Textatelier
BLOG vom: 13.01.2015

NAB-Finanzanlass: Wachstumsimpuls aus dem Raum Asien

Autor: Walter Hess, Publizist (Textatelier.com), Biberstein AG/CH
 
 
Um China komme man heute nicht mehr herum, sagte die ehemalige SRF1-Korrespondentin Barbara Lüthi beim Finanzanlass der Neuen Aargauer Bank (NAB) am 08.01.2015 in Aarau. Sie weilte gerade für 2 Wochen in der Schweiz, verspürte aber bereits Heimweh nach Hongkong, wo sie jetzt mit ihren 2 Kindern lebt, weil ihr die Luft in Peking, ihrem vorherigen Wohnort, zu undurchsichtig wurde und die Gesundheit ihres Nachwuchses beeinträchtigte.
 
China habe sich rasant vom Entwicklungs- zum Schwellenland und nun zur wirtschaftlichen Grossmacht entwickelt, stellte sie fest. Das Riesenreich sei bereits die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt, wobei das Wohlstandgefälle im Lande allerdings enorm ist.
 
Wirtschaftlich wird China zweifellos den globalen Spitzenplatz erobern, weil es die Devise „Waren statt Waffen“ verfolgt; in den USA ist es eher umgekehrt. China ist ein globaler Kreditgeber, und in Europa setzt das Land vor allem auf Firmenbeteiligungen. Die eigenwillige eigene Kultur mit all ihren Stärken und Schwächen werde China daran hindern, als politische Supermacht die USA abzulösen, glaubt Frau Lüthi. Dabei ging mir durch den Kopf, dass ich ohne eine solche Führungsmacht mit ihrem von Eigennutz und Arroganz geprägten Gehabe gut leben könnte. Meine Lust an der Unterwerfung hält sich eben in sehr, sehr engen Grenzen.
 
Die andersgeartete Kultur wirkt sich in China verschiedenartig aus, was gerade bei Handelsbeziehungen zu beachten ist. In der Schweiz gilt es als unschicklich, jemanden über den Tisch zu ziehen; doch in China wird genau das kultiviert. Die chinesische List gilt im Lande als positiver Wert, selbst unter Bekannten und Freunden. Jeder Chinese zeigt sich geradezu enttäuscht, wenn sein Gegenüber nicht einmal versucht, diese List ins Spiel zu bringen.
 
Ob List auch zur Korruption beigetragen hat, mit der sich Frau Lüthi ausführlich befasste, bleibe dahingestellt. Der geringe Lohn für mächtige chinesische Beamte ist natürlich ein idealer Nährboden für die Bestechlichkeit, die vielen begünstigten Leuten zu einem unerhörten Reichtum verholfen hat. Sie legen ihr Geld mit Vorliebe in der Schweiz an, die in China einen ausgezeichneten Ruf hat und als sicherer Hort gilt, noch heute.
 
Auch in China selbst scheint kein Geldmangel vorzuherrschen. Im Zuge der Steigerung des Bruttosozialprodukts wurden Geisterstädte für 2 bis 3 Millionen Bewohner mit allem Komfort bis zum Theater und Sportanlagen aus dem Boden gestampft, ohne dass Bewohner hier eingezogen sind.
 
Auf der anderen Seite gibt es eine ausgeprägte Armut, besonders bei den Kleinbauern, die es im Überfluss gibt, und Wanderarbeitern, die oft von umgerechnet 2 CHF pro Tag leben müssen, wobei schleierhaft bleibt, wie das überhaupt möglich sein kann. Zudem sind die Chinesen zum Sparen im Sinne einer Reservebildung gezwungen, weil es kein Sozialsystem gibt ... wie man es doch gerade in einem kommunistischen Land erwarten würde.
 
Die Regierung in Peking hat die anstehenden sozialen Probleme erkannt und muss sie angehen, was sie erklärtermassen auch tun will, damit Volksaufstände verhindert werden können. Demonstrationen sind verboten, und dennoch gibt es immer wieder soziale Unruhen, wobei auch das Internet seine subversive Kraft entwickelt. Um massive Unruhen zu verhindern, müssen die Volksmassen das Gefühl erhalten, dass es ihnen ständig etwas besser geht. Die Neidkultur ist in China kaum vorhanden, denn wer es geschafft hat, steht in hohem Ansehen.
 
Keinen guten Faden liess die Referentin am chinesischen Bildungssystem, weil dieses allzu sehr auf das Auswendiglernen und Prüfungen für den Zugang zu höheren Schulen ausgerichtet sei. Vergleiche mit dem US-Bildungszerfall oder dem degoutanten Schweizer „Lehrplan 21“ zog sie nicht. Sie redete schnell, manchmal etwas undeutlich, zeigte sich dabei voll engagiert und schöpfte aus den eigenen, jahrelangen Anschauungen inmitten des Reichs der Mitte. Dank ihrer erfrischenden, ungekünstelten Art hörte man ihr gern zu. Sie ist gross, schlank, blond und trat im eleganten, schwarzen Hosen-Anzug in Aarau auf.
 
Die aus Zürich stammende, 1973 geborene Fernsehjournalistin war von Sandro Meichtry, Leiter des NAB-Private-Bankings, vorgestellt worden: Ihre Korrespondententätigkeit fürs Schweizer Fernsehen SRF hat Frau Lüthi nach 8 Jahren gerade aufgegeben (sie wird von Pascal Nufer abgelöst). Sie wird sich nun speziellen Reportagethemen zuwenden, etwa den Umweltschutzbemühungen in China, die für Schweizer Unternehmen einen attraktiven Markt eröffnen könnten.
 
Zu Beginn des Anlasses im Kultur- & Kongresshaus hatte sich Konstantin Giantiroglou, Leiter der Konjunktur- und Finanzmarkanalysen, an einen „Ausblick auf die Finanzmärkte 2015“ herangewagt. In der Schweiz rechnet er mit einer leicht beschleunigten Konjunktur. Und in der Eurozone ortete er „erste Fortschritte“, weil sich der Reformeifer auszahle. Auch er stellte fest, dass die Wachstumsimpulse vor allem aus Schwellenländern (einschliesslich China) kommen würden, wobei der Referent die Zahlen aus China anzweifelte, offenbar im Gegensatz zu jenen aus den USA. Besondere Zuversicht herrscht dank der Strukturreformen in Bezug auf Indien.  Giantiroglou verbreitete ein globales Zukunftsbild der Zuversicht und sieht sogar eine weitere Stärkung des US-Dollars voraus. Ein branchenkundiger Sitznachbar raunte mir zu: „Jetzt musst Du Dollars kaufen!“ Ich verwies darauf, dass viele Länder wie China und Russland sich gerade davon loslösen und ich somit weniger zuversichtlich sei. Der eingebrochene Rohölpreis beschwört zudem die Gefahr einer Frackingblase herauf. Doch ist das nicht mehr als meine persönliche Aussenseiter-Meinung.
 
Die Aktien wurden gegenüber den Anleihen als „attraktiv“ bewertet, dies wegen des sehr tiefen Zinsniveaus bei den Staatsobligationen. Und zudem wurde ein Einpendeln des Erdölpreises zwischen 55 und 70 USD in diesem Jahr 2015 prophezeit.
 
Während der Zahlenakrobatik hatte das Personal des bekannten Gasthofs „Hirschen“ in Obererlinsbach AG ein Buffet riche mit chinesischem Einschlag zusammengestellt, das angenehme, exotisch anmutende Düfte verbreitete und mit Tartelettes mit Algensalat und Thunfisch begann. In einem der Glückskekse in Schiffchenform aus süssem Waffelteig, wie sie von Japan aus China erreicht haben, fand ich auf einem Papierstreifen folgenden Sinnspruch: „Während Sie sich verlieben, läuft alles hervorragend.“
 
Nun, meine Liebe gehört eher dem Rubel oder dem Renminbi als dem Dollar, vor allem aber dem Geschnetzelten und dem Currygemüse nach chinesischer Art aus der „Hirschen“-Küche. Es lief wirklich nicht schlecht. Die NAB erwies sich als hervorragende Gastgeberin. Und wie bekömmlich ihre Zahlen sind, wird sich noch weisen.
 
 
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