BLOG vom: 15.11.2013
Natur-Heilschätze: Wundermittel für Kranke von damals
Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
Die Erfahrungsheilkunde führt immer wieder zu nützlichen und auch kuriosen Erkenntnissen, wie vom 04.11. bis 08.11.2013 in der Kantine der Firma Anton Hübner GmbH & Co. KG in Kirchhofen D an der Naturheilpflanzen-Woche zu erkennen war. Höhepunkt: der Heilpflanzen-Vortrag von Frank Hiepe. An dieser Veranstaltungswoche wurden 5 Exemplare unseres Heilpflanzenbuchs „Arnika und Frauenwohl“ mit Original-Signatur der Autoren verlost. Frank Hiepe hatte mich zu diesem Vortrag eingeladen. Bei jener Gelegenheit durfte ich einige humorvolle Geschichten über Heilpflanzen präsentieren.
Die 40 Besucher waren, wie ich am Schluss vernahm, vom Vortrag sehr angetan. „Man lernt immer etwas Neues“, verlautete eine Frau. Das trifft natürlich auch auf uns zu, da wir immer wieder Neuigkeiten, Anwendungen und Geschichten aus dem Leserkreis erfahren. So erfuhr ich zum Beispiel von einer Seniorin, dass man früher Kleinkinder mit einem „Mohn-Schnuller“ beruhigt hatte. Eine andere Betagte reibt immer die Herzgegend bei Herzstechen mit Schnaps ein. Dann erfuhr ich noch eine andere Anwendung: „Meine Mutter behandelte ihre Beinbeschwerden mit Johanniskrautöl. Sie deckte die eingeriebenen Beine nicht mit einem Tuch ab. Die Wirkung war da, aber ihr Bettzeug war gelbrot verfärbt.“ Eine andere Frau berichtete, dass ihre Mutter den Stechapfeltee getrunken habe. Diese Anwendung ist wegen der Giftigkeit dieser Pflanze nicht mehr üblich.
Heilmittel von Hurst und Hiepe
Hiepe wies zu Beginn des Dia-Vortrags auf seine Tätigkeit bei Hübner hin. Er war von 1968 bis 2004 als Apotheker für das Unternehmen tätig. Anschliessend ging er auf die interessante Geschichte der Entwicklung des Hustensafts „Tannenblut“ ein.
Sein Grossvater, Dr. Eduard Hiepe (1870−1947), entwickelte auf Veranlassung des in Häg im Wiesental wirkenden Landpfarrers Josef Hurst (1885−1931) in den 1920er-Jahren ein wirksames Heilmittel für die Textilarbeiter. In der damaligen Zeit fanden in der aufblühenden Textilindustrie viele Menschen ihr Einkommen. Oft litten die Arbeiter unter Reizungen, Husten und Bronchitis. Damals waren Arbeitsschutzbestimmungen noch weitgehend unbekannt. Heilmittel und Ärzte gab es nur wenige. Pfarrer Hurst erinnerte sich an ein Rezept für einen Bronchialsirup, das von seinem berühmten Amtsbruder Sebastian Kneipp stammte. Er veränderte das Rezept und versah es mit speziellen Schwarzwälder Zutaten wie maigrünen Tannenspitzen und Tannenhonig. Für die technisch-pharmazeutische Seite der Sirup-Herstellung sah sich der Pfarrer nach einem Fachmann um und fand ihn im damaligen Zeller Stadtapotheker Eduard Hiepe. Dieser wusste, wie vorzugehen ist, damit alle Inhaltsstoffe gleichmässig verteilt sind und das Endprodukt auch haltbar ist. Die eigentliche Herstellung aber erfolgte über Jahre hinweg im Pfarrhaus Häg. „Pfarrer Hurst`s Tannenbalsam“, später umbenannt in „Tannenblut“, war weithin bekannt und beliebt. „Tannenblut“ wurde später von der Firma Hübner, die im Ehrenkirchener Ortsteil Kirchhofen ansässig ist, produziert.
Ich kann mir gut vorstellen, dass dieser Sirup für die hustenden und schwer arbeitenden Menschen der damaligen Zeit eine Wohltat war.
Übrigens wurde im Juli 2009 die kupferne Destille mit einem Fassungsvermögen von 600 Litern an der Einfahrt des Firmengeländes der Firma Hübner aufgestellt. Insgesamt wurden von 1955 bis 2002 Millionen Liter des Tannenblut® Bronchial-Sirups mit dieser Destille hergestellt. Ausgemustert wurde das Gerät aus arzneimittelrechtlichen Gründen.
Rote Früchte und gelber Milchsaft
Hiepe fuhr nach den einleitenden Worten mit der Vorstellung der Pflanzen fort, die in der Signaturlehre von Bedeutung waren. Damals konnte man die Wirkstoffe in Pflanzen noch nicht analysieren. Man ging in der Therapie nach der Signaturlehre vor. So wurden rote Früchte wie die von Weissdorn bei Herzbeschwerden und Pflanzen mit gelben Blüten und gelbem Milchsaft (Löwenzahn, Schöllkraut) bei Leber-Galle-Erkrankungen verwendet. Auch die Form von Pflanzenteilen spielte eine Rolle. Man verwendete beispielsweise das Frauenmantelblatt bei Frauenbeschwerden und den Augentrost, dessen Blüten wie ein bewimpertes Auge aussieht, bei Augenerkrankungen. Die Anwendungen sind heute noch aktuell und medizinisch bestätigt.
Wütend durchstach er das Kraut
Das war beileibe nicht der Vortragsredner, sondern der Teufel, der hier sein Unwesen trieb. Zunächst pries Hiepe die Wirksamkeit des Johanniskrautes. Das Kraut wird innerlich angewandt bei psychovegetativen Störungen, depressiven Verstimmungszuständen, Angst, nervöser Unruhe. Die äusserliche Anwendung des Öles erstreckt sich auf die Behandlung von Wunden, Quetschungen, Geschwüren, rheumatischen Beschwerden und Neuralgien.
Dann zeigte Hiepe eine Aufnahme eines Johanniskrautblatts mit den Öldrüsen und den dunkelroten Ansammlungen von Hypericin, dem Hauptwirkstoff des Johanniskrautes. Er bat mich, die Geschichte mit dem Teufel, der die „Löcher“ im Blatt fabrizierte, zu erzählen (die „Löcher“ im Blatt sind die hellen Öldrüsen).
Im Volk wurde das Johanniskraut besonders verehrt. Dem Teufel war diese Verehrung und die Heilkraft ein Dorn im Auge. Er wollte die Pflanze zerstören. Er durchstach die Blätter mit einer feinen Nadel und glaubte, die Pflanze würde verdorren. Aber sie hatte einen solch starken Überlebenswillen, dass sie weiter wuchs.
Nach einer anderen Sage verfolgte der Satan ein Mädchen, das sich ihm verschrieben hatte. In ihrer Not erblickte sie eine „Hartna“ (Volksname für Johanniskraut) und setzte sich darauf. Der Teufel schrie erzürnt: „Hartna, du verfluchtes Kraut, du hast mir entführt meine Braut.“ Er geriet in furchtbare Wut und rächte sich an der Pflanze, indem er die Blätter mit einer Nadel durchstach.
„Elegant um die Ecke bringen“
Nach dieser „Auflockerung“ brachte Hiepe die Wirksamkeit etlicher Heilpflanzen zu Gehör. Für die Anwesenden waren die Hinweise zu Nebenwirkungen, Anwendungen und Verwechslungsgefahren von besonderem Interesse. Als Beispiel nannte er den Bärlauch, der ab und zu mit den Blättern des Maiglöckchens und der Herbstzeitlose verwechselt wird. Die Blätter der Herbstzeitlose spriessen nämlich schon im Frühjahr aus der Erde und sind oft in Gesellschaft mit Bärlauch anzutreffen.
Dazu ein Beispiel: Anlässlich eines Interviews im Südwestfunk erwähnte Hiepe den folgenden Fall: Eine Frau kochte ein Süppchen aus Bärlauchblättern. Was sie nicht wusste: Im Sammelgut waren auch einige Herbstzeitlosenblätter. Der Gatte überlebte die Speise nicht. Dann erwähnte Hiepe, wie man die Blätter unterscheiden kann. Bärlauchblätter riechen und schmecken knoblauchartig.
Eine Kundin, die nach dem Interview in die Wiesental-Apotheke Zell kam, meinte zum damaligen Besitzer Hiepe: „Herzlichen Dank für Ihren guten Tipp.“ Der Apotheker glaubte zunächst, sie bedanke sich für den Ratschlag, wie man Bärlauchblätter von giftigen Blättern unterscheide. Aber die Kundin meinte etwas ganz anderes. Sie sagte: „Nun weiss ich, wie man jemanden auf elegante Weise los wird.“
Frank Hiepe betonte ausdrücklich, dass dies nicht zur Nachahmung empfohlen sei. Hiepe wörtlich: „Sonst heisst es dann, der Apotheker hat mir das empfohlen ...“
Hilft Weihrauch bei Morbus Crohn?
Eine an meinem Tisch sitzende ältere Frau erwähnte, dass ihre Tochter unter Morbus Crohn leide. Bisher half kein Mittel so recht. Hiepe verwies auf die gute Wirkung von Weihrauch. Das Harz des Indischen Weihrauchbaums (Boswellia serrata) enthält Inhaltsstoffe, die entzündungshemmend, schmerzstillend, antimikrobiell, antirheumatisch, auswurffördernd und schleimlösend wirken. Inzwischen liegen Studien mit beeindruckenden Ergebnissen vor bei chronischer Polyarthritis, Colitis ulcerosa, Hautkrankheiten und bei Morbus Crohn.
Die beste Leberpflanze
Die Mariendistel wird als die beste Leberpflanze bezeichnet. Sie schützt die Leberzellen vor Giften. Nach 2 Wochen Einnahme der Früchte oder eines Präparats verbesserte sich das Allgemeinbefinden. Zubereitungen der Pflanze wirken bei Übelkeit, Fettunverträglichkeit, Blähbauch und bei mangelndem Appetit. Wichtig ist zu wissen, dass die Pflanze eine der wenigen ist, die auch bei längerer Anwendung keine Nebenwirkung hat.
Hilfe für das Herz
Der Weissdorn wird heute gegeben bei beginnender Herzleistungsschwäche, Altersherz, Druck- und Beklemmungsgefühl in der Herzgegend, leichten Herzrhythmusstörungen, Kreislaufstörungen und Schwindel. Hiepe erwähnte dazu ein Beispiel: Bei einem Vortrag vor Senioren wurden die Zuhörer gefragt, wie ihnen Weissdorn geholfen habe. Einer sprach von einem „Wundermittel“. Er könne nach der Einnahme wieder Treppen besser steigen und auch eine längere Wegstrecke ohne Beschwerden laufen.
Eine Frau aus meinem Bekanntenkreis nimmt nach Kreislaufbeschwerden (sie leidet unter niedrigem Blutdruck) sofort das Weissdorn Herz-Kreislauf-Tonikum von Hübner ein. Sie fühlt sich dann bald besser.
Was hilft bei Erkältungskrankheiten?
Als besonders effizient bei der Behandlung von Husten, Schnupfen, Halsschmerzen, Heiserkeit haben sich bestimmte Kräutertees, Bronchial-Sirupe, Erkältungsbalsame, Halspastillen, Hustenbonbons, Nasensalben und wohltuende Badezusätze bewährt.
Hiepe stellte die Pflanzen vor, die sich für die Vorbeugung und Behandlung von Erkältungskrankheiten besonders eignen.
Kiefernsprossen (in Tannenblut-Produkten von Hübner enthalten): Extrakte lindern Erkältungskrankheiten, Husten, Heiserkeit. Der Tannenblut® Bronchial-Sirup, der noch weitere Heilpflanzen aufweist, wird zur Unterstützung der Schleimlösung im Bereich der Atemwege eingesetzt. Eine solche Kräuterkomposition enthält u. a. ätherische Öle, die Reizungen im Hals, Rachen und Bronchien lindern.
Hagebutte und Sanddorn: Diese Pflanzen gehören zu den Vitamin-C-reichsten einheimischen Gewächsen. Das Vitamin C ist befähigt, das Immunsystem zu stärken.
Linde und Holunder: Der Tee aus den Blüten hilft bei Husten, Katarrhen der Atemwege, fieberhaften Erkältungskrankheiten, bei denen eine Schwitzkur angebracht ist.
Hier erwähnte ich die Geschichte „Mann zog den Hut“. Der Holunder wurde früher gerne vor das Haus gepflanzt. Er diente zur Abwehr von bösem Zauber. Man hatte vor diesem Strauch eine solche Hochachtung, dass Vorübergehende den Hut zogen. Marlene Müller aus Ibach erzählte mir, dass sie vor einigen Jahren während eines Urlaubs oberhalb des Vierwaldstättersees einen alten Bauer beobachtete, der seinen Hut zog, als er an einem Holderstrauch vorbeiging.
Spitzwegerich: Die Inhaltsstoffe wirken entzündungshemmend, reizlindernd und bakterienabtötend. Anwendungsgebiete (Tee) sind Katarrhe der oberen Atemwege und entzündliche Veränderungen der Mund- und Rachenschleimhaut.
Echinacea (Sonnenhut): Bestimme Inhaltsstoffe verbessern die unspezifische Immunabwehr. Empfohlen wird die Einnahme (Tee, Tropfen, Presssaft, Liquidum, Tableten, Capsetten) bei leichten Allgemeininfektionen, zur Vorbeugung von Erkältungskrankheiten.
Eukalyptus, Pfefferminze, Kamille: Diese eignen sich gut für die Inhalation.
Huflattich: Heute kommen Zubereitungen mit Huflattich bei Bronchialkatarrhen mit Husten (auch bei hartnäckigem Reizhusten), Heiserkeit und bei leichten Entzündungen der Mund- und Rachenschleimhaut zur Anwendung. Die Schleimstoffe im Huflattich wirken auswurffördernd und reizlindernd auf entzündete Schleimhäute. Die Gerbstoffe des Heilkrauts entfalten eine entzündungswidrige Wirkung.
Schlüsselblume: Die Inhaltsstoffe der Primel wirken schleimlösend, entzündungshemmend und auswurffördernd. Entsprechende Zubereitungen empfehlen sich bei Husten und Bronchitis.
Weitere: Thymian, Schlüsselblume, Efeu, Sonnentau, Lungenkraut, Malve.
Nach diesen interessanten Ausführungen von Frank Hiepe über die Heilschätze der Natur durfte ich noch 2 Geschichten zu Gehör bringen.
Rechthaberische Frau
Frank Hiepe wies in seinem Vortrag auf einen heroischen Versuch eines Arzts hin. Er nahm Mariendistel ein und konnte damit die anschliessende Vergiftung mit Knollenblätterpilz verhindern. Wir warnten jedoch eindrücklich vor einer Nachahmung! Vielleicht hatte der Arzt nur eine geringe Menge der Pilze verspeist.
Hier der Witz dazu: 2 Freunde treffen sich nach längerer Zeit. Sagte der eine: „Meine Frau war ein rechthaberischer Mensch.“ Der andere: „Das kann ich nicht glauben, sie war doch eine angenehme Frau.“
Antwort des Witwers, der keine Pilze isst: „Sie wollte immer Recht haben. Ihre letzten Worte waren: „Das ist kein Knollenblätterpilz.“
Antwort einer 90-Jährigen
Eine rüstige 90-Jährige wurde von einem neugierigen Journalisten gefragt: „Wie haben Sie Ihr hohes Alter erreicht?“ Oft hört man dann von solchen Hochbetagten, sie hätten nie geraucht, keinen Alkohol getrunken, sich karg ernährt, einen soliden Lebenswandel geführt usw. Die Antwort, die dann kam, war ganz ungewöhnlich. Die Frau sagte: „Das ist noch nicht raus, ob es die Kölln-Haferflocken oder Hübners Weissdorntonikum waren. Ich verhandle noch mit den Firmen.“
Am Schluss der Veranstaltung hatten wir Gelegenheit, die Laborräume der Firma Hübner zu besichtigen. Als „Führerin“ fungierte die freundliche Frau Dr. Ehlers. Sie führte uns durch die hellen, sauberen und grosszügig konzipierten Laborräume. Im Gespräch erfuhren wir von ihr, dass die Produkte durch Vorgaben der geltenden EU-GMP-Richtlinien (Good Manufacturing Practice) für Arzneimittel gefertigt werden. Dazu kommen noch die zahlreichen ISO-, Bio- und weitere Qualitätszertifizierungen hinzu. Damit wird ein hoher Qualitätsstandard gewährleistet.
Unser Dank geht an die Firma Hübner, die uns zu dieser Vortragsveranstaltung eingeladen hat. Besonders erfreut war ich mit der Führung durch die Labors. Wir bedanken uns auch bei Frau Ehlers.
Literatur
Bühring, Ursel: „Kuren für Körper und Seele“ (Untertitel: „Organe pflegen mit Heilpflanzen“), Eugen Ulmer Verlag, Stuttgart 2012. ISBN: 978-3-8001-7672-4.
Faller, Silvia: „Ein besonderer Saft“ (Tannenblut), „Badische Zeitung“ vom 21.07.2009.
Scholz, Heinz; und Hiepe, Frank: „Arnika und Frauenwohl“, Ipa-Verlag, Vaihingen 2013.
Internet
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