Textatelier
BLOG vom: 16.06.2015

Das Erlebnis mit den und dem Fliegen und das Deutsch

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, Viersen/Westdeutschland


Ein Zungenbrecher, der eigentlich keiner ist, denn die Aussprache macht kaum Probleme, fiel mir zum Thema ein:

Wenn Fliegen hinter Fliegen fliegen, fliegen Fliegen Fliegen nach.“

Das Problem für Deutschlernende ist eher die Rechtschreibung, es stellt sich bei jedem Wort die Frage, ob ein Verb oder ein Nomen gemeint ist.

Bei manchen ist die richtige Schreibweise einfach Glücksache. So wie das Reisen mit dem Flugzeug auch.

Genau genommen ist der Satz: „Ich fliege heute nach Berlin!“ unkorrekt, denn Menschen können nicht, wie es Vögel, Fledermäuse und viele Insekten in der Lage sind, fliegen. Es erfordert einen erheblichen technischen Aufwand, um die Schwerkraft zu überwinden. Der Mensch hat gelernt, diese Techniken anzuwenden.

Im Massenzeitalter können es sich immer mehr Menschen finanziell leisten, diese Technik zu bezahlen, und so buchen sie im Reisebüro oder im Internet kurze oder längere Reisen mit dem Flugzeug.

Die Flughafengebäude sind nicht immer dem Ansturm gewachsen. Ich hatte einen Auftrag bekommen, in Berlin ein Referat zu halten und habe mich nach einiger Überlegung entschieden, nicht in Berlin zu übernachten, sondern alles in einem Tag abzuwickeln.

Das Unternehmen, für das ich das Referat halten würde, buchte mir einen Tagesflug. Der Abflug würde um 6:30 Uhr stattfinden, der Rückflug um 19:10 Uhr. Bei innerdeutschen Verbindungen, so meine Erfahrung aus vielen Tagesreisen vorher, sollte es völlig ausreichen, wenn man eine knappe Stunde vorher am Flughafen ist.

An diesem Samstag war aber alles anders. Es gab keine Ferien, kein verlängertes Wochenende, nichts, was darauf hinweisen würde, dass um diese „nachtschlafende Zeit“ besonders viele Fluggäste im Flughafengebäude sein könnten. Als ich dort ankam, erwarteten mich Massen von Menschen. Ich hörte die Zielorte Mallorca heraus, aber auch Malaga und andere. Der Flughafenangestellte verwies mich auf die lange Reihe von Wartenden, die in der Schlange standen, um zu den Check-in-Schaltern zu kommen, wie man neudeutsch die Abfertigungsmodalitäten heutzutage nennt. Ich hatte noch etwa eine dreiviertel Stunde bis zum Start Zeit. Der nette Herr am Schalter überraschte mich mit der Auskunft, er könne mir keinen Sitzplatz geben, denn es gäbe keinen freien mehr, der Flug sei überbucht. Aber die Change, um doch noch mitreisen zu können, sei sehr gross, aber vorerst stelle er mich „standby“. Auch das ist wieder ein hübsches englisches Wort, das in die deutsche Sprache Eingang gefunden hat. Mir ist der Begriff vor allem bei Geräten in der Wohnung bekannt, die immer auf Abruf geschaltet sind, damit das Gerät direkt seinen Dienst tut, ohne dass die verschiedenen Funktionen wieder neu aufgerufen werden müssen. Es wurde hinsichtlich der Mehrausgaben bei den Elektrizitätskosten immer mal wieder in den Medien erwähnt, dass diese Funktion oft nicht erforderlich sei. Wie dem auch sei, mein Anliegen, im Flugzeug einen Platz zu erhalten, wurde „auf Abruf“ gestellt.

Bei der Sicherheitsschleuse ging es relativ schnell, es war zu merken, dass die meisten Reisenden die Prozedur nicht zum ersten Mal absolvierten. Die Sitzplätze vor dem Einstiegsportal ins Flugzeug waren alle belegt, ich musste warten, bis die Angestellten der Fluggesellschaft ihre Computer „hochgefahren“ hatten, wieder so eine hübsches neudeutsches Wort, allerdings mit dem überraschenden Ergebnis, dass es kein Anglizismus ist, sondern eine Wortschöpfung, die mir ursprünglich durch das Kirchenfest „Christi Himmelfahrt“ bekannt war. Immer wieder verliess eine der beiden Damen ihren Sitzplatz und schaute auf den Bildschirm, pardon: auf den Monitor, der trotz des „Hochfahrens“ immer noch schwarz blieb. Sie blieb aber vollkommen ruhig und hob nicht ab.

Ich wies die Damen darauf hin, dass meine Bordkarte „standby“ gestellt sei, aber beide forderten mich rigoros auf, noch Geduld zu üben.

Nach 10 Minuten wurde ich aufgerufen und erhielt die Bordkarte eines mir völlig fremden Passagiers im Austausch zu der, die ich vorher bekommen hatte und die die Dame resolut durchriss und wegwarf.

Ich hatte also einen Platz! Einige Minuten später kam die Dame, die mir einen fremden Namen „verpasst“ hatte, zu meinen Platz, wollte meine Bordkarte sehen und erklärte mir, dass der Herr, dessen Name auf der Karte stand, doch noch erschienen sei. Er wurde aber wohl auf einen anderen Platz gesetzt, denn ich wurde nicht aufgefordert, den Platz zu räumen. Überraschenderweise blieb der Platz neben mir ebenso frei, wie auch auf der andere Seite vor mir weitere 2 Plätze. Eine Erklärung dafür gab es nicht.

Direkt nach dem Start des 65 Minuten dauernden Flug gab es eine Durchsage, dass diejenigen Passagiere, die ein „smartticket“ gebucht hatten, eine kleine Flasche Wasser und einen Imbiss erhalten würden, sie konnten sogar zwischen Käse- und Wurstbeilage wählen. Ich bekam nichts. Auch nach meinem Hinweis, dass ich doch nicht der Herr sei, der auf der „Eintrittskarte“ namentlich benannt war, sondern die Person, die den Flug über ein Unternehmen hatte buchen lassen, führte zu dem Ergebnis, dass ich für die Viertelliterflasche Wasser 3 Euro zu entrichten hatte.

Der Flug war erstaunlich ruhig, mit schöner Aussicht auf die deutschen Landschaften zwischen den Flüssen Rhein und Spree. (Als Deutschdozent verfiel ich wieder ins Grübeln, warum der eine Fluss männlich sein soll und der andere weiblich!)

Die Rückreise schien problemlos zu werden, aber diese Erwartung machte die Wetterlage zunichte, die anfängliche Verspätung belief sich auf eine halbe Stunde. Die Flugbegleiterin erzählte mir später im Flugzeug, dass die Verzögerung wetterbedingt bereits während des Tages beim Flug nach Frankreich entstanden sei. Dabei war der Himmel zwar jetzt in Berlin stark bewölkt, aber es gab weder Regen noch Gewitter. 

Eine halbe Stunde später durften wir einsteigen. Allerdings bekam der Flugkapitän keine Starterlaubnis. Eine weitere halbe Stunde verging und dann begann endlich die Reise zurück. Durch das Fenster des Flugzeugs konnte man sehen, dass nicht nur wir die Starterlaubnis bekamen, sondern eine Reihe anderer vor und hinter uns.

Den oben erwähnten Zungenbrecher musste ich variieren:

Wenn Flugzeuge hinter Flugzeugen fliegen,….“ Muss das nicht „hinterher fliegen“ heissen?

Wie vom Hinflug bekannt, musste ich mein Getränk wieder bar bezahlen. Aber bald war ich wieder zu Hause!

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