Textatelier
BLOG vom: 15.01.2018

Ein Tag in Tobias’ Leben

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
 

Tobias genoss seine Sommerferien. Ein heisser Tag folgte dem anderen. Neben dem Elternhaus war eine Wiese, wo Tobias und seine Kameraden gern Fussball spielten, mit dem väterlichen Vorbehalt: “Bis zum Waldrand und nicht weiter, sonst holt dich der Waldteufel.”

In dieser Wiesenmulde des Tafeljuras war Tobias heute allein. Sollte er wiederum nach Fossilien graben oder die grossen Heuschrecken fangen? Spielerisch kickte Tobias den Ball über den Hag zum Waldrand. Wie oft zuvor kletterte er hurtig über den Zaun und warf den Ball auf die Wiese zurück.

Tobias hielt inne. Das Moos auf dem alten Fussweg war ausgetrocknet. Mutig beschloss er, diesen Pfad erstmals zu betreten, Waldteufel hin oder her. Vögel zwitscherten im Geäst. Tobias schubste die Brombeerranken behutsam zur Seite und drang Schritt um Schritt in den hochgeschossenen Mischwald. Ein riesiger Ameisenhügel fesselte sein Augenmerk. Mit einem dürren Ästlein stocherte er im Haufen. Ein Gewimmel von erbosten schwarzen Ameisen verteidigte ihre aus Tannennadeln geschichtete Burg. Hatte damit sein Vater den Waldteufel gemeint? Gewiss nicht, grinste Tobias.

Rasch verstrich die Zeit, wie Tobias tiefer in den Wald vordrang. Was grollte aus der Ferne? Tobias spitzte die Ohren. Ein Gewitter näherte sich langsam. Sollte er umkehren? Wolken senkten sich über den Wald. Blitze zuckten. Das muss der Waldteufel sein. Ein allmächtiges Gewitter, mit Hagel durchsetzt, prasselte nieder. Der Wind zerzauste die Kronen der Bäume, und die Äste hoben und senkten sich vom Sturm gepeitscht. Jeden Augenblick konnte der Blitz einen Baumriesen fällen. Der Gesang der Vögel war verstummt, mitsamt dem Krächzen der Krähen. Tobias stand allein im finsteren Wald.

Sein Vater hatte recht gehabt. Das musste der Waldteufel sein! Nur sein Schutzengel konnte ihn retten. Tobias blieb wie angewurzelt stehen. Es war dunkel rings um ihn. Was war das? Die Hupe seines Vaters … Damit hatte Tobias oft gehupt. Der Lichtstrahl einer Taschenlampe näherte sich. Sein Vater, von Nachbarn begleitet, hatte ihn gefunden. Freudentränen rollten über Tobias’ Gesicht. Er war den Fängen des Waldteufels entronnen. Sein Vater trug Tobias nach Hause. Die Mutter umarmte ihn.

 


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