Textatelier
BLOG vom: 13.10.2013

Unterwegs in Bayern (3): Staffelsee, Ettal & Löffelschlagen

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Am 2. Tag unseres Wanderurlaubs ass unser Wanderkollege Claus von Wehr eine bayerische Spezialität, nämlich den Obatzda (auch Obatzter, Obazda geschrieben). Das war im Restaurant an der Schiffsanlegestelle nahe Uffing. Aber gemach – wir wollen uns zunächst auf die vorhergehende Wanderung rund um den Staffelsee konzentrieren. Es war keine eigentliche Umrundung, sondern wir hatten nur 15 km des 20,5 km langen Rundkurses vorgesehen, da wir dann mit dem Schiff an unseren Ausgangspunkt Seehausen zurückkehren wollten. Das war eine kluge Entscheidung, da wir schon eine gewisse muskulöse Müdigkeit verspürten.
 
Ein deutscher See in Oberbayern
Der Staffelsee ist ein deutscher See in Oberbayern, etwa 60 km südlich von München. Orte am Ufer sind Seehausen, Uffing, Murnau. Die Fläche beträgt 7,66 km2 (9,6 km lang, 6,8 km breit; maximale Tiefe: 39,4 m; mittlere Tiefe: 9,8 m). Der Staffelsee hat 7 Inseln. Die grösste heisst Wörth und ist die einzige bewohnte Insel. Die Jacobsinsel hat eine Besonderheit zu bieten. An Pfosten, die unter Wasser stehen, haben sich Schwämme der Gattung Spongilla lacustris angesiedelt. Diese Art wurde erst 2003 entdeckt. Laut Fachbüchern werden diese Schwämme nicht grösser als 30 cm. Die hier angesiedelten erreichen mehr als Mannesgrösse.
 
Auf dem Weg von Seehausen marschierten wir zunächst durch ein schattiges Waldgebiet. Erst später überquerten wir ein Verlandungsgebiet, das etwas morastig war und erreichten ein Naturschutzgebiet, das wir am Schluss durchliefen. Überall sahen wir schöne Birken neben dem Weg und auch weiter abseits davon.
 
Als uns 2 knackige Wanderinnen – sie waren wohl um die 45 Jahre alt – überholten, sagte ein Bursche aus unserer Gruppe: „Wir können nicht so schnell, es ist halt das Alter.“ Da antwortete eine von den Beiden: „Das sieht man Euch nicht an!“ Das war ein schönes Kompliment.
 
Schwefelgelbe Koralle und Herkuleskeule
Bernd, der leidenschaftlicher Pilzsucher, warf immer wieder einen Blick ins Waldgebiet, um Pilze auszumachen. Dabei entdeckten er und ich unweit des Weges mehrere Schwefelgelbe Korallen (Ramaria flava) und die Herkuleskeule. Von den Korallenarten gibt es mehrere Arten, darunter auch giftige Doppelgänger. Wer davon nascht, bekommt Magen- und Darmbeschwerden (besonders beim Verzehr der Bauchwehkoralle).
 
Die Herkuleskeule (Clavariadelphus pistillaris) sah ich zum ersten Mal in meinem Leben. Auch Pilzkenner sind überrascht, wenn sie bei einem Pilz keinen Hut mit Stil, sondern eine Keule, erblicken. Es handelt sich hier um einen Keulenpilz. Die Keule wird bis 20  cm hoch. Unser Exemplar hatte wohl eine Höhe von etwa 10 cm.
 
Der Bayerische Obatzda
Nach einigen Stunden Wanderzeit erreichten wir die Schiffsanlegestelle. Da wir noch über eine Stunde auf das Schiff „Seehausen“ warten mussten, liessen wir uns im Biergarten nieder, tranken das süffige Bier und verspeisten so manche Spezialität. Wie schon erwähnt, begeisterte sich Claus für einen Bayerischen Obatzda. Hier das Rezept (www.chefkoch.de):
 
Zutaten (für 4 Personen): 2 Päckchen Camembert, 1 P. Käse (Brie), 150 g Frischkäse, 1 kleine Zwiebel, 1 kleine Knoblauchzehe, 7  g Butter, 1 EL Paprikapulver, edelsüss, 1 TL Paprikapulver, rosenscharf, ½ TL Kümmelpulver, Salz und Pfeffer aus der Mühle.
 
Zubereitung: Käse nach Kauf bei Zimmertemperatur lagern (Camembert muss vollreif sein). Frischkäse auf Zimmertemperatur bringen. Den Camembert und den Brie mit einer Gabel gründlich zerdrücken. Mit Frischkäse, weicher Butter, zerdrücktem Knoblauch und fein geriebene Zwiebel gründlich mischen. Die Gewürze  zufügen und gut vermengen, mit Salz und Pfeffer abschmecken.
 
Der Obatzda soll eine hellrote Farbe haben. Im Kühlschrank einige Stunden kalt stellen. Was gehört dazu? Am besten sind Laugenbretzeln oder ein anderes Laugengebäck.
 
Nach den einverleibten kulinarischen Köstlichkeiten fuhren wir mit dem Schiff zu unserem Ausgangspunkt zurück.
 
Ein imposanter Prachtbau
Am Nachmittag des 3. Tages besuchten wir die Kloster-, Pfarr- und Wallfahrtskirche in Ettal. Wir waren von der barocken Basilika mit der grossen Kuppel fasziniert. Besonders beeindruckend sind der Zentralbau mit dem 12-eckigen Grundriss, die herrlichen Deckenfresko des Hochaltarraums und der Hauptkuppel, die Gemälde am Hauptaltar und an den Seitenaltären und die Stuckdekorationen.
 
Herzog von Bayern-München, zugleich römisch-deutscher Kaiser Ludwig IV. (genannt der Baier; dieser Begriff war ursprünglich ein Schimpfwort des dem Kaiser gegnerisch gesinnten Papsts), gründete das Benediktinerkloster Ettal 1330. Nach 40-jähriger Bauzeit wurde die Anlage 1370 fertiggestellt. 1744 zerstörte ein Grossbrand Kirche und Kloster. Danach wurden Kloster und Kirche wieder aufgebaut.
 
Ettal liegt 900 m ü. NN in einem engen Gebirgstal der westlichen bayerischen Voralpen. Zur Klosteranlage gehört ein öffentliches Gymnasium mit 380 Schülern. Auch hier haben die Mönche einige Wirtschaftsbetriebe aufgebaut, darunter befinden sich eine Brauerei mit köstlichem Bier, dann eine Schnapsbrennerei, ein Klostergasthof und ein Verlag.
 
Löffel- und Besenschlagen
Am 23.09.2013 erlebten wir im „Wirtshaus am Kurpark“ eine echte bayerische Gemütlichkeit. Moni und Toni Pölt hatten zum berühmt-berüchtigten Musikabend eingeladen. Der Musikabend findet immer an Montagen von Ende April bis Ende Oktober statt.
 
Toni (Anton) Pölt ist Chef der „Heimgarten Musi Bad Kohlgrub“ (5 Musiker), und er wusste die zahlreichen Gäste zu begeistern und in Stimmung zu versetzen. Es wurde nicht nur bayerische Stimmungsmusik geboten; man bekam auch einige Witze und urig-komische Stanzerln zu Gehör. Hier ein Beispiel: „Meine Frau muss Antibiotika nehmen und meine Schwester Penicillin. Ich esse einen Schweinsbraten, da habe ich beides drin.“
 
Während der Musikdarbietungen konnten wir uns an Spezialitäten des Hauses kulinarisch erfreuen.
 
Ein Höhepunkt war das Löffelschlagen. 2 Löffel werden in die eine Hand genommen und dann unter Musikbegleitung auf dem Oberschenkel geschlagen (nach der Darbietung hatte Toni einen rosarotgefärbten Oberschenkel!). Wie ich nachlesen konnte, ist das Löffelschlagen das einfachste Begleitinstrument, das beim Publikum Staunen hervorruft. Das Löffelschlagen wurde in Zeiten geboren, wo noch Musikinstrumente rar waren. Deshalb behalf man sich mit einfachen Mitteln. Auch das Waschbrett gehörte dazu (www.bergla-buam.de). Wie mir Walter Hess in einer E-Mail mitteilte, gibt es in der Schweizer Volksmusik Ähnliches. Wenn man die Löffel durch Holzbrettchen ersetzt, sagt man „chlefelen“.
 
Wer sich dafür interessiert, kann im Internet unter dem Stichwort „Löffelschlagen“ Hinweise zum Erlernen finden. Es gibt auch einige Videos dazu (Löffelschlagen.avi-YouTube).
 
Dann kam noch ein weiterer Höhepunkt dazu. Toni Pölt holte einen Besen, legte ihn über die rechte Schulter (von ihm aus gesehen) und schlug mit einem Stock im Rhythmus auf den vorderen und hinteren Teil des Besenstiels. Das ging immer schneller. In einer Videosequenz konnte ich die Prozedur nochmals verfolgen. Ein Wanderfreund meinte, dass er das einmal ausprobieren wolle. Aber aufgepasst, da bekommt der Ungeübte unweigerlich blaugeschlagene Hände. Nach der Vorführung erhielt der „Besenschläger“ grossen Beifall.
 
Anhang
Bayerisch, bayrisch und bairisch
In diversen Publikationen wird das Bayerische immer wieder anders geschrieben. Da blickt so mancher Leser und auch Autor nicht mehr durch. Ich bat Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache und Blogger, mir die verschiedenen Schreibweisen zu erklären. Er teilte mir das Folgende mit:
 
Bairisch: Sprachwissenschaftlicher Begriff, der die Dialekte bezeichnet, also nicht nur die Dialekte in Bayern (ausser in Franken und dem bayrischen Schwabenland), sondern auch in Österreich, Südtirol u. a.).
 
Bayerisch – bayrisch: Bayerisch ist die Hauptform, bayrisch die orthografische Variante oder Nebenform. Hier geht es um den geographischen Raum, also das Bundesland Bayern, wobei die Franken und Schwaben sich vehement dagegen wehren, bayerisch genannt zu werden!
 
Ich würde bayerisch benutzen, so heisst der Landtag, die Oper, usw., usw.; die andere Form ist aber nicht falsch!"
 
Vielen Dank für die Aufklärung.
 
Internet
 
Literatur
„Basilika Ettal“, Buch-Kunstverlag Ettal, 1996 (ohne Autorenangabe).
Dähncke, Rose Marie: „200 Pilze“, AT Verlag, Aarau/Schweiz 1994.
 
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