Textatelier
BLOG vom: 14.02.2014

Kur als Tortur. Zustände in der Ita-Wegman-Klinik Arlesheim

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein AG/CH (Textatelier.com)
 
Immer hatte ich eine gute Meinung von der anthroposophischen Medizin und – damit verbunden – von der Ita-Wegman-Klinik in Arlesheim BL. Umso überraschter war ich, als mir eine reife Frau, an der nichts von Mimosenhaftigkeit auszumachen ist und die dort Erholung gesucht hatte, von einer ungenügenden Betreuung erzählte.
 
Da die Klinik-Leitung darum bat, ihr die Eindrücke über den Aufenthalt zu schildern und schriftlich versprach, „wir werden so schnell wie möglich auf Ihre Rückmeldung reagieren.“, sandte sie an der Jahreswende 2013/14 einen detaillierten Bericht ab, auf den 1 Monat später noch keine Reaktion erfolgt war, nicht einmal eine Eingangsbestätigung.
 
Es ist nötig, das Krankheitswesen der öffentlichen Diskussion auszusetzen, weshalb ich die enttäuschte Patientin gebeten habe, die Aufzeichnungen publizieren zu dürfen. Wenn damit Verbesserungen im Interesse weiterer Patienten herbeigeführt werden könnte, wäre das Ziel erreicht.
 
Der Brief an die Wegman-Klinik
 
Sehr geehrte Damen und Herren,
 
endlich finde ich Zeit und die Kraft, Ihrer schriftlichen Aufforderung zum Thema „Ihre Meinung ist gefragt“ nachzukommen, nachdem ich in der Ita-Wegman-Klinik in Arlesheim zur Erholung, Linderung und wenn möglich Heilung von meiner Krankheit, der Polymyalgia rheumatica, gesucht habe. Meine Hausärztin und die Rheumatologin, die sich meiner Beschwerden annimmt, haben mir den Aufenthalt in Arlesheim auf Empfehlung einer Psychologin ermöglicht. Aus verschiedenen Informationen und meinen bescheidenen Kenntnissen über die anthroposophische Medizin hatte ich zu Ihrem Haus eine ausserordentlich positive Einstellung, wurde aber schwer enttäuscht.
 
Gleich nach meiner Ankunft wurde mir ein Doppelzimmer zugewiesen, ohne dass mir angekündigt worden war, dass ich in einem Doppelzimmer untergebracht würde. Das und die angetroffenen Zustände missfielen vor allem meinem Mann, der mich hingeführt hatte, und er sagte, er würde an meiner Stelle gleich wieder heimkehren. Ich aber schickte mich drein, denn im Vordergrund stand ja meine Hoffnung, Heilung oder doch zumindest eine Linderung von meiner Krankheit zu erlangen.
 
Das Zusammenleben mit einer schwierigen Frau, meiner Zimmerpartnerin, auf kleinem Raum erwies sich als Horror. Sie verliess das Zimmer nie und wurde täglich von ihrem Mann besucht. Sie litt unter einem ständigen Brechreiz, konnte kaum essen. Im Schlaf wurde ich von ihr oft gestört, da sie häufig läutend Hilfe anfordern musste. Die Frau bestimmte allein, ob das Fenster geöffnet werden durfte; meistens musste es geschlossen bleiben. Ich hatte mich zu fügen, in der verbrauchten Luft auszuharren.
 
Mir wurde verwehrt, mein Essen im Speisesaal einnehmen zu dürfen, was wirklich schwer verständlich ist. Und bei jeder Mahlzeit Brechreiz-Geräusche aus dem Bett unmittelbar nebenan als Begleitmusik ertragen zu müssen, ist ja wirklich jenseits dessen, was man sich bieten lassen sollte. Als ich mich einmal bei schönem, warmem Sommerwetter beim Pflegepersonal erkundigte, ob ich mit dem Teller ins Freie auf die Restaurant-Terrasse begeben dürfe, um dort in Ruhe zu essen, sagte eine Klinikangestellte, dass dies nicht gern gesehen würde. Was das mit einem günstigen Rehabilitationsumfeld zu tun haben soll, ist mir schleierhaft – das Gegenteil ist der Fall. Ich hatte während der Zeiten des Essens wie eine Gefangene im Zimmer zu verharren. Meine Zimmerpartnerin begann jeweils gleich nach dem ersten Bissen zu jammern, sie könne nicht essen, und dann folgten wieder Brechreize – und das beim Morgen, Mittag- und Abendessen. Erst in der 2. Woche stellte sich eine kleine Verbesserung ein.
 
Die Verpflegung in der Wegman-Klinik hatte ich vor meinem Eintritt mit gewissen Erwartungen verbunden, da ich selber, wenn immer möglich, aus Qualitätsgründen Demeter-Produkte kaufe. Doch das Essen war spärlich, oft mengenmässig ungenügend, was damit begründet wurde, dass eben das handwerklich tätige Personal wie der Gärtner usw. genügend Kalorien und Eiweiss erhalten müssten ... offenbar reichte es nicht für alle. Als Gast wurde ich knauserig behandelt und das Gefühl stellte sich ein, eine ausreichende Nahrungsabgabe würde die für das Essen Verantwortlichen reuen.
 
Am ersten Sonntag meines Aufenthalts kündigte die Menukarte einen „Rinderbraten Toskana“ an, und ich freute mich auf ein Stück kräftig gewürztes Fleisch. Doch wiederum war die Enttäuschung wiederum gross. Der Braten war hart, deutlich zu wenig gegart. Selbst die bereitgestellten Früchte waren weitgehend unreif; sie hätten noch lange gelagert werden müssen, wenn sie schon zu früh geerntet wurden. Unreife Früchte haben einen verminderten Gesundheitswert.
 
Am darauffolgenden Sonntag zog ich es vor, auf eigene Kosten auswärts in einem Restaurant zu essen. Offenbar hatte ich richtig entschieden, denn laut meiner Zimmernachbarin war der Braten wieder ungenügend gegart worden.
 
Auch die Stunden zwischen den Mahlzeiten waren recht ungemütlich. Meine Zimmernachbarin wurde, wie gesagt, jeden Nachmittag von ihrem Mann besucht; die beiden blieben im Zimmer. Ich wurde dadurch faktisch gezwungen, mich jeden Nachmittag ausserhalb des Zimmers zu begeben, auch wenn ich mich gern auf dem mir zugewiesenen Bett ausgeruht hätte.
 
Ich erwähne das beispielhaft nur, um Ihnen einen Eindruck von den Zuständen zu vermitteln, wie ich sie bei Ihnen antraf. Als ich darum bat, man möge mir ein Einerzimmer zuzuteilen, für das ich den Aufpreis ohne Weiteres bezahlt hätte, erhielt ich zur Antwort, es sei gerade kein solches frei.
 
Mein 1. Gespräch führte ich mit Dr. med. Christoph Kaufmann, Facharzt FMH für Innere Medizin. Er erkundigte sich nach meinen Bedürfnissen. Dabei erwähnte ich unter anderem meinen Wunsch, in Gymnastik-Gruppen fein abgestimmte Bewegungen vorzunehmen und anderen Veranstaltungen beizuwohnen, die den Heilprozess günstig beeinflussen könnten – um die Zeit nutzbringend einzusetzen. Die Teilnahme an gruppentherapeutischen Massnahmen wurde mir nicht gestattet. Von meinem Zimmerfenster aus sah ich, dass Frauen von der 3. Etage Gymnastik betreiben durften. Und als ich darum bat, daran teilnehmen zu dürfen, sagte mir der zuständige Arzt, diese Lektionen seien für den 3. Stock reserviert ...
 
Meines Erachtens müsste eine Klinik, ob sie nun der Erholung oder der Heilung – bei längeren Aufenthalten am Besten wohl beidem – dient, entsprechend günstige Voraussetzungen für die Patienten bereitstellen und solche nicht noch verhindern. Das ist unverständlich und nicht zu rechtfertigen; hoffentlich ist dies nicht die aus der Anthroposophie bekannte „Mysterien-Heilkunst“.
 
Ich kehrte jedenfalls enttäuscht aus Ihrer Klinik nach Hause zurück. Später erfuhr ich von einer im Spitalwesen im Kanton Bern tätigen Bekannten, dass eine Patientin von ihr bei Ihnen ähnliche Erfahrungen gemacht habe. Diese Patientin war dem Vernehmen nach oft in die Ita-Wegman-Klinik gekommen, war anfänglich mit der Betreuung sehr zufrieden, bis zu ihrem letzten Besuch, bei dem sie bitter enttäuscht wurde. Das lässt darauf schliessen, dass in der Klinik ein Wandel stattgefunden hat.
 
Im Interesse kommender Patienten und Ihres Unternehmens müssten Sie doch alles unternehmen, um die Missstände zu beheben. Dabei möchte ich nicht verhehlen, dass Sie auch sehr freundliches, verständnisvolles Personal haben, dem es aber nicht gelingen kann, das trübe Gesamtbild hinreichend zu kaschieren. Das Wesentliche, meinen Krankheitszustand einer Besserung zuzuführen, haben Sie nicht erreicht.
 
Mit freundlichen Grüssen
(Name der Redaktion bekannt.)
 
Der Brief ist auch heute, anderthalb Monate später, noch nicht beantwortet.
 
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