BLOG vom: 07.09.2014
Zuflucht zur Labsal im Schaukelstuhl abseits der Hektik
Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
Weil die Welt in alle Richtungen entgleist und die Medien uns mit Gräuelnachrichten überschütten, die uns kaum mehr erschüttern, sondern abstumpfen, bin ich zunehmend geneigt, mich in mein Schneckenhaus zur verkriechen.
Das sollst du nicht tun, ermahnt mich mein Gewissen. Aber ich will mir eine Ruhepause gewähren, bis mir Gewissensbisse zusetzen. So habe ich es immer wieder gehalten. Ich schreibe dann gern Kurzgeschichten und verneige mich vor meinen Vorbildern und suche Trost im Bereich der erbaulichen Künste: die Quellen meiner Labsal. Schliesslich bin ich im Ruhestand, untermauere ich. So will ich mich erlaben und 7 Tage lang das miserable Weltgeschehen ausklammern. Ich beziehe meinen Wolkensitz und schicke gleichgesinnten Lesern per Brieftaube diesen Text:
In der Vorstellung lässt sich gut leben. Sie kostet nichts. Wer sich in den Schaukelstuhl setzt und hin und her gaukelt, gewinnt den benötigten Schwung für den Höhenflug der Fantasie. Die Augendeckel klappen zu, und er ist im Traumland.
Wem der Schaukelstuhl fehlt, der suche Zuflucht in der Schlummerlektüre. Märchen eignen sich dazu, vorausgesetzt, dass man den Wunderglauben erhalten hat. Die miese Wirklichkeit ist wirksam ausgeschaltet!
Der Druck der Pflichten vergällt die Lebensfreude. Dank der Autosuggestion erledigen sich lästige Pflichten vonselbst. Der Labsal ist das Tor weit geöffnet.
Jeder Mensch hat seine eigenen Quellen der Labsal – bekömmliche und schädliche. Welcher Beschaffenheit seine sind, weiss wohl jeder selbst. Süchte aller Art verwandeln süsse Träume in Alpträume. Das schlechte Gewissen speist keine Labsal.
Der Herbst steht vor der Türe, und wie alle Jahre, gehe ich im Wimbledoner Common Brombeeren sammeln. In einer Woche oder so ernte ich meine Trauben von der besonnten Mauer. Kulinarische Leckerbissen, kleindosiert, sind Teil meiner Labsal.
Mein Rasenmäher hat seinen Winterschlaf begonnen: eine Lärmquelle weniger.
Am Sonntagmorgen schwang ich mich aufs Velo und holte die Wochenendausgabe der „Sunday Times” im Wimbledon Village. Das hätte ich nicht tun sollen. Meine Labsal-Ferien endeten deswegen nach 3 Tagen.
Oder bekommt mir zu viel Labsal auf einmal nicht?
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