Textatelier
BLOG vom: 14.05.2014

Chromosomen, schrumpfende Telomere, Lebensfäden

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, Viersen/Westdeutschland
 
Bei Kindern wird es gern gemacht: das Massband ist an der Wand oder an der Tür befestigt, und die Mutter kann immer ablesen, wie viele Zentimeter der Nachwuchs in den letzten Wochen wieder gewachsen ist.
 
Der umgekehrte Fall gilt bei den Telomeren. Das sind die Enden unserer Chromosomen als sogenannte Schutzkappen. Dort sitzen keine lebenswichtigen Gene. Die Telomere werden bei jeder Zellteilung kürzer, was sich verschmerzen lässt. Es gibt aber auch den Beschützer der Telomere, das ist die Telemorase, ein Enzym. Dieses bewahrt die Telomere ein wenig vor dem Absterben. Mit den Jahren lässt aber der Schutz nach. Damit werden auch die Telomere kürzer. Sind keine Telomere mehr vorhanden, verkleben die Chromosomen, können sich nicht mehr teilen, und wir sterben.
 
Will man also das Leben verlängern, muss man herausfinden, wie das Kürzerwerden der Telomere verhindert oder verlangsamt werden kann.
 
Da nicht genau feststeht, wie viele Telomere von Jahr zu Jahr absterben, kann man auch nicht bestimmen, wie alt man werden wird.
 
Das ist, in aller Kürze dargestellt, die heutige wissenschaftliche Erkenntnis des Vorgangs. In den letzten Tagen wurde publiziert, dass sozialer Stress dazu führe, dass die Telomere schneller kürzer werden. Jedenfalls glauben die Wissenschaftler jetzt im Ansatz zu wissen, warum das Leben endlich ist und wie wir alt werden.
 
Telos“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet „Ende“ oder auch „Ziel“, „Teleologie“ ist der Endzweck. Interessant ist, dass die Kelten eine Göttin mit dem Namen Telo, verwandt mit Tellus, verehrten, der französische Ort Toulon soll seinen Namen von ihr haben.
 
Chromosome und Telomere bringen mich zum „Lebensfaden“, an dem wir alle hängen. Der wiederum war in der griechischen und römischen Mythologie das Symbol für das menschliche Leben und deren Beschaffenheit, Glück und Unglück.
 
Lebensfäden werden von den drei Moiren bzw. Parzen gesponnen. Die Griechen stellten sich 3 alte Frauen, die Moiren, vor, die um eine Spindel sitzen und den Lebensfaden für jeden Menschen spinnen, die erste, Klotho, stellt ihn her, die zweite, Lachesis, misst seine Länge, die dritte,  Atropos, schneidet ihn, des Lebens seidenen Faden, ab.
 
Im Mittelalter wurde das so beschrieben: 
„..wan Klôtô, diu den rocken
dinset, diu muoz lîden,
wan Atropos abe snîden
wil des lîbes sîden vadem.“
(Deutsches Wörterbuch von Jakob und Wilhelm Grimm, Germ.3, 406, 65.)
 
An manchen Gedenktagen von Heiligen durfte man nicht mit Nadel und Faden hantieren. Aus Kindertagen ist mir noch bekannt, ein Kleidungsstück auszubessern, das noch am Körper des Trägers ist, bringe Unglück, denn das letzte Ende des Zwirns muss gekürzt werden.
 
Der Märchendichter Hans Christian Andersen schreibt in seiner Erzählung „Sein oder Nichtsein“:
 
„Morgen ist vielleicht der Lebensfaden so mancher unter uns abgeschnitten, und das Ganze ist dann vorbei.“
 
Das mit dem Stress wusste sogar schon Johann Wolfgang von Goethe:
 
Den rechten Lebensfaden spinnt einer, der lebt und leben lässt.“
 
Der rote Faden stammt aus Goethes Roman „Die Wahlverwandtschaften“ (1809) 2,2.
Dort wird berichtet, alles Tauwerk der englischen Flotte sei „dergestalt gesponnen, dass ein roter Faden durch das Ganze durchgeht, den man nicht herauswinden kann, ohne alles aufzulösen. Ebenso zieht sich durch Ottiliens Tagebuch ein Faden der Neigung und Anhänglichkeit, der alles verbindet.“ Der Brauch in der englischen Flotte (anfänglich mit verschiedenen Farben) besteht seit 1776.
 
Der Faden, eine Textilie aus mehreren miteinander verbundenen oder verdrehten Fasern, ist in unseren idiomatischen Redewendungen vielfältig vertreten:
 
Es kommt schon mal vor, dass ich den Faden verliere und in einem Vortrag vom Thema abkomme oder nicht mehr weiter weiss. Aber bisher habe ich noch keine Befürchtung, dass ich die Fäden in der Hand halten kann und nicht verliere, so wie der Puppenspieler seine Marionetten. Ich möchte nämlich nicht, dass man keinen guten Faden an mir lässt, ich möchte keine negative Kritik hören, ich empfinde das als fadenscheinig!
 
Da beisst die Maus keinen Faden ab!  Und dabei denke ich an die Fabel vom Mäuschen und dem Löwen von Aesop (ca. 620‒560 v. u. Z.). Der Löwe schenkte dem Mäuschen, das ihn im Schlaf gestört hatte, grossmütig das Leben. Und als dieser dann in einem Netz gefangen worden war, nagt das Mäuschen einige Knoten des Netzes durch und der Löwe kann sich befreien. Und wenn die Maus den Faden nicht durchbeisst, dann bleibt es so, wie es ist, basta!
 
Quellen
www.scinexx.de/dossier-detail-490-6.html‎
de.wikipedia.org/wiki/Lebensfaden‎
 
Hinweis auf weitere Arbeiten zu Lebensdauer und Lebensfaden
 
 
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