damit verbundenen tiefen Grundwasserstände beeinträchtigt. Wie es sich bei hohen Grundwasserständen verhält, konnte deshalb noch nicht ermittelt werden. Aber schon bei niedrigen und mittleren Grundwasserständen war ein Einfluss der Deponie auf das Grundwasser und den Bach „deutlich erkennbar. Diverse Schadstoffe bzw. Schadstoffgruppen kommen im Vergleich zu unbelasteten Verhältnissen in erhöhten Konzentrationen vor“. Proben aus den 1990er-Jahren zeigten deutlich tiefere Werte, was darauf schliessen lässt, dass die Zeitbombe immer schneller tickt. Unbekannt ist, ob die Bohrungen (1973‒1987 und später) bis zum Grund des Deponiekörpers abgeteuft wurden.
 
Der Schöpflerbach, in den ein grosser Teil des Deponie-Sickerwassers läuft, „zeigt einen deutlichen Einfluss der Deponie. Er erfüllt nicht die Anforderungen an ein Fliessgewässer gemäss Gewässerschutzverordnung“, liest man in der Medienmitteilung. Laut Frau Schütz trinken keine Hunde Wasser daraus; man muss heutzutage schon fast von einem Glück reden, dass die Menschen nicht mit besonders feinen Nasen ausgerüstet sind.
 
Die wesentliche amtliche Botschaft bestand zwischen den Zeilen darin, dass man noch praktisch nichts wisse und die Behörden zur Beruhigung der Bevölkerung beitragen möchten, soweit diesem verwedelnden Vorgehen nicht bekannte Fakten entgegenstehen. Hertha Schütz kam das Bild von den Affen in den Sinn: „Nichts Böses sehen, hören und sagen.“
 
Die Wege des Grundwassers sind schwer abzuschätzen; ein Teil dürfte vom Ischlag (Gebiet Rothacker) auch über Winterhalden gegen Oftringen fliessen, wo die Wigger in die Aare einmündet. Denn zwischen Safenwil und Oftringen ist noch der Striegel, eine Art Wasserscheide; Safenwil wird in der Regel Richtung Osten (Kölliken und Suhrental) durch den Mülibach entwässert. Auch das Schöpflerbächli fliesst in den tiefer gelegenen Kanton Aargau; Tieferliegende werden immer beglückt.
 
In einem Bericht zur Geologie und Hydrogeologie der SMDK, den die Abteilung Umweltschutz des Baudepartements Aargau am 18.12.1986 veröffentlichte, steht über die „Belastung des Grundwassers aus dem Raume Safenwil“ zu lesen: „Einen hydrochemischen Aspekt stellt die Frage nach der Grundbelastung des Grundwassers aus dem Raume Safenwil dar. Die Belastung des Grundwassers aus dem erwähnten Gebiet (Köllikerrinne als Vorfluter im Molasseriegel, Textatelier) wird zur Zeit nur durch eine untiefe Messstelle erfasst. Da vermutlich auch dieses Grundwasser eine anthropogene (durch den Menschen verursachte, TA) Belastung aufweist, ist es wichtig, zu wissen, welche Zusammensetzung dieses Grundwasser besitzt.“
 
Die Kalksteine sind in diesem Gebiet durchlässig, so dass kein unterirdischer See entstehen konnte. Immerhin soll ein hydrogeologisches Modell für das Umfeld der Deponie ausgearbeitet werden, womit insbesondere „ein besseres Verständnis für die Fliessrichtungen und -wege des Grundwassers“ gewonnen werden sollte.
 
Auf der Basis von unzureichenden Abklärungen und trotz bedenklicher Indizien erhielt die Deponie 1998 eine neue Betriebsbewilligung. Unbestrittenermassen traten und treten Gifte als Deponiesäfte aus; doch erkennt man gleichwohl keine Hinweise auf die Ablagerung „gefährlicher Sonderabfälle“ im Rothacker. Das Amt für Umwelt sieht „vorderhand die Ergebnisse der historischen Untersuchung bestätigt, wonach neben Kehrichtschlacke und Papierschlamm vor allem Bauschutt und Siedlungsabfälle deponierte worden sind.“ Dabei hatte die „Aargauer Zeitung“ vom 27.11.2009 mit Bezug aufs SO-Umweltamt berichtet, im Rothacker seien „nebst Industrie und Gewerbeabfällen auch vereinzelt Sonderabfälle ohne Bewilligung abgelagert worden“. Zu hohe Kupfer- und Nickel-Konzentrationen bestätigen das.
 
Die Fotografie des Anwohners Werner Aeschlimann aus dem Jahr 1982 lässt erkennen, dass in der Deponie nachweislich Fässer lagern. Der Fotograf zeigte sein Bild an einer Gemeindeversammlung, um die Behörden aufzurütteln; doch wollte damals niemand genauer Hinsehen.
 
Deponiestart im Jahr 1973
Die Deponiegeschichte begann 1973 mit der Einlagerung von Schlacke aus der Oftringer Kehrichtverbrennungsanlage (KVA), aber auch mit Bauschutt, leicht ölverschmutztem Material, Giesserei-, anderen Gewebe und Industrieabfällen – der Gedanke an Parallelen in der Kölliker Deponie drängt sich auf. Wegen des Agierens der Menschheit ausserhalb der Kreisläufe haben Abfalldeponie-Betreiber nie über einen schwächelnden Umsatz zu klagen. Tatsächlich bestanden auch Wechselbeziehungen zwischen den beiden Massengräbern in Kölliken und Walterswil, indem dem Rothacker angeblich harmloseres Material zugeführt wurde. Aber die Abklärungen waren mehr als rudimentär, wie die SMDK-Geschichte hinlänglich belegt.
 
Die Sache von der Verharmlosung überzeugt nicht. Denn nach der Schliessung der SMDK im April 1985 trat ein Notstand in Bezug auf Deponiekapazitäten ein, und so musste Walterswil einspringen. Erst 2 Jahre später, ab April 1987, wurde das angelieferte Deponiematerial lückenlos dokumentiert; was vorher in die Deponie gekommen war, weiss niemand. Frau Schütz teilte dem Gemeinderat Walterswil 2007 aus Erfahrung schriftlich mit, dass aus ihrem eigenen (Schreinerei-)Betrieb Abfälle und Imprägnierungsrückstände deponiert worden seien. KMU- und Industriebetriebe aus den Kantonen Aargau, Solothurn und Bern lieferten in Walterswil selbst solche Materialien an, die nicht einmal im toleranten Kölliken angenommen wurden. Wegen solch erdrückender Fakten wurde vom Amt für Umwelt am 17.12.2008 eine „historische Untersuchung“ angekündigt.
 
Der Kanton Solothurn wollte in Walterswil noch 3 weitere Deponien eröffnen, die der Gemeinderat aber begreiflicherweise keinesfalls akzeptieren wollte. Sein guter Wille war längst überstrapaziert. Die bestehende Deponie Rothacker stand sogar der vehement angestrebten Fusion der in eine finanzielle Schieflage geratene Gemeinde Walterswil am Südfuss des Engelbergs mit der aargauischen Gemeinde Safenwil im Wege; denn im Hinblick darauf hätte das Deponieproblem gelöst werden müssen. Die Haftung aber wäre gleichwohl beim Kanton Solothurn geblieben; dafür besteht ein Fonds für die Nachsorge nach der Schliessung, der „mehrere Millionen Franken“ schwer sein soll.
 
Deutlichere Hinweise auf den Inhalt der Deponie könnten nur auf der Grundlage einer grösseren Zahl von Probebohrungen erhalten werden, wobei es selbst dann unmöglich wäre, einen kompletten Überblick über den Inhalt des undefinierbaren Deponiekonglomerats zu erhalten – ein Lehrstück aus Kölliken. Indizien wie Deponiesäfte erhalten deshalb eine erhöhte Bedeutung. Doch wurde noch 2007 davon berichtet, dass die automatische Mengenmessung „nach wie vor fehlerhaft“ sei. Wenn es nicht einmal gelang, die Abwassermenge zu messen, wie war es dann in Bezug auf die Inhaltsstoffe ...
 
Altlasten-Untersuchung
Eine technische Altlasten-Untersuchung wurde im ersten Trimester 2012 vom Büro Matousek, Baumann & Niggli, Baden, abgeschlossen. Sie ergab unter anderem, dass zirka 10 % des kontaminierten Deponiesickerwassers ins Grundwasser gelangen, das heisst, es vermischt sich mit dem Hangwasser und fliesst oberflächennah talwärts. In diesem Grundwasser wurden erhöhte Werte von Ammonium und Nitrite (Ammonium-Abbauprodukte, meist als Düngemittel eingesetzt) festgestellt, was auf einen Sanierungsbedarf hinweist. Fische sterben bereits bei geringen Ammonium-Belastungen. In einer Messstelle war der „Sanierungswert“ für Pentachlorphenol (PCP), meistens als Holzschutzmittel verwendet, überschritten. Es handelt sich dabei um einen chlorierten, aromatischen Kohlenwasserstoff (Phenol-Derivat), der seiner Giftigkeit auch für den menschlichen Organismus wegen inzwischen verboten ist. Auch wurden erhöhte Schwermetall-Konzentrationen und einige organische Stoffgruppen festgestellt – das sind einige Indizien, aber nicht das Resultat umfassender Analysen.
 
Die Abteilung Boden des SO-Amts für Umwelt verlangte Ende Juli 2012 von der Deponiebetreiberin Hangartner, „bis spätestens Ende 2012 ein Sanierungsprojekt und ein Überwachungskonzept“ einzureichen. Worauf die Sanierung und Fortsetzung der Überwachung ab dem 1. Quartal 2013 zu erfolgen hätte. Von Sanierung ist keine Spur zu erkennen – jetzt, im Herbst 2013.
 
Dass bei einem solchen Stand des Wissens bzw. Unwissens das SO-Amt für Umwelt „keine Hinweise auf in der Deponie eingelagerte ,gefährliche Sonderabfälle’“ erkennen mag, deutet auf eine schwer fassbare Ignoranz hin. Der „altlastenrechtliche Sanierungsbedarf“ sollte sich dementsprechend darauf beschränken, „die diffuse Ausbreitung des kontaminierten Grundwassers zu verhindern und den Schöpflerbach vor dessen Einfluss zu schützen“: neue Sickerleitung, gefasstes Grundwasser in die Kanalisation (statt in den Schöpflerbach) leiten und weiterhin überwachen. All das erinnert ziemlich genau an die Vorgänge damals in Kölliken. Mitte März 2013 lagen die Pläne für das Sanierungsprojekt Rothacker vor. Die Einsichtnahme soll über das Bauprojekt möglich sein, aber mit der fürs 1. Quartal 2013 angekündigten Sanierung war es nichts.
 
In einem geharnischten Brief schrieb Hertha Schütz am 12.05.2013 an die Regierungen des Kantons Solothurn und des Kantons Aargau: „Umwelt- und Gewässerverschmutzung sind strafbar. Die Deponie steht auf Solothurner Boden. Die Gewässerverschmutzung betrifft den Kanton Aargau. Die gefassten Wasser fliessen über die Kanalisation nach Kölliken im Kanton Aargau. Ebenso das ‚ungefasste’ Wasser, das aus der Deponie ins Schöpflerbächli fliesst. Dieses mündet in der Winterhalde in das offene Gewässer, das vom Safenwiler Ischlag in Richtung Oftringen im Kanton Aargau fliesst. Die Untersuchungen liegen vor. Bitte handeln Sie.“ Die Briefschreiberin fügte bei, eine Sanierung würde noch teurer als bei der Giftgrube Kölliken.
 
Am 22.04.2013 hatte sich Frau Schütz bei der Abteilung für Umwelt des aargauischen Departements Bau, Verkehr und Umwelt brieflich erkundigt, was der Aargau hinsichtlich der Gewässerverschmutzung durch die Deponie Rothacker unternehme. Die Antwort vom 29.05.2013 aus Aarau verweist im Wesentlichen auf die Auskünfte des Amts für Umwelt (AfU) in Solothurn, das ein „grundsätzlich geeignetes Sanierungsprojekt“ in Aussicht stellte und dessen Erfolg von einem „Monitoringprogramm des Grundwassers im Abströmbereich der Deponie“ überwacht werden soll. Und es wird im Aargauer Antwortschreiben festgehalten, „dass es uns und allen direkt Beteiligten ein Anliegen ist, dass die Gewässerverschmutzung durch die Deponie mit den vorgesehenen Sanierungsmassnahmen nachhaltig unterbunden wird“. Allerdings sei die baurechtliche Bewilligung noch ausstehend. Es wurden keine Termine eingehalten.
 
Aus dem AfU-Brief vom 31.07.2012 geht hervor, dass zirka 90 % des Deponiesickerwassers gefasst und in die Kanalisation abgeleitet werde. Mengenangaben fehlen. Und die Kanalisation steuert ausgerechnet der Kläranlage Kölliken zu, die – man weiss das seit dem SMDK-Fall – dafür nicht ausgerichtet ist. Das AfU wörtlich: „Der grösste Teil des kontaminierten Grundwasser wird entweder in einer bereits bestehenden Drainage gefasst und in den sogenannten Schöpflerbach geleitet oder tritt diffus aus.“ Das will man ändern und die Giftsäfte über die Kläranlage Kölliken laufen lassen.
 
Am 05.07.2013 informierte das Solothurner AfU darüber, dass das Baugesuch zur Umsetzung der Sanierungsmassnahme zwischenzeitlich eingereicht worden sei und sich Frau Schütz an die Baubehörde der Gemeinde Walterswil wenden könne. Gleichzeitig werden die bereits vorher angekündigten Sanierungsmassnahmen rekapituliert.
 
Das Projekt „Abschirmung Schöpflerbach“ wurde von der Verfasserin, Rothpletz, Lienhard + Cie AG, Aarau, am 13.06.2013 der Gemeinde Walterswil eingereicht; es stützt sich auf einen Bericht zur Geologie von Dr. Heinrich Jäckli vom 31.10.2012 ab. Die Sache harzt. Einem Auszug aus dem Protokoll des Gemeinderats Walterswil vom 19.08.2013 ist zu entnehmen, „dass das eingegangene Baugesuch formell noch nicht komplett“ sei.
 
Die Geschichte rund um die Deponie Rothacker, die keine Sondermülldeponie sein will, hat somit gerade erst begonnen. Man kann sie nicht unter „Ferner liefen“ abbuchen, hat sie doch ein Fassungsvermögen von 500 000 m3, etwas mehr als die SMDK. Sie sprang gelegentlich für Kölliken ein; der Inhalt dürfte teilweise ähnlich sein.
 
Heute wird in der Deponie Walterswil ganz oben, in einer gräulichen Kraterlandschaft mit Bagger, betreut vom CAT-Service, einem Planierfahrzeug, das auch der Verdichtung dient, einem Unterstand mit Fässern und einem Lastwagentransportbehälter sowie einfachen Betriebseinrichtungen wie mobilen Baubaracken KVA-Schlacke verschrottet, was zu Staubentwicklungen führen kann. Aus einem noch nicht zugeschütteten Graben stiegen Fäulnisgerüche auf, wie sie für Deponien typisch sind und wegen denen ich mich fast übergeben musste. Die Deponieränder sind mit teilweise frisch gepflanztem Gebüsch aufgeforstet; denn das Dorfzentrum Walterswil ist nah, und man möchte ihm den Anblick ersparen. Es wird erwartet, dass die Deponie 2024 gefüllt sein wird; die Deponiebewilligung ist aber unbefristet.
 
Vorläufiges Fazit
Als ich mich mit dieser Deponie befasste, erlebte ich sozusagen eine Wiederauferstehung dessen, was sich beim Auffüllen und bis zum Schliessen der SMD Kölliken abspielte, wie bereits angedeutet. Das Schema blieb unverändert. Die Behörden, welche in die Bereitstellung von Entsorgungsmöglichkeiten eingebunden sind, spielen herunter, hoffen, dass alles sang- und klanglos über die Bühne geht. Mit ihnen sitzen die betroffenen beziehungsweise hereingefallenen Gemeinden im gleichen Boot, denn wenn grosse Mülldiskussionen stattfinden, bis die Kalamität auffliegt, ist ein beträchtlicher Imageschaden für die Gemeinde zu befürchten. Wer möchte schon mit Sondermüll zusammenleben, Stäube und Ausgasungen einatmen? Die freundlichen und gewiss toleranten Anwohner der SMDK können ein Trauerlied davon singen. Ihnen blieb nichts erspart.
 
Das sich abzeichnende Drama von Walterswil spielt sich im Grenzbereich der Kantone Solothurn und Aargau ab, welche offenbar die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Nachbarn nicht trüben wollen. Das ist das Besondere daran. Der Aargau, dem alle der üblen Säfte zugeleitet werden, scheint froh zu sein, nicht in ein Kölliken Nr. 2 hereingezogen zu werden, schaut lieber weg. Dabei müsste er das grösste Interesse an einer Beseitigung der unhaltbaren Walterswiler Zustände bekunden. Er wird diese Art der Verdrängung nicht auf Dauer durchhalten können. Wenn die Bevölkerung erwacht und aktiv wird, um sich nach dem Muster von Hertha Schütz-Vogel für eine lebenswerte Biosphäre und insbesondere für ein Trinkwasser von bester Qualität einzusetzen, müssen die Behörden handeln. Sie können eine Verletzung der Gesetze zum Schutz der Umwelt nicht rechtfertigen, würden jeden Rechtsstreit verlieren.
 
Die konziliante Haltung des Aargaus im Falle Rothacker ist umso erstaunlicher, weil er das Problem SMDK in einer Parforceleistung einer Lösung zuführen musste. Die Grundwasserverschmutzung oben am Beginn eines lebenswichtigen Grundwasserstroms war mit dem besten Willen nicht zu tolerieren. Und nun besteht die kuriose Situation, dass derselbe Grundwasserfluss aus Walterswil via Kölliken und durchs Suhren- zum Aaretal vergiftet wird. Seit der geologisch-hydrologischen Untersuchung von 1986 ist das bekannt. Die vorgesehenen Sanierungsmassnahmen vermitteln den Eindruck einer Alibiübung.
 
Es erregt Kopfschütteln, dass Deponiesäfte an der Stelle vorbeigeführt werden, wo mit Aufwendungen von Hunderten von Millionen Franken in akribischer Feinarbeit ein Deponiekörper ausgepackt und an geeignete Lagerstätten verfrachtet und verteilt wird.
 
Niemand sucht den Streit. Auseinandersetzungen sind eine mühselige, zeitraubende und oft genug auch ärgerliche Angelegenheit. Man schafft sich damit keine Freunde. Aber oft muss sich die betroffene Bevölkerung für ihre Interessen einsetzen, die Behörden unter Druck setzen, Fakten einfordern, Abhilfe verlangen, die über ein paar Pseudomassnahmen hinaus geht. Auch die Medien stehen in der Verantwortung.
 
Die Medien, die der SMDK alle Aufmerksamkeit zuteilwerden liessen, haben Kölliken Nr. 2 (= Walterswil) nur marginal behandelt, mochten sich hier nicht die Finger verbrennen und haben ja wohl auch keine Ressourcen mehr, um derartig schwerwiegende Brocken zu bewältigen. So spielen die Mechanismen, wenn es gilt, ein latentes Problem unter den Tisch des Übersehens und Vergessens zu wischen, auf breiter Ebene und in einer und derselben Richtung.
 
Eine wirksame Methode des Aufrüttelns ist es, Verantwortlichkeiten klar zu benennen und Beteiligte zur Rechenschaft zu ziehen, wenn sie mit Schlaumeiereien Gesetze zu umgehen suchen. Wer soll das tun, wenn nicht die beunruhigte Bevölkerung, deren Aufgabe es sein muss, sich im eigenen Interesse mit dem gründlich zu befassen, was sich bei ihr vor der Haustüre abspielt, Fragen zu stellen und die Antworten auf ihre Glaubwürdigkeit und Vollständigkeit hin zu überprüfen.
 
Wer zu erkennen gibt, dass er nicht alles mit sich machen lässt, hat schon einen Teilsieg errungen.
 
Quellen
Foto von Werner Aeschlimann 1982 und 1987 und Artikel in „Sonntag“ Nr.38, 21.09.2008.
Abteilung Umweltschutz des Baudepartements des Kantons Aargau: „Bericht zur Geologie und Hydrogeologe. Sondermülldeponie Kölliken“, 18.12.1986.
Zofinger Tagblatt: „Drei neue Abfalldeponien in Walterswil geplant“, 15.12.1993.
Amt für Umwelt des Kantons Solothurn: „Stellungnahme zum Jahresbericht 2006“, Deponie Rothacker, 29.06.2007.
Protokoll der Begehung Deponie Walterswil vom 17.10.2007 (verfasst von Sabine Oschwald).
Brief von Hertha Schütz-Vogel an den Gemeinderat Walterswil zum Protokoll der Begehung, Briefdatum: 14.11.2007.
Auszug aus dem Protokoll des Gemeinderats Walterswil zur Deponie Rothacker vom 18.12.2007.
Brief vom Amt für Umwelt, Solothurn: „Deponie Rothacker AG“, gez. Urs Dietschi, Leiter Fachstelle Abfallwirtschaft, 09.07.2008.
Brief vom Amt für Umwelt, Solothurn: „Deponie Rothacker AG“, gez. Urs Dietschi, Leiter Fachstelle Abfallwirtschaft, 01.10.2008.
Brief vom Amt für Umwelt, Solothurn: „Deponie Rothacker AG“, gez. Urs Dietschi, Leiter Fachstelle Abfallwirtschaft, 17.12.2008.
Aargauer Zeitung: „Ohne Baubewilligung abgelagert. Ergebnisse zu Untersuchungen der Walterswiler Deponie Rothacker“, 27.11.2009.
Staatskanzlei Solothurn: „Altlasten-Untersuchungen Deponie Rothacker – Erste Ergebnisse“, 04.01.2012.
Amt für Umwelt, Boden: Brief an Deponie Rothacker SG, Peter Hangartner: „Walterswil, Deponie Rothacker. Technische Altlasten-Untersuchung, Stellungnahmen“, 31.07.2012.
Amt für Umwelt, Boden: Brief an Hertha Schütz: „Einsichtnahme in das Sanierungsprojekt“, 15.03.2013.
Briefe von Hertha Schütz an die Regierungen der Kanton Solothurn und Aargau: „Umwelt- und Gewässerverschmutzung“, 12.05.2013.
Brief der Abteilung für Umwelt des Departements Bau, Verkehr und Umwelt des Kantons Aargau, Aarau: „Gewässerverschmutzung durch die Deponie Rothacker, Walterswil“, gez. Peter Kuhn, 29.05.2013.
Rothpletz, Lienhard + Cie AG, Aarau: „Deponie Rothacker, Abschirmung Schöpflerbach“, 13.06.2013.
Abteilung für Umwelt, Abteilung Stoffe, Solothurn: „Stand der Sanierungsarbeiten Deponie Rothacker“, Brief an H. Schütz, 05.07.2013.
Auszug aus dem Protokoll des Gemeinderates Walterswil, 167.18 „Deponie Rothacker AG“, 19.08.2013.
 
Hinweis auf die Beschreibung der SMDK im Textatelier.com
 
Hinweis auf Blogs zur Sondermülldeponie Kölliken
Hinweis auf weitere Blogs von Scholz Heinz
Auf Pilzpirsch: Essbare von giftigen Pilzen erkennen
Ein bärenstarkes Museum in Gersbach
Barfuss über die Alpen
Foto-Blog: Auf geht`s zur Hohen Möhr
Foto-Blog: Vom Kleinen Rhein zum Altrhein
Fotoblog über den Schönauer Philosophenweg
Rote Bete (Rande), eines der gesündesten Gemüse
Hermann-Löns-Grab im Wacholderhain
Lüneburger Heide: Salzsau und Heidschnucken
Kutschenmuseum in Wiechs ist ein Schmuckstück
Canna verleihen einen Hauch karibisches Flair
Artenreiche Streuobstwiesen stark gefährdet
Liebe zu den Kräutern in die Wiege gelegt
Eine Hütte mit Fleischsuppe im Namen
Rätsel um die Russenbänke in Präg gelöst