Das Märchen vom gesunden Alkohol
Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
„Alkohol macht schön, Fast Food hässlich“ oder „Längeres Leben durch massvolles Trinken von Alkohol“ waren in der Vergangenheit besonders schlagzeilenträchtige Meldungen, worauf die Alkoholkonsumenten abfuhren. Ihre eigene Meinung wurde bestätigt. „Ein Gläschen in Ehren kann niemand verwehren“ war und ist ihr Leitspruch, der sich in die Gehirne der Konsumenten eingebrannt hat. Oft wird auch auf Weintrinker verwiesen, die sehr alt wurden.
In meinem Blog vom 08.09.2008 „Neue Studien (1): Alkohol macht schön, Fast Food hässlich“ beleuchtete ich eine Studie der „University of Bristol“. In dieser Studie mussten 84 Teilnehmer Mixgetränke mit Limonadengeschmack trinken. Die Getränke waren entweder alkoholfrei oder sie enthielten Alkohol. 15 Minuten nach der Konsumierung mussten die Probanden die Attraktivität von Personen auf Fotos beurteilen.
Ergebnis: Die leicht alkoholisierten Teilnehmer beurteilten die auf den Fotos abgebildeten Personen durchweg attraktiver als die reinen Safttrinker. Noch eine Überraschung: Männer beurteilten Männer und Frauen ihre Geschlechtsgenossinnen ebenfalls als attraktiver.
Die Studie besagte nicht aus, wie sich ein längerer und übermässiger Alkoholkonsum auf die Schönheit auswirkt. Darüber berichte ich später.
Auch die lebensverlängernde Wirkung von Alkohol ist nicht genügend aussagekräftig.
Im Newsletter von NetDoktor (www.netdoktor.de) wurde unter „Die Wahrheit über Alkohol“ am 28.03.2016 darauf hingewiesen, dass solche Meldungen mit Vorsicht zu geniessen sind.
Christiane Fux: „Es scheint paradox. Alkohol ist Gift für den Körper. Dennoch scheinen zahlreiche Studien zu belegen, dass zumindest ein moderater Konsum das Leben verlängern könnte. Ein kritischer Blick auf die Zahlen lässt allerdings kaum etwas übrig von der vermeintlichen gesundheitsfördernder Wirkung von Bier, Wein & Co.“
Tim Stockwell, Psychologe und Suchtexperte von der „University of Victoria“ untersuchte 87 Studien mit seinen Kollegen näher. Die Mediziner waren der Meinung, entscheidend sei mit welchen Abstinenzlern die Alkoholkonsumenten verglichen werden. So wurde in den Studien nicht ermittelt, warum die Abstinenzler keinen Alkohol tranken. Waren sie krank? Starben sie früher? War dies der Fall, dann kam eine lebensverlängernde Wirkung bei den moderaten Alkoholkonsumenten heraus. Bei der Untersuchung von Stockwell wurde noch dies ermittelt: Am längsten lebten die moderaten Alkoholkonsumenten, die gelegentlich Alkohol tranken (weniger als einmal pro Woche). „Das ist aber eine Alkoholdosis, die biologisch keine Rolle spielt“, sagte Stockwell. Es müssen also noch andere Faktoren, wie ein gesunder Lebensstil und eine gesunde Ernährung, eine Rolle für ein langes Leben spielen.
Das vorliegende Beispiel sagt aus, wie Studien zustande kommen und interpretiert werden. Je nach Auftraggeber können Studien manipuliert und geschönt werden.
Alkohol – die Wirkungen
Übermässiger Alkoholgenuss wirkt toxisch auf Leber, Herz, Hirn, Magen-Darm-Trakt, periphere Nerven, Pankreas, Immunsystem und endokrine Organe.
Betrachten wir einmal die akuten und chronischen Folgen eines Alkoholkonsums näher.
Akute Folgen: Genannt seien Auswirkungen auf die Konzentrationsfähigkeit, Wahrnehmung und Urteilskraft. Bei einem erhöhten Blutalkoholgehalt steigt die Unfallgefahr, Risiken und Hindernisse werden unterschätzt oder zu spät erkannt. Alkohol macht keinesfalls friedlich, etliche werden aggressiv.
Eine ganz aktuelle Geschichte, die in der Tagespresse am 29.03.2016 publiziert wurde, zeigt auf, wie eine Verwirrung und Halluzinationen nach übermässigem Alkoholgenuss entstehen können.
Eine 44-Jährige meldete in Lahnstein bei Koblenz einen ihr unbekannten Mann im Hotelbett per Notruf bei der Polizei. Wie sich herausstellte, entpuppte sich der angeblich Unbekannte als ihr Ehemann. Beide seien betrunken gewesen, erzählte die Frau. Das Paar berichtete auch, dass im Hotel Menschen mit Affenmasken herumliefen. Das war natürlich nicht so. Weit und breit waren keine Menschen mit Affenmasken zu sehen.
Chronische Folgen: Bei einem regelmässig erhöhten Alkoholkonsum muss es die Leber büssen. Sie antwortet dann mit einer Leberentzündung, Leberzirrhose und Fettleber. Aber auch die Bauchspeicheldrüse wird verändert, ebenso der Herzmuskel (Erweiterung) und die Muskulatur (Muskelatrophie). Das Nervensystem wird geschädigt.
Das Krebsrisiko für Mund, Rachen, Speiseröhre steigt. Bei Frauen kommt ein erhöhtes Risiko für Brustkrebs dazu. Auch besteht ein höheres Risiko für weissen Hautkrebs (vermutlich durch erhöhte Lichtempfindlichkeit oder ein geschwächtes Immunsystem).
Alkohol ist auch für psychische Störungen wie Stimmungsschwankungen, Angstzustände, Depressionen verantwortlich. Alkohol beeinflusst auch die Sexualität.
Alkohol macht auf Dauer abhängig. Es gibt nicht wenige, die unter einer Alkoholsucht oder Alkoholismus leiden.
Hautzeichen bei fortgeschrittenem Stadium der Alkoholkrankheit: In meinem Blog vom 19.12.2011 „Was die Haut verrät: Seelenspiegel, Krankheiten, Missbrauch“ wies ich ganz kurz auf die Wirkung des Alkohols auf die Haut hin.
Hautzeichen: Vermehrte Bildung von Falten, Cellulite, Pusteln und Papeln, Rötung der Handinnenflächen (Palmarerythem), spinnennetz- und korkenzieherartige Gefässzeichnungen im Brustbereich, Gesichtshaut ist rötlich. Bei der Ausbildung einer Rosacea (Kupferfinne) kann Alkohol eine Rolle spielen. Eine Knollen- oder Schnapsnase bildet sich vorwiegend bei Männern. Diese ist irreversibel.
Da Alkohol auch das Immunsystem schwächt, kommt es vermehrt zu Hautkrankheiten wie Herpes, Warzen. Bei Akne, Schuppenflechte und Rosacea ist die Heilung verzögert.
Bei Vorliegen einer Leberzirrhose: unerträglicher Juckreiz, Gelbfärbung der Haut (später: Braunfärbung).
Beobachtet wird auch eine Weissverfärbung der Nägel bei alkoholischer Hepatopathie.
Vitamin- und Mineralstoffmangel: Einen wichtigen Punkt muss man beachten. Alkohol vermindert die Resorption und erhöht die Ausscheidung bestimmter Vitamine und Mineralstoffe.
Nicht umsonst wurde der Alkohol von einigen Autoren als „Vitamin-Killer“ bezeichnet. Vor allem sind es die Vitamine A, C, B1, B2, Folsäure, Biotin, Niacin und die Pantothensäure, die der Alkoholkonsument zusätzlich braucht.
Übermässiger Alkoholkonsum bedingt eine vermehrte Magnesiumausscheidung über den Urin.
Bier- oder Weinallergie
Eine frühere Kollegin bei Ciba-Geigy achtete akribisch darauf, dass sie keinen Wein zu sich nimmt. Schon kleinste Mengen verursachten bei ihr allergische Erscheinungen. Eines Tages war sie gerade dabei, das Kantinenessen sich einzuverleiben, da bekam sie eine allergische flushartige Reaktion des Gesichtes und des Halses. Ihre Nase begann zu laufen. Nachforschungen ergaben, dass der Koch an diesem Tag Wein für die Sosse verwendet hatte. Bei der Frau lag wohl ein genetisch bedingter gestörter Abbau des Alkohols und/oder des Histamins vor.
Oft ist das Histamin der Übeltäter, oder es kommen noch andere Bestandteile des Weins und auch des Biers in Frage.
Alkohol – welche Dosis?
Um es vorweg zu sagen: Mit geringen Alkoholmengen kann der Körper fertig werden. Wieviel können wir gefahrlos konsumieren?
Experten haben den sogenannten risikoarmen Alkoholkonsum (risikoarme Schwellendosis) für Mann und Frau definiert.
- Frauen sollten pro Tag max. 12 g reinen Alkohol trinken.
- Männer sollten pro Tag max. 24 g reinen Alkohol trinken.
- Mindestens 2 Tage pro Woche alkoholfrei!
Hinweis: Eine ähnliche Menge wird auch von den Gesellschaften für Ernährung empfohlen (20 g für den Mann, 10 g für die Frau, aber nicht täglich!).
Die Umrechnung erfolgt so:
Menge (Getränk) in ml x (Vol.-% / 100) x 0,8 = Gramm reiner Alkohol
Beispiel: Bier mit 5 Vol.-% Alkohol, 1 Flasche = 500 ml, 0,8 = spez. Gewicht von Alkohol.
500 x (5/100) x 0,8 = 20 (g reiner Ethylalkohol)
Alkoholgehalt von Bier und Wein
Wein (ca. 10 % Vol.-%) 1 Glas = 125 ml = 10 g reiner Alkohol
Bier (ca. 5 % Vol.-%) 1 Flasche = 500 ml = 20 g reiner Alkohol
Alkoholfreies Bier (max. 0,5 Vol.-%) 1 Flasche = 500 ml = 2 g reiner Alkohol
Anmerkung: Nach unseren Wanderungen trinken wir immer alkoholfreies Bier. Das ist auch für Pkw-Fahrer wichtig.
Internet
www.netdoktor.de
Literatur
Dobmeier, Julia: „Alkoholismus – Symptome“, Newsletter, NetDoktor.
Feichter, Martina; Buschek, Nina: „Alkohol – die Wirkungen“ und „Alkohol – welche Dosis?“, Newsletter, NetDoktor.
Fux, Christiane: „Das Märchen vom gesunden Alkohol“, Newsletter, NetDoktor.
Scholz, Heinz: „Vitamine – Ihre grosse Bedeutung für den menschlichen Organismus“, Kneipp-Verlag GmbH, Bad Wörishofen 1988.
Scholz, Heinz: „Mineralstoffe und Spurenelemente“, Trias Verlag, Stuttgart 1996.
Gesellschaften für Ernährung (DGE, ÖGE, SGE, SVE): „Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr“, Umschau/Braus Verlag, Frankfurt a. Main 2000.
Hinweis auf weitere Blogs über Alkohol
19.12.2011: Was die Haut verrät: Seelenspiegel, Krankheiten, Missbrauch
08.09.2008: Neue Studien (1): Alkohol macht schön, Fast Food hässlich
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