Textatelier
BLOG vom: 03.07.2014

Elbsandsteingebirge 1: Klammen, Prebischtor, bizarre Felsen

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Von der Schönheit des Elbsandsteingebirges war schon Anfang des 19. Jahrhunderts der Maler und Zeichner der deutschen Frühromantik Caspar David Friedrich (1774−1840) angetan. So schuf er um 1818 das Gemälde „Der Wanderer über dem Nebelmeer“. Das Bild ist im Internet zu sehen.
 
Das Elbsandsteingebirge ist wohl eines der beliebtesten und schönsten Wandergebiete von Deutschland. Das Gebiet liegt an der Tschechischen Grenze. Die bizarre Mittelgebirgslandschaft wird unterteilt in die Sächsische Schweiz (Deutschland) und in die Böhmische Schweiz (Tschechien). Durch Erosion entstanden in Jahrmillionen bizarre Felsgebilde, enge und tief eingeschnittene Schluchten und Tafelberge.
 
Wir liessen uns von der Schönheit und den bizarren Felslandschaften schon im Vorfeld inspirieren und entschlossen uns, die diesjährige Wanderwoche vom 14. bis 21.06.2014 dort zu verbringen. Unser Wanderführer Toni von Lörrach bemühte sich sehr, für 7 Wanderfreunde Einzelzimmer zu finden. Im Internet wurde er fündig. Im „Hotel Marion“ in Děčin (Tschechien) wurden frühzeitig 7 Zimmer gebucht. Wir reservierten 6 Doppelzimmer und ein Einzelzimmer zu gleichen Preisen. Da das Haus nur 8 Zimmer verfügt, hatten wir das Hotel für uns allein. Das 8. Zimmer war dem Personal vorbehalten.
 
Am 14.06.2014 war es so weit. Wir fuhren mit 2 Autos zu siebt (Bernd, Claus, „Kanu“-Heinz, Manfred, Toni, Walter und ich) 805 km weit von Lörrach über Nürnberg, südlich an Dresden vorbei über Bad Schandau nach Děčin (Tetschen). Der in Tschechien befindliche Ort ist etwa 25 km von Bad Schandau entfernt. Děčin liegt an der Elbe und wird als eine der schönsten Städte in der tschechischen Republik bezeichnet.
 
Nach dem Bezug der Zimmer und dem ersten, hervorragenden Abendessen war die Nachtruhe angesagt. Denn schon am kommenden Tag begannen unsere Wanderabenteuer.
 
In den Klammen per Kahn
Toni kannte schon diese touristische Sehenswürdigkeit in Tschechien. Er empfahl uns vor der Reise, eine Bootsfahrt durch die 960 m lange Edmundsklamm und die 450 m lange Wilde Klamm (www.hrensko.cz) zu machen. Auf der angegebenen Website sind auch eine Klamm und das Prebischtor abgebildet.
 
Wir parkierten in CZ-Hřensko, wanderten zunächst 20 Minuten entlang des Flusses Kamenice (Kamnitz) unter Felsüberhängen und durch einige Tunnels zur 1. Bootsanlegestelle (hier und an der 2. Stelle wird das Wasser gestaut). Wir stiegen in einen Kahn, der für 20 Personen konzipiert ist. Der Fährmann trieb dann den Kahn mit einer Stange an bizarren Felsgebilden vorbei.
 
Nach einiger Zeit sagte unser Wanderführer: „Jetzt kommt eine Besonderheit. Ich sag nichts“. Ich blickte nach oben und sah eine lange Leine. Der Kahnführer zog daran, und es ergoss sich ein Schwall Wasser in Form eines Wasserfalls in die Fluten neben unserem Boot. Keiner wurde nass, da sich das Boot ganz am Rand der gegenüberliegenden Felswand befand.
 
Es war eine schöne und geruhsame Fahrt. In tschechischer und deutscher Sprache wies der Bootsführer die Touristen auf etliche fantasievolle Felsgebilde wie Schildkröte, Krokodil, Eule, Elefant und auf einen Hundekopf hin. „Wer keine Fantasie hat, der sollte vorher einen Becherovka trinken“, so die Empfehlung des Fährmanns. Nach der 20 Minuten dauernden Fahrt liess er beim Ausstieg erneut seinen Humor aufblitzen, indem er sagte: „Frauen steigen rechts und Männer links aus, Schwiegermütter gerade aus.“ Der Schwiegermutter-Ausstieg führte direkt ins Wasser.
 
Dann bewegten wir uns auf einem schmalen Wanderweg an einem Kiosk vorbei zur 2. Anlegestelle. Wir stiegen dort in ein weiteres Boot, das uns innerhalb von 15 Minuten durch die Wilde Klamm brachte.
 
Auf zum Prebischtor
Nach diesen schönen Bootsfahrten durch die Klammen wanderten wir zum 1,5 Stunden entfernten Prebischtor über Meznі Louka (Rainwiese) und den Gabrielensteig.
 
Wir stiegen über Stufen, an schönen Felsformationen vorbei, zu einem überwachten Felsblock, der sich über unserem Wanderweg befand. Zwischen einem grossen Felsblock und der Felswand befand sich ein grösserer Spalt. Der Spalt war durch einen Draht mit einem Messgerät verbunden. Das Gerät misst Veränderungen in der Spaltbreite. Auf einer Infotafel wurden wir darauf hingewiesen, dass es immer wieder kleinere und grössere Felsstürze geben kann. An diesem Tag hatten wir Glück. Es gab keine Steinschläge.
 
Auf einer anderen Tafel konnten wir die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Landschaft des Elbsandsteingebirges ablesen. Vor fast 100 Millionen Jahren in der Kreidezeit erstreckte sich auf diesem Gebiet ein warmes und flaches Meer. Innert 10 Millionen Jahre sedimentierten auf dem Meeresboden die Verwitterungsprodukte der umliegenden Festlandsgebiete, welche Flüsse in das Meer spülten. Die Ablagerungen, die aus Ton und Kalk bestanden, verfestigten sich durch Druck zu Sandstein. Die Schichten wurden durch tektonische Bewegungen langsam angehoben und das Meer zurückgedrängt. Vor 2,5 Millionen Jahren bis zu Gegenwart bildete sich die wild zerklüftete Erosionslandschaft heraus. In 10 Millionen Jahre wird das Elbsandsteingebirge nicht mehr existieren. Vielleicht gibt es dann keine Menschen und schon gar keine Wanderer mehr.
 
Bald darauf durchquerten wir ein Wäldchen, wanderten noch um eine Wegbiegung herum, und schon sahen wir das Restaurant Klepáč aus dem 19. Jahrhundert und das daneben befindliche Prebischtor. Es ist die einzigartige und die grösste natürliche Sandsteinbrücke Europas. Jährlich bewundern 100 000 Besucher dieses Naturwunder. Wir waren alle begeistert.
 
Nach einer kurzen Rast im Restaurant hatten wir Gelegenheit, zum Prebischtor zu wandern. Als ich darunter stand, wurde mir die Grösse des Tores bewusst. Die Spannung des Bogens bei der Basis ist 26,5 m, die Höhe des Durchbruchs 16 m, die Breite 7 bis 8 m.
 
In der Nähe des Restaurants kamen wir über Steige und Treppen auf verschiedene Aussichtsorte. Von hier oben hatten wir nochmals einen phänomenalen Blick auf das Prebischtor.
 
Es war Edmund Fürst von Clary-Aldringen, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Gegend für die Besucher zugänglich machte. Er liess den Gabrielensteig, den wir begingen, errichten, ausserdem Hotels, Restaurants, Aussichtplätze und Rastlauben.
 
Nach diesen eindrucksvollen Höhepunkten unserer Wanderung mussten wir Abschied nehmen, wanderten dann bergabwärts zu unserem Parkplatz zurück.
 
 
Anhang
Die Annexion des Sudetenlands
1804 wurde die Böhmische Schweiz in das Kaisertum Österreich integriert. Das Elbsandsteingebirge wurde Grenzgebiet zwischen dem Deutschen Reich und Österreich.
 
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Böhmische Schweiz zu einem Teil der unabhängigen Tschechoslowakei. Dieses Gebiet war vorwiegend deutschsprachig. Bestrebungen zur Selbständigkeit und der Ruf zum Anschluss an das Deutsche Reich waren die Folge. Was heute nicht alle wissen: 1938 beschlossen die Regierungen Deutschlands, Frankreichs, Grossbritanniens und Italiens im Münchner Abkommen gegen den Willen der Tschechoslowakei die deutsche Annexion des „Sudetenlands“ (so wurden die Randgebiete der Tschechoslowakei bezeichnet).
 
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde der alte Grenzverlauf wieder hergestellt. Aus Rache wurden die Deutschen aus dem Sudetenland vertrieben. Dazu gehörte auch meine Familie.
 
Heute erinnern noch alte Ortsnamen an die damaligen Verhältnisse. Im Grenzgebiet sprechen viele Tschechen auch Deutsch. So auch in unserem Hotel.
 
Fortsetzung folgt.
 
 
Literatur
„Elbsandsteingebirge“, ADAC Wanderführer, ADAC Verlag, München, 2011.
 
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