Textatelier
BLOG vom: 25.08.2016

Vom Schwarzwald, J.P.Hebel, der Wiese und dem Rhein

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, Viersen/Deutschland

 

Der 2015 verstorbene Gründer des textatelier.com, Walter Hess, schrieb im Jahre 2007 einen Blog über das Örtchen Ötlingen, das jetzt zur Gemeinde Weil am Rhein gehört und im Markgräflerland liegt. Er besuchte vorher unseren Mitblogger und Mitgestalter der Website seit der ersten Stunde, Heinz Scholz in Schopfheim, den er als "hervorragenden Kenner dieser Landschaft" bezeichnet. Wenn man seine zahlreichen Blogs, besonders über die vielen Wanderungen in und um den Schwarzwald, liest, kann man die Aussage nur bestätigen.

Die Leser/-innen mögen sich fragen, wie und warum ich jetzt gerade darauf komme.
Beim Durchblättern des wunderschönen Buches "Deutsche Literaturgeschichte" von Robert Koenig, dessen 9. Auflage aus dem Jahre 1881 (immerhin 135 Jahre alt!) ich stolz mein eigen nenne, stiess ich auf eine Biographie des Volksdichters Johann Peter Hebel (1760 - 1826) und die Beschreibung seiner "Alemannischen Gedichte", die 1803 in Karlsruhe erschienen.

 


Johann Peter Hebel (1760 - 1826)
 

Und just Walter Hess schreibt über den Dichter (und über Heinz Scholz):
"Der deutsche Heimatdichter Johann Peter Hebel (1760–1826) war der Stadt Basel, wo seine Eltern arbeiteten und wo er geboren wurde) und dem Wiesental (er lebte seit der 2. Hälfte der Kindheit in Hausen) zugetan und machte selbstverständlich auch mindestens einmal Ötlingen einen Besuch. Auf der Terrasse des „Ochsen“ neben der abfallenden Dorfstrasse mit Traumsicht auf Weil am Rhein und Basel machte uns Heinz auf einen runden Steintisch mit einer teilweise erneuerten Tischplatte aufmerksam, an dem Hebel gesessen haben soll – und wir taten es ihm gleich. Und wenn ich meine Tabakpfeife mitgenommen hätte, wäre sie hier, in dieser beschaulichen Stimmung, zum Einsatz gekommen, eingedenk des einleitenden Kapitels „Im Frühling“ von Hebels-Gedicht
'Der allezeit vergnügte Tabakraucher':
''s Bäumli blüeiht, un's Brünnli springt.
Potz tausig, loos, wie's Vögeli singt!
Me het sy Freud un frohe Muet,
un's Pfiifli, nai, wie schmeckt's so guet!'

Gewisse Geistesverwandtschaften zwischen Hebel und Scholz sind unverkennbar: Auch Heinz Scholz pflegt und verbreitet den Inhalt seines Schatzkästleins in Form von köstlichen Anekdoten."

Im Buch werden die "Alemannischen Gedichte" und die Gegend so beschrieben:
"Es waren Lieder in der naiv-schalkhaften, vokalreichen Mundart des Landstriches, in welchem Hebel seine Kindheit verlebt hatte, einer Mundart, die nach seiner eigenen Untersuchung 'in dem Winkel des Rheines zwischen dem Frickenthal und ehemaligen Sundgäu und weiterhin in mancherlei Abwandlungen bis an die Vogesen und Alpen und über den Schwarzwald hin in einem grossen Theile von Schwaben herrscht'. Der von ihm gewählte 'Ton' dieser Mundart ist der des altvertrauten Wiesenthales, mit Baslerisch vermischt. In diesen Gedichten spiegelte sich das Leben, die Denkart und Gesittung seiner Heimat und ihrer Bewohner auf das allertreueste ab, und zugleich lag über denselben ein warmer Hauch von Poesie und tiefer Gemüthsinnigkeit."

Ich selbst habe in der südbadischen Schwarzwald- und Universitätsstadt Freiburg im Breisgau studiert, etwas mehr als 2 Jahre meines Lebens verbracht und erinnere mich gern an die Landschaft und das Wiesental, in dem Onkel und Tante, ansässig just in Freiburg, ein Ferienhäuschen ihr Eigen nannten.

J.P. Hebel beschreibt den kleinen Fluss Wiese, der auf dem Feldberg, dem höchsten Berg des Schwarzwaldes, entspringt, so:

"als ein immer forschreitendes und wachsendes Mädchen, das, nachdem es eine sehr bedeutende Berggegend durchlaufen hat, endlich in die Ebene kommt und sich zuletzt mit dem Rhein vermählt."

Aber bevor die Wiese das tut, muss sie durch Schopfheim in dem Heinz Scholz lebt!

Wir verbleiben aber noch einem Moment im Schwarzwald, denn in meiner Literaturgeschichte ist zum 100jährigen Geburtstag von J.P.Hebel ein Gruss von Josef Viktor von Scheffel (1826- 1886) abgedruckt, in dem der Dichterkollege seiner "in dess eigenster Sprache" gedenkt:

"Se lange im Feldberggrund ne Tanne wurzlet,
und d'Wiese strömt und d'Wehre und de Rhi,
se lang no Maidli flink und dundersnett
und Buebe Obeds um de Liechtspohn sitze,
wenns Marei feit: verzehlis näumis, Aetti,
se lang weiss me von Dir und wird me wüsse!
S'isch kein meh cho, der g'sunge jet wie du
so frisch vom Herzen und so heimet-treu."

Auch wenn die Leser, denen der Dialekt unbekannt ist, einige Wörter nicht verstehen, so ist doch die Hochachtung und Anerkennung herauszulesen, die J.P.Hebel gewidmet ist! Und hat er nicht Recht, der Volksdichter ist immer noch bekannt und wird auch noch gelesen, ganz bestimmt im Breisgau!
(Auch wenn modernere Anthologien deutscher Gedichte, wie „der Conrady“, ihn ignorieren! )

Da fehlt doch nur noch ein weiteres Originalgedicht von ihm! Ganz passend erscheint mir die Begeisterung, die aus seinen Versen zum "Vater Rhein" herauszuhören ist:

"Jo er ischs, er ischs, i hörs am freudige Brunsche!
Jo er ischs, er ischs, mit sine blauen Auge,
mit de Schwizerhose und mit de sammete Chreze,
mit de christalene Chnöpfen am perlefarbige Brusttuch,
mit de breite Brust und mit de chräftige Stotze (Beine)
's Gotthards grosse Bueb, doch wie ne Rothsherr vo Basel
stolz in sine Schritten und schön in sine Gibehrde."

Der Rhein vermählt sich auf seinem langen Weg bis in die Niederlande und in die Nordsee mit vielen Nebenflüssen. Um ihn herum ranken manche Sagen und Geschichten, und mir als "Niederrheiner" fällt das altbekannte Lied, das kurz nach dem Eintritt ins 20. Jahrhundert entstanden ist, ein, und das wir schon oft und gern gesungen:
"Warum ist es am Rhein so schön...?"
Ja, warum nur? Das lässt sich sehr gut erlesen, in den Blogs von Heinz Scholz, und noch mehr durch einen Besuch selbst! Die Landschaften, die er durchfliesst, der Fluss, seine Ufer und die Anwohner werden gern die Antwort auf die Frage geben!

Quellen
13.03.2007 Ötlingen D: Vom Landleben der Inkas und der Markgräfler [Walter Hess]

Zahlreiche Blogs von Heinz Scholz, z.B. zuletzt über den Feldberg:
15.07.2016 Flora auf dem Feldberg: Ährige Rapunzel, Enzian, Alpenhelm

Koenig, Robert, Deutsche Literaturgeschichte, Verlag von Velhagen und Klasing, Bielefeld und Leipzig, 9. Auflage 1881, S. 614f.

 


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