Textatelier
BLOG vom: 29.05.2015

Auf US-Befehl skandalisierte Fifa. Medien spuren unverzüglich

Autor: Walter Hess, Publizist (Textatelier.com), Biberstein AG/CH
 
 
Seit Jahr und Tag wird der Weltfussballverband Fifa (Fédération Internationale de Football Association) scharf und imageschädigend kritisiert und mit Korruption sowie mit Geldwäscherei in Zusammenhang gebracht. Daran hat man sich gewöhnt. Wer die diesbezüglichen Verhältnisse in den vom Westen geplünderten lateinamerikanischen und afrikanischen Ländern vom Hörensagen auch nur annäherungsweise kennt, wird annehmen, dass das stimme. Die Korruption als unvermeidliche Begleiterscheinung der globalisierten Welt hat es dort nur gerade zum Kavaliersdelikt gebracht, also zu einem geringfügigen, gesellschaftlich akzeptierten Gesetzesverstoss. Mindestens 75 % aller Länder haben Korruptionsprobleme. In den westlichen Gutmenschenstaaten hat man für Korruption andere Ausdrücke parat: Wahlkampfspenden, Sponsoring, überrissene Honorare, etwa für Vorträge (Beispiele: Bill Clinton oder Medienschaffende). Ein Musterbeispiel eines legalisierten Korruptionsfalls sind die US-Präsidentenwahlen. Wichtige Unternehmen wie Grossbanken müssen sich mit Schutzgeldzahlungen einigermassen absichern, im Zweifelsfall gleich beide aussichtsreichsten Kandidaten mit sechsstelligen Beträgen gnädig stimmen, komme, was da kommen wolle. Und am bitteren Ende werden sie gleichwohl ausgenommen.
 
Und wieder einmal sind es ausgerechnet diese USA, die den Fifa-Stall ausmisten wollen, die Verhaftungen von 7 Fifa-Funktionären befahlen. Wegen des Auslieferungsabkommens mit den USA setzten unsere Handlangerdienste gleich ein, wobei sie sich um eine noch ausgeweitete Gründlichkeit bemühten, um dem Auftraggeber zu gefallen. So wurde in Zürich gerade auch noch der Fifa-Hauptsitz auf dem Zürichberg durchsucht.
 
Da der Paukenschlag gegen die Fifa von Amerika ausging, wurde die Attacke von Europas Medienklüngel wie mit einem Megaphon (Sprachrohr) unkritisch und unreflektiert verbreitet, ununterbrochen, auf allen Kanälen. Der Medien-Mainstream, der im Übrigen mit seiner masslos überzogenen Fussball-Berichterstattung seine besten Geschäfte tätigt, stellte sich sofort auf die Seite des US-Justizdepartements, begrüsste den Krieg gegen die Fifa, ohne sich um die absolut durchschaubaren, billigen Hintergründe dieser Attacke zu kümmern. Mit einer unglaublichen Aggressivität, wie man sie manchmal auf Fussballplätzen sieht, gingen sie vor.
 
Das deutsche Boulevardblatt „Bild“ trompetete am 28.05.2015: „,Hau ab‘ - Rücktrittsforderung an Blatter“. Das Schweizer Pendant „Blick“ wollte nicht zurückstehen: „Es reicht, Herr Blatter!“ Sogar das deutsche „Handelsblatt“ meldete linientreu: „Wenn es einen Oscar für Unverfrorenheit gäbe, Blatter hätte ihn sich verdient.“ Ans Gemauschel bei Oscar-Verleihungen dachten wie Wirtschaftspublizisten wohl nicht.
 
Dann begannen vor allem westliche Staaten den Fall aufzubauschen, diese Guten reinen Gewissens, die nun ihren Sündenbock hatten und von den eigenen Schandtaten ablenken konnten. Beim Ausstreuen von Verleumdungen nahm Grossbritannien den Spitzenplatz in der A-Liga ein, vorab die BBC, deren ehemaliger Sportchef Brian Barwick zwischen 2004 und 2008 den mächtigen englischen Fussballverband FA präsidierte. Dort dürften noch alte Leichen im Keller sein, die den Wiederbelebungsversuchen stattgaben. Schon 2011 hatte England Fifa-Funktionären Korruptionsvorwürfe entgegengeschleudert – auch damals geschah dies kurz vor der Wiederwahl Blatters und der WM-Vergabe 2018 an Russland; England zog den Kürzeren und graulte. Jetzt wird verlangt, die Fifa zu reformieren. Doch der Inselstaat hätte in seinen Grenzen genügend aufzuräumen: Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD hat Grossbritannien 2010 wegen mangelnder Bekämpfung der Korruption verwarnt. Auch Frankreich, dessen Präsident François Hollande vorschlug, die Blatter-Wahl zu verschieben, würde sich gescheiter nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Nachdem der ehemalige Präsident Nicolas Sarkozy unter Korruptionsverdacht geriet, scheint das Land auch nicht über jeden Zweifel erhaben zu sein. Anders die asiatischen Länder und Russland, die zu Blatter und seiner Fifa stehen.
 
Allein die untertänigen westlichen Medien wissen nach der amerikanischen Vorgabe jetzt also, was von ihnen erwartet wird: auf die Fifa eindreschen, Vermutungen in Fakten emporstilisieren. Bei der aufgewiegelten breiten Bevölkerung kommt das wahrscheinlich gut an (Auflage- bzw. Quotensteigerung), nicht aber bei kundigen, kritisch denkenden Menschen.
 
Im Twitter machte sich der Imageberater Hanspeter Buehler aus Weiach ZH Luft: „Ich empfinde nur grenzenlose Abscheu vor der generellen Verteufelung der Fifa und seines erfolgreichen Präsidenten durch die Meute.“
 
Der 79-jährige Fifa-Präsident Sepp Blatter wurde noch nie wegen Korruption verurteilt, und es wäre unfair, ihm eine schmutzige Veste umzuhängen. Und so mildert man den Vorwand herab und verkündet nur noch, er habe die Korruption toleriert. Als Präsident sei er für den ganzen Fifa-Laden zuständig. Seit Jahren versucht er, mehr Ethik in den Fussballerverband zu bringen, ohne dass es gelingt, alle Geldflüsse unter Kontrolle zu halten. Blatter selber hat genügend Geld, befindet er sich doch auf Platz 1 der „People With Money“-Liste 2015 der 10 bestbezahlten Politiker. Sein Lohn aus verschiedenen Quellen wird auf 82 Mio. US-Dollar pro Jahr hochgerechnet. Der gemeinnützige Verein Fifa kann sich das leisten, denn hohe Milliardensummen für Übertragungsrechte, Sponsoring-Beiträge und die Platzierung von Werbebotschaften in den Stadien usf. fliessen munter herein.
 
Der Hauptgrund für die wachsende Bedeutung des Fussballs ist seine Telegenität. Keine andere Sportart lässt sich so bildschirmgerecht darstellen wie eben dieser Fussball mit seinen Helden und in seiner ganzen, auf Toreschiessen ausgerichteten Banalität, die durch Hooligans noch etwas belebt wird. Der Fifa-Vereinszweck erfüllt sich von selbst: „Die Mission der FIFA ist es, den Fussball überall und für alle zu entwickeln, die Welt mit ihren mitreissenden Turnieren zu begeistern und mit der Kraft des Fussballs eine bessere Zukunft zu gestalten.“
 
Am frühen Abend des 28.05.2015 hat der Fifa-Kongress in Zürich begonnen: die Vertreter von 209 Mitgliedverbänden waren anwesend. Die bessere Zukunft muss vorerst einmal durch schwierige Zeiten" (Blatter) erkauft werden, die noch andauern werden. Er will weiterhin gegen die Korruption ankämpfen und das Vertrauen in die Fifa wiederherstellen. Doch „wir können nicht jeden überwachen".
 
Somit können nicht einmal fromme Walliser (Blatter) in Frieden leben, wenn es den Bösen in den USA nicht gefällt. Sie gestalten ihre Politik flächendeckend nach der Chaos-Theorie, zertrümmern Staaten und die staatliche Ordnung, um die kaputten Länder dann plündern zu können. Und davon sind auch international tätige Organisationen und darunter auch Vereine betroffen.
 
Mit der Fifa hat die Zertrümmerer-Nation USA noch einige Rechnungen offen, die eben zu Abrechnungen führten. So flog die US-Kandidatur für die Fussballweltmeisterschaften 2022 aus dem Rennen. Stattdessen erhielt Katar  den Zuschlag und büsst bereits dafür. Und dann wäre da noch Russland, das die WM 2018 durchführen wird und nun im „Korruptionsskandal“ eine tragende Rolle zu spielen hat. Es darf doch keine Gelegenheit für eine positive Demonstration für Russland geben! Hier braucht es noch Gegensteuer... Und erschwerend kommt hinzu, dass Sepp Blatter gute, ja freundschaftliche Beziehungen zu Wladimir Putin hat. So etwas wird von Amerika nicht toleriert, sondern bestraft.
 
Vor lauter US-Unterwerfung stellen die hiesigen Medien diese Frage nicht: Sollen sich Staaten in private (Vereins-)Angelegenheiten mischen, die sie bestenfalls am Rande betreffen? Ein Ansatzpunkt ergibt sich allerdings im Steuerwesen. Die meisten Staaten könnten ja einmal daran gehen, Korruptionen auf eigenem Boden zu eliminieren (siehe dazu auch Schweiz/Kasachstan/Markwalder). Und wenn die Einmischung auf derart durchschaubare, perfide Weise wie in Zürich geschieht, müssten doch bei Leuten und vor allem bei Medienschaffenden alle Alarmglocken schrille Töne von sich geben. So wurden die Verhaftungsbefehle 2 Tage vor Beginn des Fifa-Kongresses erlassen, und in Zürich hatte man die Sportjournalisten gerade auf einem Haufen. Und wiederum spielten die US-Behörden ihr egoistisches Spiel aus dem Hinterhalt. Die Reporter der „New York Times“ wurden vor den Verhaftungen ins Bild gesetzt, so dass sie von den Vorgängen im Luxushotel „Baur au Lac“ live berichten konnten. Die übrigen eingebetteten Journalisten, die das Nachsehen hatten, wagen nicht, zu meckern.
 
Das Blatter-Bashing, diese öffentliche Beschimpfung, nahm ihren Fortgang. Der einzige Lichtblick hinsichtlich einer ausgewogenen Darstellung lieferte der Basler Strafrechtsprofessor und Experte für Korruption, Mark Pieth, Autor von „Die Fifa-Reform“, im SRF-Tagesgespräch vom 28.05.2015. Dieser Experte für die Medien und als Berater für Konzerne in heiklen Branchen oder von UNO, OECD oder Weltbank eingesetzte Vorsitzende von Untersuchungskommissionen kennt die Fifa gut. Bemerkenswert: Fifa-Präsident Joseph Blatter hatte Mark Pieth im Juni 2011 zur Fifa geholt, mit dem Auftrag, den Verband auf Korruption zu untersuchen und Reformen vorzuschlagen, und die 40 Vorschläge wurden grösstenteils übernommen. Es gab also durchaus einen Selbstregulierungswillen, und offenbar ist seither auch viel geschehen, institutionell sogar sehr viel, auch wenn nur wenige Massnahmen auf dem Boden der Wirklichkeit angekommen sind. Dazu nannte Pieth unter anderen folgenden Grund: Im lateinamerikanischen Fussball ist die Korruption das Lebenselixier. Und er zeigte sich erstaunt über die jüngsten Anschuldigungen an die Adresse von Fifa-Funktionären. Neu sei, dass dabei mit den US-Justizbehörden „ein neuer Player aufgetreten ist, der hart durchgreift und der ernst genommen wird“.
 
Ja, die USA fühlen sich immer und überall berechtigt, aufgrund eines banalen Anknüpfungspunkts (wie die Benützung eines US-Kontos) ihre Gesetze über die ganze Welt auszubreiten. Die territoriale Zuständigkeit wird laufend überschritten. Darin liegt der grössere Skandal. Doch davon wagt niemand zu sprechen.
 
Nachtrag
Sepp Blatter wurde am frühen Abend des 29.05.2015 wiedergewählt, verpasste die Wahl im 1. Wahlgang, wo die Zwei-Drittel-Mehrheit gilt (133 statt 140 Stimmen). Auf den  jordanischen Prinzen Ali bin al-Hussein entfielen 73 Stimmen. Der Herausforderer zog seine Kandidatur zurück, so dass kein 2. Wahlgang nötig war.
 
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