Textatelier
BLOG vom: 01.09.2017

Wie sich Tiere selbst heilen

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D

 


Mit Propolis schützen Bienen ihr Volk vor Infektionen
 

Nicht nur Menschen, sondern auch Tiere nutzen die Heilkräfte der Natur. So beobachtete man Schimpansen, Bonobos und Gorillas, die bestimmte Blätter schlucken, um sich vor Darmparasiten zu befreien. Andere Tiere wälzten sich in Kräutern und nagten an den Blättern bestimmter Bäume, wenn sie sich nicht wohl fühlen. Papageien schlucken Lehm, um sich vor Durchfall zu schützen. Sebastian Kneipp berichtete von einer Kuh, die die heilende Kraft des Wassers nutzte. Es gibt 200 Singvögel, die Ameisen benutzen, um sich von Parasiten zu befreien.

Wie sich Schimpansen kurieren
Die Tierärztin Sabrina Kief vom staatlichen Naturkundemuseum in Paris beobachtet seit 15 Jahren das Leben von Schimpansen im ugandischen Nationalpark Kibale. Sie hat dabei Bemerkenswertes gesehen. Yogi, ein Schimpansenmännchen, entfernte sich von seiner Gruppe und suchte gezielt einen Strauch auf. Er zupfte mit seinen Lippen eines der haarigen Blätter ab, faltete dieses mundgerecht und schluckte es unzerkaut. Diese Prozedur wurde 30 Mal wiederholt. Nach einigen Stunden später schied Yogi die unverdauten Blätter mit dem Kot aus. Im Kot fand die Forscherin lebende Darmwürmer. Die rauen Blätter scheinen die Darmbewegungen anzuregen, dadurch können die Würmer leichter ausgeschieden werden.
Forscher haben solche Szenen immer wieder gesehen, wie sich kranke Schimpansen, Bonobos und Gorillas mit Heilpflanzen kurieren.

In einer Studie, die in der Fachzeitschrift „American Journal of Primatology“ publiziert wurde, leiden besonders Affen, die in engem Kontakt zu ihren menschlichen Nachbarn leben, unter Darmparasiten. Das Blattschlucken ist bei diesen Affen weiter verbreitet als bei isoliert lebenden Artgenossen.
Nun wird das Verhalten der Tiere wissenschaftlich untersucht und man erhofft sich eine Nutzung der Medizin für den Menschen.
Die Forscher protokollieren das Fressverhalten, sammeln Urin und Kot ein, um eine Ausscheidung von Parasiten festzustellen.

An Malaria erkrankte Schimpansen fressen die bitteren Blätter des Baumes Trichilia rubescens. „Wir haben die chemische Struktur der Moleküle bestimmt und sie wirken ähnlich wie Chloroquine – ein gängiges Malariamittel des Menschen“, so Sabrina Kief. Die Affen nutzen noch 8 weitere Pflanzenarten gegen Malaria. Durch den Verzehr von vielen Pflanzen, die unterschiedliche Wirkstoffe enthalten, werden die Malariaerreger ausgetrickst. Sie haben es sicherlich schwer, Resistenzen zu entwickeln.

Michael Huffmann von der Universität Kyoto beobachtete schon vor 30 Jahren Schimpansen, die bei Wurmbefall das bittere Mark der Pflanze Vernonia amygdalina („Scheinaster“) aussaugten. Die Inhaltsstoffe dieser Pflanze, wie Laboruntersuchungen ergaben,  wirkten antibakteriell und antiparasitär. Diese Pflanzen nutzen Menschen in Afrika schon lange bei Darmbeschwerden.

Kapuzineraffen aus Mittel- und Südamerika sind Meister der Vorbeugung. Um sich vor lästigen Insekten zu schützen, reiben sie ihr Fell mit dem Fruchtfleisch und dem Saft bestimmter Zitrusfrüchte ein.

Ethnologen rätseln, woher die Tiere wissen, welche Pflanze sie bei welchen Beschwerden verwenden. Michael Huffmann: „Die Tiere assoziieren wahrscheinlich. Geht es ihnen gesundheitlich schlecht, ändern sie die Zusammensetzung ihres Speisezettels. Hilft ihnen die Umstellung, so merken sie sich das und verhalten sich beim nächsten Mal gleich.“ Wahrscheinlich lernen die jungen Tiere auch von ihren Eltern, welche Pflanze sie bei bestimmten Beschwerden essen sollen. Das Erlernte wird dann von Generation zu Generation weitergegeben.

 


Auch Kühe nützen Heilkräfte aus der Natur
 

Tiere nutzen Baumheilkräfte
Von Tieren kann man eine ganze Menge lernen. Wenn sie sich unwohl fühlen, gehen sie zu bestimmten Pflanzen oder Bäumen. So legten sich beispielsweise Kühe, die Gliederbeschwerden hatten, in Hahnenfuß und verwundete Gämsen wälzten sich in Alpenwegerich.

Eine ehemalige Arbeitskollegin berichtete mir auch Erstaunliches: Immer wenn sich ihr Hund den Magen verdorben hatte, ging er zu einem Thujabaum im Garten und nagte an den schuppenartigen Blättern. Kurze Zeit später musste er sich erbrechen und es ging ihm bald darauf wieder gut. Was tun, wenn kein Thujabaum in der Nähe ist? Hunde mit verdorbenem Magen wissen sich zu helfen. Sie fressen dann Gras.

René A. Strassmann erwähnt in seiner „Baumheilkunde“ Interessantes zur kraftspendenden Eiche. Eine Bäuerin erzählte dem Autor von der Heilwirkung einer Eiche, die in der Nähe ihres Bauernhofes wuchs. Wenn immer sich Tiere nicht wohlfühlten, gingen sie zu dieser Eiche. Als die Bäuerin selbst erkrankte, suchte sie diese Eiche auf. Bald darauf verspürte sie eine Besserung ihres von der Krankheit geschwächten Körpers.

Heilende Kraft des Wassers
Sebastian Kneipp erwähnte in seinen Schriften die heilenden Kraft des Wassers bei Tieren. Ein Hütebub beobachtete eine beinkranke Kuh. Er sah, wie diese das Wasser suchte und den kranken Fuß immer wieder in das kühlende Nass eintauchte. Die Kuh war dann bald besser zu Fuß als vor der „Wasserkur“.

Was Johannes Künzle beobachtete
Der Pionier der Schweizer Kräuterheilkunde  Johannes Künzle (1857−1945)  bezeichnete die Kräuter als die ersten, einfachsten und wohlfeilsten Heilmittel gegen viele Krankheiten. Er beobachtete auch Tiere, wie sie sich bei Krankheiten verhielten.
„Was den Tieren gut tut, kann wohl auch den Menschen nicht schaden“, sagte Künzle.
Er beobachtete beispielsweise, wie Katzen und Hunde, die an inneren Störungen litten, Schließgras vertilgten, oder Schafe sich an Schafgarben labten, sobald sie an inneren Verletzungen litten, oder Dohlen ihre Nester mit Tomatenblättern auslegten, um Flöhe und Läuse fernzuhalten. Manche Vögel reiben sich ihr Gefieder mit stark duftenden Pflanzen ein, um Läuse und Federmilben zu abzutöten. Viele Vögel verstecken Ameisen in ihr Gefieder. Die von den Ameisen produzierte Ameisensäure ist ein wirksames Insektizid gegen Milben und andere Haut- und Gefiederparasiten. Es gibt sogar Tiere, die sich in einem Ameisenhaufen wälzen.

Bruno Vonarburg, der bekannte Schweizer Heilpflanzenexperte, erwähnte in seinem Buch „Energetisierte Heilpflanzen“ weitere Beispiele, wie sich Tiere aus dem Heilschatz der Natur bedienen. So legen sich verletzte Rehe auf Moospolster, die keimtötende Substanzen enthalten. Röchelnde und hustende Hirsche kurieren sich mit Lungenkraut. Murmeltiere, die unter Magenkrämpfe und Blähungen leiden, futtern die auf den Bergwiesen feilgebotenen Kümmelfrüchte. Steinböcke, die sich an spitzen Felsen aufgeschrammt hatten, kurieren sich mit Alpenwegerich.

Zigarettenkippen gegen Parasiten
Forscher der Universität Mexiko-Stadt wunderten sich, als sie in manchen Vogelnestern Zigarettenkippen als Baumaterial entdeckten. Etwas anderes fehlte: Parasiten. Holten sich die Vögel mit Absicht Zigarettenkippen in ihre Nester, um schädliche Milben fernzuhalten? Die Forscher stellten beheizte Fallen auf, um Milben anzuziehen. Enthielten die Fallen Nikotin, liess sich kaum ein Parasit blicken. Je mehr Zigarettenkippen in den Nestern waren, umso geringer war der Befall mit Milben. „Zigarettenkippen, so folgerten die Forscher, sind für Vögel also nicht nur giftig – sondern manchmal auch eine wirksame Parasiten-Prophylaxe.“ (zitiert nach www.sueddeutsche.de).

Auch Raupen wissen sich zu helfen
Bärenspinner-Raupen müssen sich mit parasitären Fliegen herumschlagen. Die Fliegen legen Eier in die Raupen, wo sich die Fliegenlarven entwickeln. Die Bärenspinner-Raupen schützen sich mit Alkaloiden aus Greiskräutern. Michael Singer von der Wesleyan University in Connecticut fand heraus, dass die Alkaloide die Überlebensraten von befallenen Raupen um 17 % steigerten. Naschten jedoch gesunde Raupen zu viel der Greiskraut-Alkaloide dann erhöhte sich die Sterberate um 16%.

Wie sich Rentiere schützen
Wildhüter und Fallensteller beobachteten in der Taiga, dass Rentiere immer wieder mit Vorliebe einen bestimmten Strauch anknabberten und die Wurzeln fraßen. Eine Untersuchung in einem sowjetischen Institut ergab, dass der Strauch namens Eleutherococcus, besondere Wirkstoffe (Eleutheroside) enthält. Extrakte der Wurzel (Taigawurzel) sind hilfreich bei negativem Stress, Wetterfühligkeit, rascher Ermüdung, Erschöpfung und bei Erkältungskrankheiten. Wurzelextrakte wurden übrigens auch im Weltraum getestet. Die Astronauten Wladimir Ljachow und Vereij Rjumin konsumierten jeden Morgen in ihrer Raumstation Sojut 6 den Extrakt und erfreuten sich bester Gesundheit.
Die Forscher stellten sich die Frage, wieso die Rentiere instinktiv eine Vorliebe für die Blätter und Wurzeln entwickelten. Das fanden sie bald heraus. Die Inhaltsstoffe stärken die Widerstandsfähigkeit bei Hitze und Kälte, beugen Krankheiten vor und begünstigen die Paarungsbereitschaft und Fortpflanzung.

Wie Bienen desinfizieren
Propolis, auch Kittharz genannt, wird von Bienen produziert. Sie sammeln von Knospen und Rinden verschiedener Bäume das Harz und verarbeiten es mit ihrem Drüsensekret und Pollen zu Propolis. Sie nutzen diesen Stoff, um Zugluftöffnungen, Spalten und Fugen abzudichten, Brutzellen zu desinfizieren und Verwesungsherde einzuschliessen. Propolis dient auch zur Verstärkung der Waben.

Das aromatisch duftende Kittharz enthält mehr als 200 Substanzen, darunter 30 verschiedene ätherische Öle mit antibakterieller, antibiotischer und schmerzstillender Wirkung. Weitere Inhaltsstoffe sind  Harze (55 %), Wachse (25 bis 30 %), Enzyme, Flavonoide (gelbe Farbstoffe), Vitamine, Spurenelemente, organische Säuren und Pollen (5 %). Die Propolisflavonoide wirken antioxidativ und binden freie Radikale. Einige der Flavonoide wirken antibakteriell. Die Bienen schützen also ihr Volk vor Infektionen mit Bakterien und Pilzen.

Papageien schlucken Lehm
Papageien und Sittiche schützen sich vor Durchfall mit Lehm. So knabbern beispielsweise Grünflügelaras an den Steilufern der Flüsse den Lehm. Auch Affen, Tapire, Rotwild, Pakas und Nabelschweine in Südamerika fressen Lehm. In Afrika suchen  Schimpansen und Berggorillas Termitenhügel auf, um sich an den Lehmfestungen zu bedienen.
Die heilende, entzündungshemmende, wundreinigende, desinfizierende  Wirkung des Lehms ist dem hohen Sorptions- und Bindungsvermögen zuzuschreiben. Es werden Bakterien, Giftstoffe, Wasser und Gase gebunden. Nach neuesten Erkenntnissen verhindert Lehm sogar das Wachstum von Pilzen. Darüber enthält Lehm Mineralstoffe und Spurenelemente.

Anmerkung: Dieser Artikel wurde im „Kneipp Kalender“ 2017 publiziert. Einige Ergänzungen wurden in diesem Blog eingefügt. - Sind Ihnen ähnliche Beobachtungen bekannt? Für Mitteilungen bin ich Ihnen sehr dankbar.

Internet
www.heilpraxisnet.de
www.sueddeutsche.de
www.youtube.com (Wie Tiere sich selbst zu helfen wissen – Selbstmedikation in der Natur; hier ist ein Video zu sehen)
www.programm.ard.de
www.tagesspiegel.de (Tiere wissen sich zu helfen)

Literatur
„Selbstheilung bei Tieren: Der Falter als Apotheker“, www.sueddeutsche.de
„Selbstheilung bei Tieren: Schon Larven beherrschen die Selbstmedikation“, www.sueddeutsche.de

 


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