Textatelier
BLOG vom: 02.01.2014

Diese Gedanken kenn’ ich: Die Phrasen des Eino Kennich

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, Viersen D
 
Eino Kennich ist ein richtiger Tausendsassa. Alle seine Bekannten haben eine gute Meinung von ihm.
 
Er ist so verständnisvoll und einfühlsam, sagen sie.
 
Dabei hat er eine ganz einfache Strategie. Wenn ihm jemand etwas berichtet, beispielsweise am Montagmorgen, dass er froh sei, wenn erst wieder Freitag sei, sagt er nur: „Den Gedanken kenn’ ich!“!
 
Und wenn jemand sagt: „Politiker wollen doch nur unser Geld, ich sage nur Steuererhöhungen!“, antwortet er nur: „ I know!“
 
Das reicht, er braucht das Thema nicht zu vertiefen, denkt er!
 
Das sagt sich so einfach.
Kenne ich auch!
 
Was heisst denn das eigentlich, kennen, wissen?
 
Kennen wird benutzt, wenn wir vertraut mit einer Person oder Familie sind.
 
Wissen wird benutzt, um auszusagen, dass man Fakten kennt. Man hat Wissen über etwas.
 
Eino Kennich benutzt diese Begriffe häufig. Er denkt sich nichts dabei. Was heisst das schon? Wenn ich über eine Schauspielerin rede, und mein Gesprächspartner sagt: „Die kenn’ ich auch, die war doch gestern im Fernsehen!“ dann meint er doch nur, dass er sie in einer Rolle gesehen, dass er ihr Gesicht schon einmal oder mehrmals gesehen habe. Mehr nicht.
 
So wie ich jemanden erkenne, den ich schon einmal vorher gesehen habe, persönlich oder in den Medien oder sonstwo.
 
Dabei hat das Wort erkennen so viele Bedeutungen, nämlich jemanden:
-- wahrnehmen
-- identifizieren
-- einschätzen
-- etwas begreifen (philosophisch)
-- etwas gutschreiben (buchhalterisch)
-- Geschlechtsverkehr ausüben (biblisch, hebräische Übersetzung kennen).
 
Und welche Bedeutung erkenne ich, wenn gesagt wird, er hätte sie erkannt?
 
Eino behauptet auch oft: I know!
 
Der Frage: Was kann ich wissen? nachzugehen, heisst zu fragen, wie ich an das Wissen gelangt bin. Wissen wird durch Erziehung, Schule, Studium und Erfahrung oder durch Vermittlung erworben. Philosophisch ist das Thema sehr umfangreich und kompliziert. Denn Wissen ist nie endgültig.
 
In der Umgangssprache gehen viele Menschen sehr leicht mit diesen Begriffen um.
Das gilt auch für: Verstehe ich!
 
Als ein Freund Eino Kennich erzählte, dass er nicht mehr weiter wisse, weil er sich verliebt habe, wo er doch so eine gute Ehe führe, sagte Eino das auch: „Das verstehe ich!
 
Das sagt Kennich ebenso gern, wie  „I know“ und „Kenn’ ich“. Er ist eben ein Tausendsassa. Manche sagen, er könne sich gut in andere hineinversetzen und in deren Probleme, was ich persönlich sehr schwierig finde, denn wie soll das vor sich gehen?
 
Es sind eben nur Phrasen, eben Gemeinplätze und Floskeln, aber sie gehören zum Leben!
 
Rainer Maria Rilke schreibt:
 
Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort.
Sie sprechen alles so deutlich aus ...
 
War das eine Kritik am Umgang der Menschen mit der Sprache?
 
Eino Kennich würde sagen: „I know, kenn’ ich!“
 

Frohes Neues Jahr!
Happy New Year!
Bonne année!
¡Feliz año nuevo!
Buon anno!
Feliz Ano Novo!

 


 

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