Textatelier
BLOG vom: 04.08.2015

Die Frohnatur

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London

Im Gegensatz zu mir ist Lily (meine Frau) eine ausgeprägte Frohnatur. Das erwies sich wieder beim gestrigen Sonnentag zur Mittagszeit im Patio. Tango Musik drang durch die offene Türe zu uns. Das riss sie mit: Sie tänzelte vor mir. Ihr Gesicht strahlte. Und ich musste schmunzeln. Lily trällert beim Putzen und Waschen, auch wenn sie treppauf und treppab geht.

Gestern war eine Party in einem benachbarten Garten mit viel Musik und Gelächter im Gang, die bis weit nach Mitternacht andauerte. Das beschwor ihre Erinnerungen aus der Kinderzeit herauf. Ihre Familie und Freunde entflohen der Gluthitze in Teheran. In Shemiran, oberhalb der Stadt, war es angenehm kühl. Westliche Tanzmusik erklang. Die Kinder tanzten und trieben Schalk. Der von Persern besonders geschätzte Vollmond gewann Leuchtkraft. Die Kinder durften länger aufbleiben.

Am Sonntag war die High Street in Wimbledon Village gesperrt. Eine Endloskette von Radfahrern fuhr an mir auf ihren tollen Rennvelos Richtung Buckingham Palace vorbei. Die Zuschauer zollten ihnen Beifall. Auch die Nachzügler, vorwiegend ältere Jahrgänge, wurden vom Applaus angefeuert. Während einer guten Stunde genoss ich das Spektakel. Ich stand abseits neben meinem alten Velo, denn ich wollte die Sonntagszeitung auf der Gegenseite der gesperrten Strasse kaufen. Wer kauft schon an einem solchen Tag eine Zeitung! Wohlgemut radelte ich auf der Seitenstrasse nach Hause zurück, von keinem Auto behindert. So einen lärmfreien Tag möchte ich jeden Tag geniessen. Aber man muss sich in die Wirklichkeit schicken, wie sie ist.

 

 


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