Textatelier
BLOG vom: 13.09.2014

Neue EU-Direktive bringt die Lavendel-Anbauer in Aufruhr

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
 
Wieder einmal hat die EU-Kommission einen Unsinn ausgeheckt. Eine neue EU-Direktive verlangt für Lavendel-Produkte, besonders für das Lavendelöl, Warnhinweise wie bei chemischen Giften. Im Fokus stehen bestimmte Inhaltsstoffe, die zukünftig deklariert werden sollen. Die Mächtigen in Brüssel sollen mir einmal sagen, wie das mit einem Naturprodukt funktionieren soll. Erstens sind der Standort und die Sonneneinstrahlung, zweitens der Einfluss des Erntezeitpunktes und drittens der Einfluss der Destillationsdauer auf die Menge der Inhaltstoffe von Bedeutung.
 
Die Lavendel-Anbauer sind sauer und starteten nun eine Petition. „Lavendel ist kein chemisches Produkt“ oder „Nein zur REACH-Regelung“, skandierten sie.
 
Die Online-Petition wurde bis zum 08.09.2014 bereits von 16 000 Menschen unterschrieben.
 
Es gibt im Südosten von Frankreich 1500 Anbaubetriebe. Die Regelung, die ab 2018 eingeführt werden soll, bedroht zahlreiche Existenzen. Die Öle sollen regelmässig kontrolliert werden. Die Untersuchungen auf bestimmte Inhaltsstoffe, Registrierungs-, Klassifizierungs- und Kennzeichnungspflichten sind sehr teuer. Auch würden mit den Warnhinweisen etliche Verbraucher abgeschreckt werden, die Produkte zu kaufen. Parfüm-Hersteller dürften dann auf andere Produkte ausweichen.
 
Der APAL-Anbauverband findet die geplanten Regelungen als zu hart. Der Ehrenpräsident des Verbandes, Francis Vidal, dazu: „Wir haben noch nie von einem ernsthaften Problem gehört.“ Er prophezeit eine düstere Zukunft (laut Interview unter www.spiegel.de) und sagte: „Die Konsequenzen wären, dass die Plantagen in kürzester Zeit ruiniert sind und der Lavendel aus der Region Provence verschwindet.“
 
Vidal schrieb auch an den französischen Präsidenten François Hollande und andere Politiker. Ob dies was nutzt, wird die Zukunft zeigen.
 
Der Spiegel: „Auch die EU-Kommission hat erkannt, dass es schwierig ist, ein Produkt als chemisch einzuordnen, dessen Inhaltsstoffe von der Menge der Sonnenstrahlen abhängen und dem Erdboden, in dem es wächst.“
 
Viele Inhaltsstoffe
Betrachten wir einmal einige der Hauptinhaltsstoffe näher (eine ausführliche Darstellung von Dr. Jörg Schweikart ist unter www.lavendel.net nachzulesen).
 
300 bis 400 Inhaltsstoffe des Lavendels scheinen eine gesundheitliche Bedeutung zu haben. Bisher ist nur ein kleiner Teil wissenschaftlich untersucht. Wichtig ist, dass die Inhaltsstoffe erst im Verbund eine optimale Wirkung entfalten.
 
Im Lavendelöl sind bisher über 200 verschiedene Inhaltsstoffe nachgewiesen worden. Hauptinhaltsstoffe sind die Monoterpene Linalool und Linalylacetat. Die lipophilen Monoterpene sind für die gesundheitlichen Wirkungen verantwortlich. Diese überwinden die Gehirn-Blutschranke und können ihre gesundheitliche Wirkung über Nerven und im Gehirn entfalten. „Das erklärt auch die gute Wirksamkeit bei der Inhalation und beim Einsatz über eine Duftlampe“, erklärte Schweikart. Kampfer und Cineol sind im Lavendelöl nur in geringen Mengen vorhanden. Die belebende und erfrischende Wirkung wird auf diese beiden Stoffe zurückgeführt.
 
Linalool ist ein Entzündungshemmer
Linalool ist verantwortlich für die antiseptische, entzündungshemmende und antimikrobielle Wirkung. Das Spiköl hat zwar etwas mehr zu bieten, hat dafür aber weniger Linalylacetat.
Linalool im Lavendelöl extra und Lavendelöl fein: 30−45 %.
Linalool im Spiköl (Speiklavendel), Schopflavendelöl und Wolllavendelöl: 40−50 %.
Linalool im Lavandinöl: 30 %.
 
Duftendes Linalylacetat
Das Linalylacetat, ein Ester, ist für den charakteristischen Lavendelduft verantwortlich. Je höher das Anbaugebiet liegt, desto mehr ist von diesem Wirkstoff in den Pflanzen vorhanden. Der echte Lavendel hat demzufolge den höchsten Gehalt an Linalylacetat.
 
Der Wirkstoff hat positive Wirkung auf die Psyche. Er wirkt nach Schweikart so: Beruhigt das zentrale Nervensystem, schützt die Nerven vor Reizüberflutung, besänftigt übermässige Gefühlsregungen, verleiht Mut, steigert Wohlbefinden und die Lebensqualität, wirkt beruhigend und entspannend auf Körper, Geist und Seele.
 
Linalylacetat im Lavendelöl extra und Lavendelöl fein: 35−50 %.
Linalylacetat im Spiköl, Schopflavendel- und Wolllavendelöl: 1,5-3 %
Linalylacetat im Lavandinöl: 15 %.
 
Da häufig gestreckte und verfälschte Lavendelöle auftauchen, sollte man beim Kauf von Lavendelöl aus der Provence auf das A.O.C-Siegel (Appelation d´origine controlée) achten. Es sind Produkte, die das Gütesiegel erhalten, wenn sie nach den strengen Anbau- und Qualitätskriterien hergestellt wurden.
 
Aus den blühenden Rispen und Stängeln wird durch Wasserdampfdestillation das Lavendelöl gewonnen. Aus 120 kg Blütenrispen gewinnt man zirka 1 kg Öl.
 
Vielseitige Verwendung
Lavendelöl wird vielseitig verwendet. Es ist in vielen kosmetischen Produkten vorhanden, wird aber auch als Heilmittel genutzt. Es hilft bei kleinen Verbrennungen, Hautabschürfungen, Schnittwunden, Prellungen, Entzündungen und bei Insektenstichen. Das Öl wird auch in der Duftlampe angewandt. Die Raumluft, die mit dem Öl versetzt ist, wirkt ausgleichend und stimmungsaufhellend. Gute Erfahrungen liegen auch bei Einschlafstörungen vor. Einige Tropfen Öl werden auf das Kopfkissen geträufelt.
 
Angelika Krabus-Bröckel berichtete in der Online-Ausgabe der „Welt“ über ganz andere Anwendungen: „Unter Fernreisenden, die sich an einen veränderten Tag-Nacht-Rhythmus gewöhnen müssen, gilt Lavendelöl als Geheimtipp. Und ein paar Lavendelblüten zwischen den Bettlaken sollen dafür sorgen, dass sich ein Paar nie streitet.“ Nun kann ich den Streitsüchtigen mit gutem Gewissen das Öl empfehlen.
 
Ärger mit Deklarationen
Apotheker Frank Hiepe teilte mir dies mit: „Verantwortlich für den Ärger mit der Deklaration von angeblich toxischen Stoffen ist die EU-Kosmetikverordnung, nach der Stoffe, die Unverträglichkeiten wie Allergien auslösen können, quantitativ auf dem Kosmetikum deklariert werden müssen.“
 
Dazu gab es in Deutschland in der Vergangenheit seltsame Entscheidungen. So wurden bei Medikamenten mit Heilpflanzenextrakten genaue Deklarierungen von Wirkstoffen gefordert. Zum einen gab es keine Institute für die Ermittlung der Inhaltsstoffe, und zum anderen würden solche Untersuchungen viel kosten. Das können sich kleinere Unternehmen nicht leisten. Manche Firmen deklarierten um, indem sie den höchstmöglichen Gehalt an Hauptinhaltsstoffen angeben oder sie verkaufen bestimmte Produkte als Lebensmittel. Bei Lebensmitteln sind nämlich keine Angaben zu wirksamen Inhaltsstoffen notwendig.
 
In meinen Augen sind solche von der EU geforderten Deklarationen übertrieben. Wichtig wären Verordnungen, um Verfälschungen auszuschliessen, wie dies bei einigen Lavendelölen der Fall ist.
 
Es reicht, wenn man bei kosmetischen Produkten und Naturarzneien auf Nebenwirkungen (z. B. Allergien) hinweist. Auch auf Gegenanzeigen und Wechselwirkungen mit anderen Arzneien sollte immer hingewiesen werden.
 
Es bleibt zu hoffen, dass die Kommissare in Brüssel das richtige Mass und Entscheidungen zum Wohle der Anbauer und kleinen Firmen finden werden. Dies wird wohl ein Wunschtraum bleiben, da es in Brüssel viele inkompetente Kommissare gibt. Sie werden oft mit Aufgaben betreut, von denen sie nichts verstehen. Ein ehrlicher Kommissar, Günther Oettinger (CDU), hat dies schon zugegeben.
 
 
Internet
www.welt.de („Was gewöhnlicher Lavendel kann“)
www.spiegel.de („Provence: Lavendel-Felder in Gefahr“)
 
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