„Frauenbefreierin“ der anderen Art
Autor: Pirmin Meier, Historiker und Schriftsteller, Beromünster LU/CH
Phyllis Schlafly, geboren am 15. August 1924 in Missouri (USA), verstorben am 5. September 2016 ebendort, war eine Frauenbefreierin der anderen Art. Ihre eigenwillige Art, einem speziellen Mutterwitz zugeneigt, passt zur jüdischen Tradition, die weltanschaulich unberechenbar bleibt und jederzeit zu politischer Unkorrektheit fähig ist.
Politikwissenschaftlerin Phyllis Schlafly war wohl die bedeutendste amerikanische Antifeministin. Bekannt ist fast nur die feministische Frauenbefreiung, als deren Klassikerin Simone de Beauvoir gilt. Ihrem Lebenspartner Jean-Paul Sartre gegenüber nannte sie sich auch schon mal „Sklavin“. Unterschätzt wird der Beitrag der nicht männerfeindlichen Antifeministinnen zur Frauenemanzipation, unter denen auch die ungläubige Jüdin Esther Vilar Weltrang erlangte. Ihre Bereitschaft, sich versklaven zu lassen, hielt sich in engsten Grenzen. Sie lebte eine Zeitlang in Basel und in Zürich und verfasste mit „Die amerikanische Päpstin“ eine Parodie auf allzu grosse illusionäre Hoffnungen auf Politikerinnen. Starke Frauen können ganz anders als schwache Männer vielleicht erwarten. Man denke auch an die einstige israelische Ministerpräsidentin Golda Meir, von der man sagte: „Der einzige Mann im Kabinett.“
Waren Superfrauen aus einem Männersystem und Antifeministinnen eigentlich gegen Gleichberechtigung? So stand es zumindest in der Bildlegende der Erstveröffentlichung meines Textes über Phyllis Schlafly als Nachruf in der Weltwoche. In Tat und Wahrheit ging es um ein anderes Konzept der Emanzipation. Vergleiche auch Margaret Thatcher, die einstige britische Premierministerin, deren Mann Denis nicht gleich ein Ausbund von innerfamiliärer Gleichberechtigung war. Vertrat Thatcher ein vorfeministisches Verständnis der starken freien Frau, mag die derzeitig hoffnungsvollste Politikerin Europas, Theresa May, als Postfeministin gelten.
Den „Durchbruch“ schaffte Phyllis Schlafly durch ihr Engagement gegen den Militärdienst der Frauen. Sie begründete es mit unterschiedlichen Lebensaufgaben von Mann und Frau. Damit punktete sie bei Pazifistinnen. Umstritten blieb sie im Kampf gegen das „Equal Rights Amendment“, den Verfassungszusatz der US-Verfassung von 1971, analog zum Schweizer Gleichberechtigungsparagraphen, der über das Vernünftige hinaus Gleichstellungsbüros begünstigte. „Über das Vernünftige hinaus“ bedeutet, dass alles eine Frage der Verhältnisse und Proportionen ist. Schlafly beharrte freilich darauf, dass etwa die Vorstellung der traditionellen Ehe und Familie keineswegs schon automatisch die Unterdrückung der Frau bedeuten müsse, demonstrierte dies dann und wann für Feministinnen provozierend.
1964 engagierte sich Schlafly mit einem Buch für den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Barry Goldwater, den lange verkannten Vordenker der „Reagan-Revolution“, einen Nachkommen osteuropäischer Juden, was ihm zum Teil übel genommen wurde. 1964 betätigte sich auch Hillary Rodham, heute Clinton, als rechtes „Goldwater-Girl“. Damals ging es um eine auf Sieg ausgerichtete Strategie im Kalten Krieg. Schlaflys Sohn Andrew wurde bekannt durch die Netz-Enzyklopädie „Conservapedia“, eine Alternative zur ideologisch oft sehr einseitigen Wikipedia. Gegenüber Donald Trump hielt man sich anfänglich zurück, weil er in der Politik kaum von einer geistig-moralischen Grundlage ausgeht. Jedenfalls war Trump nie der Wunschkandidat der amerikanischen Bürgerlichen, mochte die absolute Abneigung gegen Hillary Clinton Phyllis am Ende doch noch zu einem Statement für den offiziellen republikanischen Kandidaten zu veranlassen.
Mit Phyllis Schlafly verliert die amerikanische Rechte eine Denkerin, die sich durch Sarah Palin nicht ersetzen lässt. Amerika hat ein Stück liberalkonservative Substanz verloren.
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