Textatelier
BLOG vom: 03.10.2018

Südtirol 2: Im Geröllfeld der Drei Zinnen verletzt

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D

Am 2. Tag unserer Wanderwoche machten wir uns am 18.09.2018 auf den Weg zur Umrundung der Drei Zinnen. Mit dem Auto fuhren wir über eine gebührenpflichtige Mautstrasse auf den unterhalb der Auronzohütte (2315 m) gelegenen Parkplatz. Vor 6 Jahren waren wir schon einmal hier. Damals nahmen wir nicht den gut ausgebauten und stark von Wanderern begangenen Weg von der Auronzohütte zum Paternsattel und zur Dreizinnenhütte, sondern den Weg links vom Pkw-Parkplatz am Busparkplatz vorbei. Da wir diesmal nicht den „Dolomitenhöhenweg“ über die „Lange Alm“ (2283 m ü. M.) zur Dreizinnenhütte, einschlagen wollten, wählten wir einen direkten Weg unterhalb der Drei Zinnen zum Paternsattel. Da kam Freude auf, weil wir eine Abkürzung mit geringeren Höhen zu erwarten hatten. Wie sich später herausstellte, kam alles ganz anders.

 


Hier war der Weg noch sichtbar
 

Im Geröllfeld verschwunden
Wir wählten den Weg rechts von der Abzweigung zum Dolomitenhöhenweg und begingen einen schmalen Pfad. Er sah sehr einladend aus. Wir schritten frohen Mutes auf diesem zunächst bequemen Weg entlang. Aber bald darauf kamen wir auf steinigen Wegen immer langsamer weiter. Plötzlich wurden die Steine immer größer und der Wanderweg immer unkenntlicher. Dann war Schluss mit dem Weg. Wo sollten wir hin? Wir krackselten zunächst quer, dann links davon nach unten. Wir wollten das Geröllfeld verlassen und eine Grünfläche mit Steinen erreichen. Wir waren kurzzeitig in dieser Gesteinshölle gefangen. Ich dachte mir noch, kein Bergsteiger oder Drei- Zinnen-Bezwinger hätte ein solches Geröllfeld freiwillig durchquert. Wir schimpften auf die Weggestalter, die keinen Hinweis auf diese Steinwüste anbrachten. Der Weg hätte gesperrt werden müssen.

 


Im Geröll unterwegs
 

Claus wählte einen anderen Weg nach unten. Er rief uns noch zu, dass er zurück gehen würde. Bald war er aus unseren Augen verschwunden. Die Steinblöcke verdeckten seine passable Größe. Wie sich später herausstellte ging er zur Auronzohütte zurück. Kanu-Heinz, Toni und ich blieben in Sichtweite. Plötzlich blieb Kanu-Heinz in einem Spalt zwischen zwei grossen Steinen mit dem rechten Schuh hängen. Er konnte sich nicht selbst befreien. Toni ging sofort ohne Rucksack, aber mit Stöcken, zu ihm und zog das Bein mit dem Schuh mit aller Kraft heraus. Zum Glück zog sich der „Gefangene“ nur Hautabschürfungen am linken Arm und eine Prellung am rechten Schultergelenk zu, die später mit Salben behandelt wurden. Als Schmerzmittel erhielt er von mir Ibuprofen. Dank der Mittel konnte er in den nächsten Tagen sämtliche Wanderungen mitmachen.
Während der Befreiungsaktion nahm ich den Rucksack von Toni auf meine Schulter (seitlich hing meiner herunter) und brachte ihn zum Ort des Geschehens. Wir blieben dann zusammen. Dank unserer Stöcke als Abstützhilfe und mit vorsichtigen Schritten überwanden wir die letzten Hindernisse. Wir brauchten für diese ungewöhnliche und beschwerliche Durchquerung über eine Stunde. Ich dachte mir, zum Glück stolperte keiner über die zum Teil spitzen Steine. Dies hätte bös enden können.

 


Wolken über die Drei Zinnen
 

Eindrucksvolle Drei Zinnen
Hoch über dem Geröllfeld thronten die Drei Zinnen. Nach Erreichen des grasbewachsenen Feldes hatten wir endlich die Gelegenheit, die Drei Zinnen näher zu betrachten. Es war ein fantastischer Anblick.
Dabei musste ich an den Schriftsteller Karl Springenschmid denken, der einst euphorisch beim Anblick der Drei Zinnen sagte: „Gottes eigenwilligste Schöpfung der Alpen.“
Reinhold Messner sagte: „Dies ist mit Sicherheit einer der schönsten Bergwanderungen der Alpen.“

An einigen Stellen vor unserem Aufstieg zum Paternsattel sahen wir mit kleineren Steinen ausgelegte Namen. Ich wundere mich immer wieder, auf welche Ideen so manche Touristen kommen, um sich zu „verewigen“. Diese Steinauslegung fand ich nicht so schlimm. Einritzungen in Holztischen, Bänken und der Holzverschalung von Hütten aber sind weniger zu schätzen.

Ab und zu flogen Alpendohlen vorbei. Da erinnerte ich mich an eine Begebenheit an der Dreizinnenhütte mit unserem Wanderfreund Bernd, der vor 6 Jahren dabei war. Eine vorwitzige Alpendohle setzte sich anlässlich einer Vesper auf den Oberschenkel von Bernd und lauerte auf Futter. 

Auf der flachen Anhöhe, dem Paternsattel, blickten wir nochmals auf die Nordwände der Drei Zinnen. Die mächtigen Dolomitenriesen beeindrucken nicht nur Naturfreunde. Einige Wölkchen machten sich auf dem Gipfel der grössten Zinne breit. Später zogen noch mehr Wolken auf. Es kündigte sich ein Wetterwechsel an.
Wir hatten jedoch bis zum Ende der Tour Glück. Der Regen kam dann erst am späten Nachmittag, da waren wir schon im Hotel.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich einige Besonderheiten zu den Drei Zinnen erwähnen. Die hohe Grosse Zinne in der Mitte ist 2999 m, die Westliche Zinne 2973 m und die Kleine Zinne 2857 m hoch. Es sind gewaltige Felstürme. Es gibt aber noch weitere Gipfelpunkte im Massiv.
Die Grosse Zinne hat eine 500 m hohe, senkrechte bis überhängende Nordwand. An dieser Wand gibt es 5 bekannte Routen für die Bergsteiger. Die Westliche Zinne hat 7 Routen.
Erstbesteiger der Grossen Zinne war der Wiener Alpinist Paul Grohmann. Zusammen mit den einheimischen Führern Franz Innerkofer und Peter Salcher bestieg er 1869 diesen Berg. Später erfolgten Erstbesteigungen der weiteren Zinnengipfel.

Nach einer kurzen Rast machten wir uns wieder auf den Weg. Diesmal ging es an der Lavoredahütte (2310 m) vorbei und strebten der Auronzohütte auf breiten Wegen zu. Auf dem Weg sahen wir den Gedenkstein, der an die Erstbesteigung der Grossen Zinne, erinnerte. Auf einem Felsen war die runde Plakette mit dem Portrait Paul Grohmanns und darunter auf einer rechteckigen Tafel die Inschrift zu lesen.
In der Auronzohütte begrüssten wir unseren Wanderfreund Claus, der nach einem schwierigen Abstieg und auf einen Wanderweg zur Hütte kam. Wir tranken alle einen wärmenden Cappuccino.

Von der Auronzohütte ging es wieder über die Mautstrasse zu unserem Quartier am Misurinasee. Es war trotz aller Schwierigkeiten eine schöne und interessante Umrundung der Drei Zinnen. Die beschwerliche Wanderung wird uns alle lange Zeit im Gedächtnis bleiben.  

 

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