BLOG vom: 17.01.2014
Recherchen 9: Ich habe kaum Appetit! Was soll ich tun?
Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
„Das finde ich originell, dass Du einen Blog über Appetitlosigkeit in Zeiten der Völlerei schreiben willst“, bemerkte kürzlich ein Bekannter. Er ist mit einem guten Appetit ausgestattet, übergewichtig und konnte nicht verstehen, dass es auch Menschen gibt, die unter Appetitlosigkeit leiden. Es sind vor allem ältere Menschen, die davon betroffen sind. Zusätzlich wurde ich zu diesem Thema angeregt, weil ich zurzeit eine Publikation über gesunde Ernährung im Alter vorbereite. Die Appetitlosigkeit bzw. der mangelnde Appetit ist im Alter mehr verbreitet als man denkt. Kürzlich hörte ich von einem relativ gesunden Senior den Ausspruch: „Ich habe keinen so guten Appetit mehr! Was kann man tun?“
Wie meine Recherchen ergaben, gibt es eine Menge Heilkräuter, Gewürze und Lebensmittel, die den Appetit steigern können.
Zahnprobleme und Medikamente
Bei älteren Personen führen oft mehrere Faktoren zu einer verminderten Nahrungsaufnahme und zu einem mangelnden Appetit. Es sind dies Probleme mit der Essensaufnahme bei Mundtrockenheit, Schluckstörungen und besonders bei einer schlecht sitzenden Zahnprothese oder einem lückenhaften Gebiss. Eine Konsultation beim Zahnarzt ist dann sehr wichtig.
Krankheiten (Infektionen im Mund- und Nasenbereich, Magen-, Nieren- und Lebererkrankungen, Parkinson) und Medikamente (ACE-Hemmer, Antiepileptika, Antidepressiva, Chemotherapeutika) können sich negativ auf den Appetit auswirken. Sollte das der Fall sein: unbedingt einen Therapeuten zu Rate ziehen!
Dann gibt es Menschen, die einen Partner verloren haben und zum Kochen wenig Lust haben. In diesen Fällen ist ein Mangel an lebenswichtigen Stoffen vorprogrammiert. Was tun? Einige Ältere lassen sich das Mittagessen durch die Einrichtung „Essen auf Rädern“ des Arbeiter-Samariter-Bunds (www.asb.de) ins Haus liefern. Das ist für viele eine Erleichterung, da die Betreffenden nicht mehr jeden Tag einkaufen und kochen müssen.
Wichtig ist für Alleinstehende auch, dass man sich nicht zu sehr isoliert und mit Freunden/Freundinnen etwas unternimmt oder zusammen speist. Ab und zu sehe ich befreundete Frauen in Gaststätten ihre Mahlzeiten einnehmen. Sie sind fröhlich, erzählen und geniessen die Speisen.
Kummer, Sorgen, Stress, aber auch ein Zuviel an Alkohol oder Schlankheitskuren können sich negativ auf den Appetit auswirken.
Das hat bestimmt schon jeder Mal erlebt: Bei bestimmten Krankheiten (z. B. Erkältungskrankheiten), schützt sich der Körper vor Überlastung, indem er mit Appetitmangel reagiert. Sind diese Beschwerden am Abklingen oder ganz verschwunden, stellt sich der Appetit wieder ein.
„Bleibt aber die Appetitlosigkeit über längere Zeit bestehen, muss man das Beschwerdebild gut beobachten – es könnte eine ernstzunehmende Krankheit vorliegen“, betonte der Heilpraktiker und Heilpflanzenexperte Bruno Vonarburg. Es ist dann eine Konsultation bei einem Therapeuten angebracht.
Die Appetitlosigkeit einfacher Natur kann man mit den erwähnten Kräutern selbst behandeln.
Esst Saures und Bitteres!
Etliche Ältere magern auch ab. Grund ist, dass das Essen nicht mehr so gut schmeckt wie früher. Das hängt mit der Schwächung des Geschmacks- und Geruchssinns zusammen. Deshalb ist es nicht verkehrt, wenn man die Speisen in kräftigen Farben zusammenstellt und diese mit Gewürzen aufpeppt. Besonders eignen sich aromareiche Kräuter wie Kümmel, Estragon, Dill, Majoran, Beifuss, Ingwer, Rosmarin, Thymian, Wacholder und diverse Bio-Gewürzmischungen. Auch Presssäfte aus frischem Schafgarben- und Wermutkraut sind gute Appetitförderer, ebenso Kräuterbitter oder Aperitifs, die frei von Alkohol und Konservierungsstoffen sind.
Welche Kräuter sind im Kräuterbitter oder im Aperitif? Der Kräuterbitter aus dem Reformhaus enthält Auszüge aus Artischockenblättern, Curcuma (Gelbwurz), Benedikten- und Wermutkraut, bitterer Fenchel, Kamillenblüten, Schafgarbenkraut und Löwenzahn. Dieser Kräuterbitter fördert den Appetit, die Magen-Darm-Funktion und hilft bei Magendrücken, Übelkeit, Völlegefühl und Blähungen.
Der Aperitif aus dem Reformhaus enthält 16 verdauungsfördernde und appetitanregende Kräuter, z. B. Auszüge der Enzianwurzel, Melissenblätter, Pomeranzenschalen, Rosmarinblätter, Salbeiblätter, Wacholderbeeren Wermutkraut, Ingwerwurzeln.
Appetitfördernd wirken auch Senf, Sauerkraut, Joghurt, Essiggurken und bitterstoffhaltige Pflanzen (Löwenzahn, Enzian, Radicchio, Chicorée). Diese helfen nicht nur bei mangelndem Appetit, sondern auch nach einer Schlemmerei. Persönlich verzehre ich bei einem vollen Magen gerne eine Essiggurke, ein Joghurt oder diverse Heilkräuterextrakte; dann verschwindet das Magendrücken. Bei einem flauen Magen – dies ist besonders nach der Esserei bei Festivitäten am nächsten Morgen oft der Fall – kommt nach dem Verzehr dieser milchsauren Produkte oder der Trunk eines Kräuterbitters bzw. Aperitifs der Appetit wieder zurück.
So wirksam ist Bitteres
Betrachten wir einmal das Bittere in Pflanzen näher. Die Pflanzen halten damit Fressfeinde auf Distanz. Aber keine Menschen. Sie haben herausgefunden, dass die Bitterstoffe eine vielseitige Wirkung zeigen. Sie regen die Verdauung an, stimulieren die Verdauungsorgane und erregen die Geschmackssinneszellen. Aber nicht nur das: Die Bitterstoffe verbessern im Darm die Aufnahme von Eisen und der fettlöslichen Vitaminen A, D, E und K. Die Bitterstoffe haben auch eine Wirkung auf die Magenschleimhaut. Dort wird die Bildung des Intrinsic Factors (= eine Eiweiss-Zuckerverbindung) verbessert. Dieser Faktor ist für die Aufnahme von Vitamin B12 im Dünndarmabschnitt wichtig.
Frau Dr. Christine Volm erwähnte in einem Artikel im „Kneipp-Journal“ noch eine ganz andere Wirkung: „Bitterstoffe verschieben das Säure-Basen-Verhältnis zugunsten der basischen Seite. Dadurch lassen sich andere Krankheiten, vor allem diejenigen, die unter anderem auf Übersäuerung zurückgeführt werde, wie etwa Rheuma oder Gicht, ebenfalls positiv beeinflussen“.
Empfehlungen von Johannes Künzle
Der unvergessene Pionier der Schweizer Kräuterheilkunde Johannes Künzle (1857‒1945) empfahl das folgende Rezept bei Appetitlosigkeit (damals scheinen Rezepte mit Wein besonders beliebt gewesen zu sein):
„Nimm 6 Esslöffel voll zerquetschte Wacholderbeeren, 3 Esslöffel voll Tausendgüldenkraut, 3 Esslöffel voll Angelikablüten, 1 Esslöffel voll Kümmel, 1 Liter guten Weisswein, 1 Esslöffel Enzianpulver, menge alles durcheinander und stelle es verschlossen 4 Tage an einen kühlen Ort. Nach 4 Tagen schütte den Wein ab und füge ihm noch 6 bis 8 Esslöffel Zucker bei. Dieses Mittel ist sehr appetitanregend und magenstärkend. Man trinke davon je eine halbe Stunde vor dem Essen ein Likörglas voll.“
Künzle wies auch auf die gute Wirkung von Wacholderbeeren und Wermut hin. Er empfahl den regelmässigen Genuss von Wacholderbeeren (8 bis 12 Beeren pro Tag). Bei Wermut empfahl er einen Tee oder einen Wermutwein.
Dies ist noch wichtig: Bewegung fördert den Appetit. Künzle: „Appetitlosigkeit wird bei sonst gesunden Personen am besten behoben durch Bewegung, viel Laufen und körperliche Anstrengung.“
Das merke ich immer nach Wanderungen. Dann ist unser Appetit besonders stark ausgeprägt.
Bewährte Tees und HAB-Tropfen
Bei Appetitmangel und Blähungen haben sich Teezubereitungen aus Anis, Kümmel und Fenchel bewährt.
Teemischung bei Appetitmangel: Eine Teemischung aus Tausendguldenkraut (10 g), Wermutblätter (20 g), Brennnesselblätter (20 g), Melissenblätter (30 g) und Pefferminzblätter (20 g).
Teebereitung: 1 Teelöffel der Mischung mit 150 ml kochendem Wasser übergiessen, nach 15 Minuten abseihen. Eine Tasse Tee 30 Minuten vor den Mahlzeiten trinken.
HAB-Frischpflanzentropfen-Rezept: Bruno Vonarburg aus Teufen (Schweiz) empfiehlt folgende Mischung von HAB-Frischpflanzentropfen:
20 ml Tausendguldenkraut-Tinktur (appetitanregend),
20 ml Fenchel-Tinktur (beruhigend),
20 ml Johanniskraut-Tinktur (stärkend),
20 ml Brennnessel-Tinktur (magensaftanregend),
20 ml Wermut-Tinktur (magenstärkend)
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Wie wir gesehen haben, gibt es eine Menge Kräuter und Massnahmen bei Appetitlosigkeit. Die Empfehlungen sind besonders für Ältere gedacht, da diese oft unter Appetitlosigkeit leiden. Aber auch so mancher, der der Völlerei frönt, wird dankbar sein, wenn er sein Magendrücken oder einen flauen Magen beheben kann, um wieder zu futtern.
Literatur
Künzle, Johannes: „Das grosse Kräuterbuch“, Verlag Otto Walter AG, Olten 1945.
Scholz, Heinz; und Hiepe, Frank: „Arnika und Frauenwohl“, Ipa Verlag, Vaihingen 2013.
Volm, Christine: „Ohne ,Bitter’ fehlt uns was“, Kneipp-Journal, 01-02/2014.
Vonarburg, Bruno: „3mal täglich 20 Tropfen“ (70 Krankheiten erkennen und selbst behandeln), Midena Verlag, Küttigen/Aarau, 1992 (Buch vergriffen).
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