Übergewicht: Wenn das Hungergefühl aus dem Takt gerät
Autorin: Claudia Meyer, Ernährungstrainerin, Gütersloh D
Nicht alle Übergewichtigen sind nur deshalb dick, weil sie viel zu viel oder nicht das Richtige essen, sondern weil bei ihnen das Hungerempfinden aus dem Takt geraten ist. Der Grund hierfür liegt an den Dingen, die das Gefühl für Hunger und Sättigung ausser Kraft setzen, weil sie unsere körpereigenen Regulationsmechanismen unterbinden und die ursprünglichen Bedürfnisse überlagern. Daher kann vieles dick machen:
Das falsche Körperfett macht dick
Körperfett wird mittlerweile als eigenständiges Organ wahrgenommen. Es ist die grösste Hormonfabrik in unserem Körper. Es bildet viele lebenswichtige Stoffe und beeinflusst das Hunger- und Sättigungsgefühl.
Weisses Körperfett ist allgemein bekannt. Es ist das Fett, das überschüssige Energie speichert und an den Hüften oder am Bauch stört. Darüber hinaus gibt es noch braunes Körperfett. Es ist noch recht unbekannt und dasjenige Fett, das schlank macht und vorm Dicksein schützt, da es die Fettverbrennung anheizt. Denn das braune Fett nutzt das weisse Fett als Brennstoff, um den Körper mit Wärme zu versorgen. Vor allem kälteempfindliche Säuglinge haben recht viel von dem Energie erzeugenden braunen Fett. Und auch schlanke Erwachsene besitzen es zwischen den Schultern und am Hals.
Weisses Körperfett sieht nicht nur unsportlich aus und verleiht ein behäbiges Körpergefühl, sondern es kann das Dicksein noch weiter fördern, wenn es sich als Bauchfett ausbreitet. Zudem kann dieses Bauchfett Krankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs den Weg bereiten. Es sind die ansonsten schlanken Menschen, die „dünnen Fettleibigen“, bei denen das Fett an den falschen Stellen sitzt. Menschen, die über eine gleichmässige Fettverteilung verfügen, haben in der Regel gute Blutwerte und sind gesund, selbst dann, wenn sie dick sind. Es sind der Heimatort und die Menge der Fettzellen, die darüber entscheiden, welche Fettgewebstypen miteinander kommunizieren und welche Hormone gebildet werden. Daher macht insbesondere der Bauchspeck noch dicker, weil seine Zellen die Hormone ausschütten, die am Appetit beteiligt sind.
Insbesondere der verarbeitete Fruchtzucker, der in vielen Lebensmitteln steckt, ist massgeblich am Bauchspeck beteiligt, da er zum grössten Teil in Bauchfett umgewandelt wird. Aber auch die durch Stress angestauten Hormone sind bei fehlender Bewegung mitverantwortlich.
Crash-Diäten machen dick
Crash-Diäten führen dem Körper zu wenig Nahrung zu, sodass er sich anpassen muss und seinen Stoffwechsel auf Sparflamme fährt. Daher purzeln in den ersten Tagen die Pfunde noch recht erfolgversprechend, während sich nach der Zeit der Anpassung die Gewichtsabnahme weitaus hartnäckiger gestaltet. Dieser Spareffekt ist eine Notfallmassnahme des Körpers und bedeutet Stress. Denn nicht nur das Fett wird weniger, sondern auch die Organe nehmen ab. Nur das Gehirn als Hauptenergieverbraucher behält in etwa sein Gewicht, weil es die Verteilung der Energie steuert und sich als Erstes damit eindeckt.
Und dies wird besonders in Stresszeiten für die anderen Organe problematisch, da die Selbstsucht des Gehirns durch das Stresshormon Cortisol unterstützt wird. Cortisol baut Gewebe von Organen ab und leitet die daraus gewonnene Energie an das Gehirn weiter. Verstärkt wird dieser Effekt noch dadurch, dass Stress den Energiebedarf des Gehirns erhöht. Anstatt der sonstigen runden 66 Prozent beansprucht es dann fast 90 Prozent für sich.
Und auch die Muskeln leiden unter der Nahrungsknappheit und verlieren an Gewicht. Denn es werden ihnen wichtige Aminosäuren weggenommen, die der Körper für Umbau und Erneuerung seiner Zellen benötigt. Hierdurch gestaltet sich auch das Abnehmen immer schwieriger, weil durch den Verlust der Muskelmasse der tägliche Kalorienbedarf sinkt. Denn Muskeln benötigen selbst im Ruhezustand Energie. Um diesen Bedarf wieder nutzen zu können, muss die verlorene Muskelmasse erst mühsam wieder aufgebaut werden. Die Fettzellen hingegen verschwinden nicht. Sie entleeren sich nur und werden bei Nachschub gleich wieder aufgefüllt und durch Extra-Speicher für knappe Zeiten erweitert.
Stress macht dickNicht nur zu wenig Nahrung bedeutet Stress und treibt den Energieverbrauch des Gehirns in die Höhe, sondern auch ständige Anspannung, Überlastung, Sorgen oder Ängste. Ob Stress eher dick und krank oder eher „nur“ krank macht, hängt vom Stress-Typ ab:
- Typ A wird eher nur krank. Er kann weniger gut mit dem Stress umgehen und daher ist auch das Cortisol ständig aktiv und hilft dem Gehirn, sich seine Extraenergie aus dem Körper zu holen.
- Typ B wird eher dick und krank. Er hat sich an den Stress gewöhnt und folglich hat sich das Cortisol zurückgezogen. Deshalb holt sich das Gehirn die Energie nicht aus dem Körper, sondern stiftet zu mehr Essen an. Ausserdem ist der Körper nach einer Stressphase immer darauf bedacht, seine Fettdepots aufzufüllen, und das bedeutet Heisshunger, speziell auf Süsses und Fettiges. Dies kann obendrein noch einen unliebsamen Nebeneffekt haben. Denn wenn der Heisshunger immer wieder gestillt wird, speichert das Gehirn diese Erfahrung und fragt in stressigen Situationen stets danach.
Darüber hinaus führt Stress auch häufig dazu, dass zum Ausgleich mehr gegessen wird, als guttut. Vor allem dann, wenn Ruhe einkehrt und das ist spätestens am Abend, zur ungünstigsten Zeit der Fall.
Schnelles Essen macht dick
Auch schnelles Essen zwischen Tür und Angel, im Gehen oder während des Arbeitens macht dick, weil es meist schlecht gekaut und in wenigen Minuten gedankenlos heruntergeschluckt wird. Hierbei fehlt dem Körper die Zeit, um seine Regulationsmechanismen zu aktivieren und die entsprechenden Signale auszuwerten, die ihm sagen, dass er satt ist und keine weitere Nahrung mehr benötigt.
Hinzu kommt, dass der Genuss auf der Strecke bleibt. Denn ein Essen, das als Nebensache behandelt wird, kann nicht bewusst wahrgenommen werden, weil die Tätigkeit des Gehens oder die Arbeit am Computer ablenkt. Jedoch gehört auch das bewusste Wahrnehmen von Geruch, Geschmack, Form und Farbe der Speisen zum Sattsein dazu. Ausserdem lässt die Ablenkung auch den Überblick auf die bereits gegessene Menge schlecht einschätzen. Und auch Schnellesser, die ihre Mahlzeit in Windeseile verputzen, essen meist über den eigentlichen Hunger hinaus.
Spätes Essen macht dick
Eine chinesische Volksweisheit besagt: Iss ein herzhaftes Frühstück, ein bescheidenes Mittagessen und ein kleines Abendessen. Diese Weisheit deckt sich mit dem altbekannten Sprichwort vom Kaiser, Edelmann und Bettler und legt dem Menschen nahe, sich nach den Stärken und Schwächen seines Körpers zu richten. Darum entscheidet auch nicht die Kalorienanzahl allein, ob sich lästige Fettpölsterchen ansammeln, sondern auch, welche Lebensmittel um welche Uhrzeit gegessen werden. Untersuchungen zeigen, dass bei gleicher Nahrungszusammensetzung der Verzicht auf das Abendessen mehr Kalorien einspart, als das Frühstück auszulassen. Zudem führt ein fehlendes Frühstück auch dazu, dass sich die Entzündungsmarker im Blut erhöhen, weil dem Körper wichtige Nährstoffe fehlen.
Der Mensch ist tagaktiv und auf die Nahrungsaufnahme am Tag programmiert. Auch der Kohlenhydratstoffwechsel hat seine festen Arbeitszeiten und läuft am Tag auf Hochtouren und in der Nacht auf Sparflamme. Deswegen muss am Abend, bei gleicher Mahlzeit, weitaus mehr Insulin als am Morgen aktiviert werden, das in der Nacht zudem deutlich leistungsschwächer ist.
Darüber hinaus muss ein spät aufgenommenes Essen bis zum nächsten Morgen auf seine Verdauung warten, da auch Magen und Darm in der Nacht ruhen. Und währenddessen bildet es Säuren, belastet Stoffwechsel und Leber und nährt so auch die Fettspeicher.
Ein frühes und leichtes Abendessen mit nur wenigen Kohlenhydraten hat Vorteile, weil der Körper dann auf seine Reserven zurückgreifen muss, um die auch während der Nacht aktiven Organe wie Herz, Lunge und Leber mit Energie zu versorgen. Und je länger die insulinfreie Zeit dauert, desto schneller schwinden auch die unliebsamen Fettpölsterchen. Zudem stellt sich mit einem frühen Abendessen meist auch das natürliche Hungergefühl fürs Frühstück am nächsten Morgen ein.
Schlafmangel macht dick
Sowohl schlechter als auch zu wenig Schlaf macht dick. Denn durch den fehlenden Schlaf kommt auch der Magen nicht zur Ruhe und schüttet vermehrt das Hungerhormon Ghrelin aus, das zu übermässigem Essen anstiftet.
Die schlechten Darmbakterien machen dick
Die schlechten Darmbakterien machen dick, weil die Dickmacher ihr Überlebensfutter sind. Sie übertragen ihren Appetit und ihre Vorliebe für Zucker auf den Menschen und beeinflussen dadurch sein Ernährungsverhalten.
Ausserdem verdrängen sie die Bakterienart, die weniger Fett speichert und die Zellen zu vermehrter Fettverbrennung antreibt. Aber nicht nur die schlechten Darmbakterien, sondern auch Darmpilze brauchen vor allem Zucker, um zu gedeihen. Deshalb unterstützt eine zuckerreiche Ernährung sowohl ihr Wachstum als auch ihr Verlangen nach Zucker immer weiter. Und das ist auch der Grund, warum Übergewichtige eine andere Darmflora als Normalgewichtige besitzen: Bei ihnen sind die schlechten Darmbakterien und Darmpilze in der Überzahl. Sie sind der Auslöser, warum sie viel zu viel Süsses und auch viel zu grosse Mengen stark verarbeiteter Kohlenhydrate wie riesige Spaghettiberge essen „müssen“. Den gleichen Effekt haben im Übrigen Süssstoffe: auch sie verändern die Darmflora und machen dick.
Softdrinks machen dick
Softdrinks besitzen eine Menge Kalorien, und zwar so viele, dass sie leicht eine Mahlzeit ersetzen können oder ein 50-minütiges Lauftraining erfordern, um sie wieder loszuwerden. Und auch wenn sie keinen Zucker enthalten, so besitzen sie doch die nachweislich appetitfördernden und dick machenden Süssstoffe. Sie sind eine der Hauptgründe, warum vor allem immer mehr Kinder und Jugendliche übergewichtig werden.
Aromen und Geschmacksverstärker machen dick
Gewürzmischungen und Fertigprodukte mit künstlichen Aromen und Geschmacksverstärkern wie Glutamat verstärken die Lust auf Süsses. Zudem hemmen sie die Fettverbrennung und setzen das Sättigungsgefühl ausser Kraft, weil dem Gehirn die entsprechenden Signale fehlen. Letzteres ist auch ein Grund dafür, warum Restaurantköche Glutamat verwenden. Glutamat versteckt sich hinter den Bezeichnungen Würze, Aroma, Hefeextrakt, Nährhefe, gekörnte Brühe und E620 bis E625.
Hinweise auf Blogs von und über Claudia Meyer
08.09.2018: Aphorismen: Gedanken über Selbsterkenntnis
27.08.2018: Sattsein – ein komplexes Wohlgefühl
23.08.2018: Intuition: Dein Coach für ein gesundes, glückliches Leben
12.08.2018: Intuition - Unser innerer Coach
06.08.2018: Claudia Meyer: Personal- und Ernährungstrainerin
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Hinweis auf weitere Blogs von Meyer Claudia
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Freie Radikale und die schützenden Antioxidantien
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