Textatelier
BLOG vom: 17.03.2005

Ideen aus dem „Ideen-Gewimmel“ von Jean Paul

 

"Schnee, der sich leicht ballen lässt, schmilzt bald."

Jean Paul

Autor: Walter Hess

„Man sieht das Unbedeutende des Lebens, wenigstens seines Gebrauches, nie stärker als in Tagebüchern: in der Wirklichkeit entwischte es uns, weil wir von der Wichtigkeit der Nähe geblendet werden und weil wir unsere grossen Zwecke für grosse Thaten halten“, las ich an diesem Vorfrühlingsabend im dtv-Taschenbuch (12 828) „Ideen-Gewimmel – Texte und Aufzeichnungen aus dem Nachlass“ des deutschen Dichters Jean Paul (1763−1823). Er hatte eine grosse Lust am Aufschreiben, Kritzeln, Notieren und würde zweifelsohne ein Weblog eingerichtet haben, hätte es damals so etwas wie ein Internet gegeben. Dort hätte er seine „Bemerkungen über uns närrische Menschen“, seine „Merkblätter“ und „Erfindungsbücher“ zum Besten geben können.

Was hielt Jean Paul von den Menschen? Etwa dies: Sie können sich nur von der Enthaltsamkeit enthalten. Und sie sind in der Lage, in einem einzigen Jahr 10 Jahre älter zu werden. Aber dort, im Alter, werden sie reich belohnt: „Am Buche des Lebens sind wie in medizinischen Büchern die Rezepte hinten dran.“

Nur wenige haben einen Ort, „wohin sie ihren Hut aufsetzen“. Deshalb gefiel es ihm daheim so gut: „Zu Hause sein. Wie sich der ganze Wirrwarr der Gefühle verlieret und ordnet, wenn man aus dem Fremden heimkehrt in seine 4 Wände! Nur zu Hause ist der Mensch ganz.“ Und er kannte die Vorzüge der Einsamkeit: „Die Einsamkeit ist so nöthig, dass man neben einem anderen gar nicht frei denken kann, weil man sein Denken mit sich denkt.“

„Man muss andern Dinge vergeben, die man sich nicht vergibt.“ Ja, so ganz begeistert war er jedenfalls von seinen damaligen Mitmenschen und seinem Umfeld tatsächlich nicht. Und sogar von der damaligen Medizin schien er nicht besonders angetan gewesen zu sein: „Die meisten medizinischen Rezepte sind Punschrezepte, das heisst aus keinen Sätzen zusammengesetzt als aus dem des Widerspruchs.“ Jean Paul müsste sich einmal die heutigen synthetisierten Medikamente ansehen und würde dann wohl eine dramatischere Formulierung wählen. Er würde aber zweifelsohne nicht zur heute üblichen anglisierten Hohlsprache Zuflucht nehmen: „Nichtssagende leere Wörter sind die schönsten Idiotismen der Höflichkeitssprache.“

Soweit einige wenige Teile, die noch lange kein Jean-Paul-Ganzes ausmachen, wie es auch im Nachwort zum erwähnten Büchlein heisst. Aber vielleicht können sich unsere Leser von diesen Lichtblitzen ein bisschen zum Nachdenken inspirieren lassen. Und wenn das Resultat auch nur daraus bestünde, eigene Gedanken irgendwo festzukritzeln und somit der Nachwelt zu erhalten, wäre schon etwas gewonnen.

Vielleicht kommt in Zukunft irgendeinmal einer daher, der daraus ein Blog konstruiert.

 

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