BLOG vom: 03.02.2015
Arzneipflanze 2015: Johanniskraut hilft bei Depressionen
Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
Der „Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde“ an der Universität Würzburg kürte das Echte Johanniskraut (Hypericum perforatum), auch „Tüpfel-Johanniskraut“ genannt, zur Arzneipflanze des Jahres 2015. Wohl deshalb, weil die Pflanze eine grosse Bedeutung in der Pflanzenheilkunde hat. Das Johanniskraut mit seinen sehr interessanten Inhaltsstoffen ist eine etwas „schwierige“ Arzneipflanze mit grossem Potenzial. Die Forschungen, die auch heute immer wieder neue Erkenntnisse bringen, sind noch nicht abgeschlossen. Darüber später mehr.
„Es ist nicht möglich, dass eine bessere Arznei für Wunden in allen Ländern gefunden wird“, schrieb Paracelsus Rühmliches über das Johanniskraut.
Die zur Familie der Hartheugewächse zählende Pflanze empfahl er auch bei „tollen Phantasien“ und bei Würmern. Paracelsus war jedoch nicht der erste, der von diesem Gewächs begeistert war. Schon die klassischen Ärzte Griechenlands und Roms kannten das Johanniskraut und verwendeten es als „Wundkraut“ bei inneren Eiterungen und Lungenkrankheiten. Die Heilkundigen des Mittelalters rühmten die Wirkung der Pflanze auf Geschwüre, Nieren, Herz und Leber.
Sebastian Kneipp empfahl das Johanniskrautöl gegen Leibschmerzen. Erst der Regensburger Arzt Weinmann zog die Pflanze im 18. Jahrhundert zur Nervenstärkung heran.
Rote Farbstoffe und Öldrüsen
Das Johanniskraut, eine der häufigsten und schönsten Heilpflanzen unserer heimischen Flora und in der Volksmedizin als „Wundkraut“ gepriesen, entfaltet eine antidepressive und antivirale Wirkung. Verantwortlich für diesen Effekt sind rote, lichtwirksame Hypericine. Der andere Wirkstoff ist das antibakterielle Hyperforin (ein Phloroglucinderivat). Dann finden wir in der Pflanze noch Xanthone und entzündungshemmende Flavonoide. Des Weiteren sind adstringierende Gerbstoffe vom Catechintyp und ein ätherisches Öl enthalten.
Die Hypericine werden in bestimmten Drüsen gespeichert. Sie sind in den Blüten-, Kelch- und Laubblättern als dunkelrote Punkte zu sehen. Bei den hellen Punkten, die auf den Blättern vorhanden sind, handelt es sich um Öldrüsen.
Inhaltsstoffe des Johanniskrauts sind auch an einem gesunden Schlaf-Wach-Rhythmus beteiligt. Wie Forschungen ergaben, fördern die Inhaltsstoffe die nächtliche Ausschüttung von Melatonin. Das aus Serotonin gebildete Hormon hat eine schlafanstossende Wirkung.
Die Wirkstoffe sind besonders in den Blütenknospen, den geöffneten Blüten und in den noch grünen Kapseln anzutreffen.
Auch bei Alzheimer und Krebs wirksam?
Zurzeit werden spezielle Johanniskraut-Extrakte bei Alzheimer getestet, aber auch für die Therapie bestimmter Krebsarten. Wie Forscher des eingangs erwähnten Studienkreises unter www.klostermedizin.de berichteten, wird zurzeit isoliertes Hypericin in der Krebstherapie erforscht. „Da Hypericin sich an krebsartige Zellen sammelt, wird es als Indikator und Photosensibilisator für Krebszellen eingesetzt. Bei der Bestrahlung mit einem bestimmten Lichtspektrum bildet der Photosensibilisator Sauerstoffradikale, welche die Krebszellen abtöten können. Zudem werden Verfahren untersucht, um mit Hypericin hochresistente Bakterien abzutöten.“
Frank Hiepe, Apotheker aus Zell im Wiesental, schrieb in einer E-Mail: „Johanniskraut wird auch gegen Aids erprobt. In vitro zeigte es bereits eine positive Wirkung.“
Vielfache Anwendungen
Innerliche Anwendung (Tee, Tropfen, Pflanzensaft, Dragees, Ampullen): Psychovegetative Störungen, depressive Verstimmungszustände, Angst, nervöse Unruhe, Schlafstörungen, Verdauungsbeschwerden (z. B. Magen-Darmschleimhaut-Entzündungen).
Hinweis: Bei depressiven Störungen wird eine höhere Dosierung empfohlen. Fertigarzneimittel eignen sich auch für die Umstellung von synthetischen Antidepressiva auf Johanniskrautpräparate. Vorteil: Johanniskrautauszüge machen nicht abhängig und nicht süchtig.
Äusserliche Anwendung (Johanniskrautöl; wegen seiner typischen Färbung auch „Rotöl“ bezeichnet): Nachbehandlung von Schnitt- und Schürfwunden, Prellungen, Zerrungen, Verstauchungen, Sonnenbrand, Insektenstichen, Muskelschmerzen (Myalgien), rheumatische Beschwerden (z. B. Arthritis), Neuralgien.
Wie sieht es mit Nebenwirkungen aus?
Es gab in jüngster Zeit einige kontroverse Diskussionen über diese Pflanze. Dazu der „Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde“: „Ende 1990 wurde festgestellt, dass Johanniskraut zu einem verstärktem Abbau anderer Arzneistoffe führt, in dem es das wichtigste Arzneimittel abbauende Enzym (CYP 3 A4) in seiner Wirkung verstärkt.“ 2003 wurden hochdosierte Johanniskraut-Präparate der Apothekenpflicht unterstellt. Niedrige dosierte Mittel, wie Tee oder Rotöl blieben davon ausgenommen.
In höherer Dosierung (Tagesdosis ab 600 mg) können Präparate mit Johanniskraut Wechselwirkungen mit einigen Arzneistoffen entstehen (Immunsupressiva, Herzmittel, Theophyllin). Auch die Wirksamkeit von hormonellen Verhütungsmitteln könnte beeinträchtigt werden. Auf jeden Fall sollten Patienten, die verschiedene Arzneimittel einnehmen, ihren Therapeuten nach Wechsel- und Nebenwirkungen befragen.
Wer jedoch hochdosierte Johanniskrautpräparate nicht mit anderen Arzneimitteln einnimmt, wird feststellen, dass die Verträglichkeit besser ist als bei den üblichen Antidepressiva.
Noch etwas anderes: Johanniskraut zeigt eine lichtsensibilisierende Wirkung. Dieser Effekt wurde bei Weidetieren beobachtet. Die beim Menschen eingesetzten therapeutischen Dosen wurden solche Effekte noch nicht gesehen. Es wurde aber empfindlichen Personen (Rotblonde, Blonde) geraten, nach Aufnahme von Johanniskraut eine starke Sonnenbestrahlung zu meiden. Es könnten sonnenbrandähnliche Hautreizungen entstehen.
Fazit
Das Johanniskraut, eine der schönsten Arzneipflanzen unserer Heimat, hat wegen seiner vielfältigen Wirkungen die Auszeichnung verdient. Es wird wahrscheinlich noch weiter von sich reden machen.
Inwieweit auch Aids, Alzheimer und Krebserkrankungen mit Extrakten bzw. isoliertem Hypericin behandelt werden können, wird die Zukunft zeigen.
Internet
Literatur
Scholz, Heinz; Hiepe, Frank: „Arnika und Frauenwohl“, 2. überarbeitete Auflage, Ipa-Verlag, Vaihingen 2013.
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