BLOG vom: 14.01.2015
Pegida: Recht auf Meinungsfreiheit mit Füssen getreten
Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, Viersen/Westdeutschland
Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland garantiert den Bürgern ähnlich wie die Verfassungen der Schweiz, Österreich und anderer Länder: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äussern und zu verbreiten […] Eine Zensur findet nicht statt.“
Auf der Website www.textatelier.com, die Sie gerade angeklickt haben, nehmen wir diese Garantie in Anspruch. Wir veröffentlichen unsere Meinung, auch dann, wenn sie gerade nicht „mehrheitsfähig“ ist, ohne zu Gesetzesbrechern zu werden. Beispiel: Einen Aufruf zur Gewaltanwendung werden Sie hier nicht finden.
Einige Vorkommnisse der letzten Wochen zeigen deutlich auf, dass das noch verbleibende Recht der Meinungsfreiheit mit Füssen getreten wird.
Ein bemerkenswertes Ereignis sind die Demonstrationen unter dem Kürzel PEGIDA (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlands). Dort werden Ängste formuliert, z. B. vor einer Islamisierung der deutschen Bevölkerung.
Ist es im Sinne des Gesetzes der Meinungsfreiheit legitim, diese Ängste öffentlich in Umzügen und Demonstrationen kundzutun?
Die Antwort steht in der Aussage, die ursprünglich Voltaire zugesprochen wurde, aber nachweislich aus einer Biographie von Evelyn Beatrice Hall über den Philosophen stammt:
“I disapprove of what you say, but I will defend to the death your right to say it.”
„Ich lehne ab, was Sie sagen, aber ich werde bis auf den Tod Ihr Recht verteidigen, es zu sagen.“
Das Recht zur Meinungsäusserung besteht zweifellos.
Das beantwortet die Frage, ob es rechtens sei, wenn sich Politiker dahingehend äussern, die Bürger sollen die Teilnahme an einer solchen Demonstration unterlassen oder ob ein Oberbürgermeister das Recht hat, die stadtübliche Beleuchtung zu der genehmigten Demonstration auszuschalten, ganz eindeutig: Damit mischen sich nämlich demokratisch gewählte Vertreter in eine demokratisch legitimierte Meinungsäusserung von Bürgern ein, die gerade ihnen, den Volksvertretern, damit zeigen wollen, dass sie mit der Politik nicht einverstanden sind.
Politiker sind die Zielgruppe solcher Meinungskundgebungen. Sie haben sie zu beachten, zumindest sie zu dulden. Sie haben keinerlei Recht, die Ausführung in irgendeiner Weise zu behindern.
Mit solchen Aktionen begehen Politiker einen Gesetzesbruch. Das Abschalten der Beleuchtung wurde folgerichtig durch Verwaltungsgerichte verboten. Ein Beispiel ist Düsseldorf, hier wurde dem Oberbürgermeister untersagt, die Beleuchtung des Rathauses auszuschalten.
Die Begründung des Verwaltungsgerichtes in einem Auszug:
„Als Hoheitsträger hat der (Ober-)Bürgermeister kein Grundrecht auf Meinungsfreiheit. Grundrechte sind genuin Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. Sie gewähren den Bürgern auch die Freiheit, ihre Meinung in politisch umstrittenen Fragen – frei von staatlicher Einflussnahme und Druck – kundzutun. Es wäre eine Verkennung des für den freiheitlichen Staat konstitutiven Grundsatzes, wenn sich ein Hoheitsträger oder dessen Organ unter Berufung auf die Meinungsfreiheit gegen die Grundrechtsausübung durch die Bürger wenden könnte. Äussert sich ein Hoheitsträger in amtlicher Funktion und nimmt er dabei die ihm in dieser Funktion zur Verfügung stehenden Mittel in Anspruch, darf er grundsätzlich nicht in einem allgemeinen politischen Meinungskampf zugunsten einer von mehreren widerstreitende Standpunkte vertretenden Gruppen Partei ergreifen.“
Weiter heisst es in der Begründung:
„Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unterliegt ein Regierungsmitglied der Bindung an das Neutralitätsgebot, wenn es im politischen Wettbewerb Möglichkeiten nutzt, die ihm aufgrund seines Regierungsamtes zur Verfügung stehen, während sie den politischen Wettbewerbern verschlossen sind. Dies ist insbesondere gegeben, wenn eine Äusserung unter Rückgriff auf die einem Regierungsmitglied zur Verfügung stehenden Ressourcen erfolgt oder eine erkennbare Bezugnahme auf das Regierungsamt vorliegt und damit die Äusserung mit einer aus der Autorität des Amtes fliessenden besonderen Gewichtung versehen wird.“
Das bedeutet im Klartext, dass sich sowohl der deutsche Bundespräsident als auch die Bundeskanzlerin oder andere, die politische Ämter bekleiden, neutral zu verhalten haben. Jedwede Äusserung, die Bürger beeinflussen oder in eine unzulässige politische Richtung schieben will, ist zu unterlassen.
Es spricht nicht gerade für eine unabhängige freie Presse, wenn die wichtigsten Tageszeitungen in dasselbe Horn stossen, und die Pegida-Bewegung diskriminieren, statt das Recht der freien Meinungsäusserung vehement zu verteidigen.
Dass sie dann von Pegida-Demonstranten der Lüge bezichtigt werden, ist verständlich. Nicht nur die Demonstranten zweifeln mit guten Gründen an, dass die Mainstream-Medien noch neutral informieren.
Das Grundgesetz wurde 1949 verkündet, die freiheitlich-demokratische Grundordnung unserer repräsentativen Demokratie besteht also seit mehr als 65 Jahren. Unsere Demokratie ist, das kann man sagen, gefestigt. In einem gefestigten demokratischen Staatsgebilde müssen Meinungsunterschiede nicht nur ausgehalten, sondern auch toleriert werden. Alles andere würde suggerieren, dass der Staat ein schwacher, verletzlicher Staat ist.
Jeder hat das Recht, anderer Meinung zu sein und diese Meinung im Rahmen der Gesetze zu verbreiten, wo auch immer! Es darf nicht sein, dass dieses Recht eingeschränkt wird! Auch wenn ich nicht der Meinung bin, was in einer Demonstration skandiert wird, bin ich doch der Ansicht, dass die Demonstranten das Recht dazu haben!
Quellen
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