Ein Textkomponist ist verstummt
Walter Hess, früherer Redaktor beim «Aargauer Tagblatt» und späterer Chefredaktor von «Natürlich», dem damaligen Flaggschiff des AT-Fachzeitschriftenverlages, ist zwei Wochen nach seinem 78. Geburtstag und einem kurzen Spitalaufenthalt gestorben. Noch vor drei Wochen veröffentlichte er einen letzten Text in einem Blog aus seinem Schreibatelier Hess von Biberstein, das er seit der Pensionierung betrieb. Er war ein leidenschaftlicher Schreiber. Trotz der enormen Vielzahl und Vielfalt seiner Texte blieb er aber ein publizistischer Handwerker, der sich in kein eingemittetes Normdenken einfügte, sich aber bis ins Detail um Genauigkeit und Glaubwürdigkeit bemühte. Er war aus ganzem Herzen Individualist, Stilist, Generalist – und Journalist.
Nach einer Ausbildung als Laborant fand er den Weg in den Journalismus. 1963 trat er in das damals siebenköpfige Redaktionsteam des «Aargauer Tagblattes» ein und betreute hauptsächlich aargauische Belange. Unter anderem besorgte er jahrelang die Berichterstattung aus dem Grossen Rat in Form eines Verhandlungsprotokolls, das er prima vista, «pfannenfertig» während des Sitzungsverlaufs verfasste. Als einer der ersten Journalisten im Kanton widmete er sich dem Umweltschutz. Ohne auf politische Rechts-Links-Grün-Schemen zu achten und es allen recht machen zu wollen, engagierte er sich für Pflanzen, Tiere und Lebensräume.
Es war ein Kampf an verschiedenen Fronten mit unzähligen Exempeln, vom erfolgreichen Einsatz für die Sanierung der Sondermülldeponie Kölliken und der Schadensabgeltung von Schwermetallemissionen der Kehrichtverbrennungsanlage Buchs bis zum vergeblichen Kampf gegen die Eindolung eines Bächleins bei der Güterregulierung im oberen Freiamt. «Mehr Grün statt Beton», lautete seine Devise. Als dann sein eigener Garten bei der Ortskernumfahrung von Biberstein mit einer hohen Betonmauer abgestützt werden musste, nahm ihn das Redaktionskollegium natürlich auf die Schippe. Walter Hess ertrug es mit heiterer Gelassenheit. Er war im Übrigen nicht technikfeindlich und befürwortete zum Beispiel die Kernenergie in ihren Anfängen.
Seine Interessengebiete waren unglaublich weit gespannt. Wenn er sich etwas Neuem zuwandte, tat er es hundertachtzigprozentig. So überraschte er uns eines Tages als Tanzfan und danach als Liebhaber und Förderer einheimischer Weine. Aber nichts liebte er mehr, als Buchstaben zu Wörtern und Wörter zu Texten zu verweben. Daraus sind viele profilierte und unkonventionelle Beiträge entstanden. Sein Kürzel «wh» war ein journalistisches Markenzeichen.
(Quelle: Aargauer Zeitung, Freitag, 10. Juli 2015, Seite 29)
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