Ursel Bühring: Arzneischatz aus dem Klostergarten
Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
Ursel Bühring, Verfasserin des Buches „Heilpflanzen-Kuren – Körper und Seele pflegen und gesund erhalten“ (Titel der 2. Auflage!), das ich in einem Blog vom 31.01.2013 („Rund ums Jahr zu empfehlen: Kuren für Körper und Seele“) vorstellte, ist eine exzellente Kennerin der Heilpflanzen. Deshalb fanden sich viele Zuhörer ein, um den Vortrag „Arzneischatz aus dem Klostergarten – bis heute aktuell für Jung und Alt“ anlässlich des 4. Badischen Kräutertages in Münstertal zu lauschen. Nach einführenden Worten der 2. Vorsitzenden des Bauerngarten- und Wildkräuterland Baden e.V., Eva-Maria Schüle, legte die Gründerin der Freiburger Heilpflanzenschule los.
Mittels Bilderprojektion (Beamer) und mit einem Mikrofon bewaffnet, erklärte sie den Zuhörern, dass die Klöster im Mittelalter in ihren Gärten Obst, Gemüse, Heilpflanzen, Blumen und Gewürze angebaut haben. Die älteste Darstellung eines Klostergartens war der von St. Gallen, später erlangte der Garten auf der Reichenau Bedeutung. Die Gärten waren nach dem typischen Grundmuster in Form von rechteckigen oder quadratischen Beeten angelegt.
Die Vortragende verstand es in bewährter Weise die Zuhörer zu fesseln. Besonders war sie vom Reichenauer Abt Wahlafrid Strabo (807-849) angetan. Begeistert zitierte sie zu den vorgestellten Pflanzen die Lehrgedichte aus dem „Hortulus“. Das Werk entstand um 840. Es ist das Gartenbuch „Liber de cultura hortorum“ (Buch über die Kulturen der Gärten), das der spätere Entdecker und Herausgeber Joachim von Watt (Vadian) „Hortulus“ nannte. Er gab das Werk 1510 in Wien heraus.
Dieses Buch gilt in der pharmazeutischen Literatur als das erste Dokument aus altdeutscher Zeit. Zum ersten Mal befasste sich ein Dichter, Botaniker und Diplomat mit der Pflege und Anwendung von Heilkräutern. Er beschrieb die mühevolle Arbeit des Gärtners, den Kampf gegen Unkraut und Dürre. Dann folgen 24 Pflanzenbeschreibungen in Versform, beginnend mit der „Mutter der Kräuter“, dem Salbei.
Wozu Andorn gut ist
Das Werk „Hortulus“ ist mit humorvoll-anschaulichen Darstellungen durchsetzt. So schrieb Strabo zum Beispiel über den Andorn:
„Soll ich den Andorn daneben erwähnen, das schätzbare, kräftig wirkende Kraut, mag schärfer er zwar auch brennen im Munde und im Geschmack sich weit unterscheiden von seinem Geruche?
Duftet er süss, so schmeckt er nicht süss, doch vermag er zu lindern arge Beklemmung der Brust, geschluckt als bitteres Tränklein, ganz besonders dann, wenn er heiss vom Feuer geschlürft wird und man sich zwingt, nach dem Mahl davon becherweise zu trinken.
Sollten dir Stiefmütter je feindselig bereitete Gifte mischen in das Getränk oder trügenden Speisen verderblich Eisenhut mengen, so scheucht ein Trank des heilkräftigen Andorns, unverzüglich genommen, die drohenden Lebensgefahren.“
Im Anschluss an den jeweiligen Gedichten, gab Ursel Bühring frühere und heutige Anwendungen und Rezepturen bekannt. So auch über den Andorn:
Tee (Husten, Asthma-Begleittee, Leber-Galletee).
Andorn-Wein: 20 g/500 ml Portwein, Hildegard-Wein.
Andornhonig: (im Lorscher Arzneibuch = das älteste medizinische Buch Deutschlands); hilfreich bei chronischem Husten: In 250 ml Honig 2 EL Andornblätter, 1 EL Ysopblätter und 2 EL frischen Ingwer klein geschnitten einfüllen. 2 Wochen ziehen lassen und abfiltern. 3-5mal täglich je 1 TL Andornhonig in Hustentee einnehmen.
Salbei – „Heil der Welt“
Von allen Heilkundigen vergangener Zeiten wurde der Salbei in den höchsten Tönen gelobt. Nicht umsonst wurde er als die Königin der Heilpflanzen oder „Heil der Welt“ bezeichnet.
Wahlafrid Strabo schrieb über den Salbei ein schönes Lehrgedicht (Auszug):
„Leuchtend blühet Salbei, ganz vorn am Eingang des Gartens,
süss von Geruch, voll wirkender Kräfte und heilsam zu trinken.
Manche Gebresten der Menschen zu heilen, erwies sie sich als nützlich.
Ewig in Grüne der Jugend zu stehen hat sie dadurch verdient.“
Innerliche Anwendung: Tee, Tinktur: übermässige Schweisssekretion, Verdauungsstörungen, Blähungen, Durchfall, Entzündungen der Darmschleimhaut. Eine Salbeicreme wirkt bei Herpes.
Salbeiblütenwein (3 Handvoll Blüten/3/4 Liter Portwein): Wirksam bei nervösen und körperlichen Erschöpfungszuständen, bei Appetitlosigkeit zu Besserungen. Als Nebeneffekt wurde ein 20%iger Anstieg der Serumeisenwerte ermittelt („Zeitschrift für Phytotherapie“, 3/2001).
Salbei erhöht Gedächnisleistung
In der Antike kauten Schüler der Philosophen Salbeiblätter, um den Geist zu erfrischen und zur Weisheit und Erkenntnis zu gelangen. Nach Auswertung von 8 Studien sollen der Echte Salbei (Salvia officinalis) als auch der Lavendelblättrige oder auch Spanische Salbei (Salvia lavandulifolia) die Gedächtnisleistung sowohl gesunder Patienten als auch Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer erhöhen.
Wie die Carstens-Stiftung (www.carstens-stiftung.de) betonte, wurden bei den Studien verschiedene Extrakte oder das Öl verwendet. Somit bleibt die pharmakologisch wirksame Zusammensetzung unklar. Die Stiftung schätzt die Ergebnisse der Studien so ein: „Salbei könnte eine nebenwirkungsarme Perspektive für Demenzpatienten darstellen und verdient eine intensivere Betrachtung.“
Unter www.heilpraxis.de wird in dem Artikel „Gedächtnisverlust (Amnesie): Ursachen, Symptome, Therapie“ u.a. dies berichtet:
„Salbei hilft ausgezeichnet, um das Gedächtnis auf Trab zu halten. Es beeinflusst den Bereich des Gehirns, der Erfahrungen in die Langzeiterinnerung transportiert. Generell unterstützt Salbei die Nervenkoordination des Gehirns und ordnet so mentale Verwirrungen (Somayeh Ranjbar, ins Deutsche übersetzt von Dr. Utz Anhalt).
Wermut gegen Alzheimer?
Ursel Bühring zitierte Studien über den Wermut. Er wirkt bei Colitis und Morbus Crohn entzündungshemmend. Wermut unterdrückt den Entzündungsfaktor TNF alpha und spart Steroide ein.
Im 16. Jahrhundert wurde Salbei und Wermut bei Altersschwachsinn verordnet. Das Team um Elaine Perry von der University of Newcastle testete Wermut, Zitronenmelisse und den Honigmelonensalbei bei Alzheimer-Patienten. Bei diesen Patienten sind bestimmte Rezeptoren vermindert. An einem Rezeptorentyp dockt das Azetylcholin an. „Erhöht man die Menge an Azetylcholin im Gehirn, so kann das Defizit oft ausgeglichen werden, und die Patienten erinnern sich besser“(www.welt.de).
Die britischen Forscher brachten heraus, dass die Wirkstoffe von Wermut, Honigmelonensalbei und Zitronenmelisse auf die Rezeptoren wirken.
Perry warnt jedoch, den Wermut als Absinth einzunehmen. Der Absinth war ja ein beliebtes Getränk im 19. Jahrhundert und enthielt giftige Stoffe.
Fenchel bei Husten und Blähungen
Der Fenchelfrüchtetee hilft bei Husten (Fenchel löst den Schleim; dieser kann besser abgehustet werden), leichten Verdauungsstörungen, Blähungen.
Was sagte Wahlafrid Strabo zum Fenchel? Hier sein Gedicht, das auch die Referentin zu Gehör brachte:
„Auch die Ehre des Fenchels sei hier nicht verschwiegen; er hebt sich kräftig im Spross, und er strecket zur Seite die Arme und Zweige, ziemlich süss von Geschmack und süssen Geruches dergleichen.
Nützen soll er den Augen, wenn Schatten sie trügend befallen,
Und sein Same mit Milch einer Mutterziege getrunken,
Lockre, so sagt man, die Blähung des Magens und fördere lösend alsbald den zaudernden Gang der lange verstopften Verdauung.
Ferner vertreibt die Wurzel des Fenchels, vermischt mit dem Weine, Trank des Lanaeus, und so genossen, den keuchenden Husten.“
Pfefferminze gegen eine raue Stimme
Der Tee wirkt bei Übelkeit, Erbrechen, kolikartige Beschwerden im Magen- und Darmbereich und bei Blähungen. Das Pfefferminzöl bei Husten, Halsentzündung, Schnupfen, Atembeschwerden und Mundgeruch.
Wahlafrid Strabo hatte eine ganz andere Empfehlung, wie dies in seinem Gedicht zum Ausdruck kam:
„Nimmer fehle mir ein Vorrat gewöhnlicher Minze, so verschieden nach Sorten und Arten, nach Farben und Kräften.
Eine nützliche Art soll die rauhe Stimme, so sagt man,
Wieder zu klarem Klang zurückzuführen vermögen,
Wenn ein Kranker, den häufige Heiserkeit quälend belästigt,
trinkend einnimmt als Tee ihren Saft mit nüchternem Magen…
Wenn aber einer die Kräfte und Arten und Namen der Minze samt und sonders zu nennen vermöchte, so müsste er gleich auch wissen, wie viele Fische im Roten Meere schwimmen, oder wie viele Funken Vulkanus, der
Schmelzgott aus Lemnos, schickt in die Lüfte empor aus der riesigen Essen des Aetna.“
Am Schluss des Vortrages erwähnte Ursel Bühring, Strabo habe der Rose 2 Gedichte gewidmet. Die Referentin berichtete auch ausführlich über die Wirkungen und Anwendungen der „Königin der Blumen“ und „Blume der Liebe“. Über die Rose ist ein eigener Blog geplant.
„Sie gehen jetzt nach Hause und ich hoffe, dass sie die Pflanzen genauso schätzen wie Wahlafrid Strabo“, war der Schlusssatz von Ursel Bühring. Auf jeden Fall waren die Zuhörer von ihren kurzweiligen und interessanten Ausführungen begeistert.
Literatur
Bühring, Ursel: „Heilpflanzen-Kuren - Körper und Seele pflegen“, Eugen Ulmer Verlag, 2. Auflage, Stuttgart 2016.
Scholz, Heinz; Hiepe, Frank: „Arnika und Frauenwohl“, Ipa-Verlag, Vaihingen 2013.
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02.05.2010: Münstertal D (I): Männlicher Fluss, Mundloch, Kohlenmeiler
25.03.2010: Münstertal D: Teuflisches Bergwerk, Kloster, irischer Mönch
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