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BLOG vom: 12.05.2019

Eine Katastrophe: Diebe stehlen Orchideenknollen

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D

 

Dietmar Keil, Naturschützer, Biologe und Filmemacher, war erschüttert als er verwüstete Orchideenwiesen im Naturschutzgebiet Taubergiessen vorfand. Vor einer Woche blühten hier noch tausende Orchideen. Ein wunderschöner Anblick. Nachts kamen Diebe, die die Knollen von etwa 3000 Orchideen ausgruben. Man kann hier nur vor Wut schäumen, wenn man von so einem Frevel hört. Den Burschen ist die Natur gleichgültig, hauptsächlich der Profit stimmt. Es ist eine nie dagewesene Umweltstraftat. Es wurde nun gegen Unbekannt Anzeige erstattet.

Die Hälfte des Bestandes von Hummel- und Spinnenragwurz-Orchideen im Taubergiessengebiet sei zerstört worden. Der Bestand sämtlicher Insekten-Orchideen ist in Gefahr. Wie der Biologe betonte, braucht ein so geplündertes Areal zur Regenerierung Jahrzehnte.

Die Tat wurde mit langer Hand vorbereitet. Dietmar Keil schätzt, dass 20 bis 30 Diebe in der Nacht hier am Werk waren. Für die Diebe ist der Verkauf der Knollen ein lukratives Geschäft. Es gibt genug Liebhaber, die ganz scharf auf solche Knollen sind. Die Knollen werden im Internet  zwischen 80 und 100 Euro angeboten (oft werden gefälschte Zertifikate vorgelegt). Silke Keil, Autorin und Tochter des engagierten Naturschützers Dietmar Keil, weist darauf hin, dass bestimmten Orchideenarten eine Heilkraft und potenzsteigernd Wirkung nachgesagt werden.


Hummel-Ragwurz (Foto Elisabeth Faber)
 

Dietmar Keil schätzt, dass die Täter bis 300 000 Euro verdienen könnten. Wenn sie vorher nicht erwischt werden. Es ist nämlich streng verboten, die Orchideen zu pflücken oder die Knollen auszugraben. Auch sind die Orchideenstandtorte gegen Biotopschäden beim Fotografieren geschützt.

Helmut Baumann und Siegfried Künkele weisen in ihrem Buch „Die Orchideen Europas“ eindringlich auf den Schutz der Orchideen hin. Hier ein Auszug:

„Die Naturfotografie setzt deshalb ein Höchstmass an behutsamem Umgang mit der Natur voraus. In den Naturschutzgebieten ist das Verlassen der Wege verboten. Für jeden Naturfreund sollte eine Respektierung dieser Schutzvorschriften eine Selbstverständlichkeit sein“ (zitiert nach Baumann/Künkele „Die Orchideen Europas“).

Übrigens wurden vor 2 Jahren 400 Knollen geklaut. Damals wurde die Vermutung geäussert, dass Wildschweine hier ihre Wühlarbeit verrichtet hätten. Kürzlich waren Wildschweine in einer angrenzenden Wiese in der Nähe des jetzt geplünderten Areals am Werke. Keil betonte, dass Wildschweine grossflächig graben und sie lassen Knollen der Orchideen links liegen.

Eigene Erfahrungen mit Orchideen
2017 nahm ich an einer Veranstaltung der Frosch-Apotheke in Lörrach teil. Es war eine schöne und interessante Wanderung durch die Rheinauen in der Nähe von Rheinweiler. Gudrun Schulze führte uns in bewährter Weise durch dieses Gebiet. Die 23 Teilnehmer waren von der Fülle an Pflanzen überrascht, die hier wuchsen. Höhepunkt der Exkursion war das Aufstöbern diverser Orchideen. Wir entdeckten die Brand-Orchis (Brand-Knabenkraut, Angebranntes Knabenkraut), das Helmknabenkraut, die Hummel-Ragwurz, die Pyramiden-Orchis und die Bocks-Riemenzunge. Die Bocks-Riemenzunge ist reichblütig. Die grossen Exemplare können bis über 100 Blüten haben. Die Blüten riechen stark nach Ziegenbock. Die Bestäuber, es sind überwiegend Wildbienen, stören sich nicht an diesem Geruch.

Eine Augenweide waren auch einige Exemplare des Helmknabenkrauts. Die Blüten sind purpurn bis rosarot und fein rot punktiert. Durch das Zusammenneigen der 3 oberen Blütenblätter entsteht eine Helmform.

Gudrun Schulz machte die Teilnehmer darauf aufmerksam, dass die Orchideen unter Naturschutz stehen und die Wege man nicht verlassen darf. Zum Glück wuchsen die Orchideen häufig in der Nähe der schmalen Pfade. Einige der Pflanzen, die etwas weiter weg wuchsen, fotografierte ich mit Tele.
In einer E-Mail vom 10.05.2019 zeigte sich Gudrun Schulze ebenfalls erschüttert über den Frevel. Sie schrieb:

„Ich bin natürlich entsetzt über den Frevel, der in den Taubergiessen an der Natur verübt worden ist. Das müssen Kenner gewesen sein, denen vor lauter Profitgier die Vernunft und die Achtung vor unseren heimischen Orchideen abhanden gekommen ist. Sie müssten doch wissen, dass diese empfindlichen Pflänzchen keine Überlebenschancen haben, wenn sie an anderen und vermutlich ungeeigneten Standorten ausgepflanzt werden.“

Bei unseren Wanderungen sehen wir ab und zu Orchideenwiesen im Markgräflerland und im Elsass. Auf einer Wiese im Markgräflerland entdeckten wir 2018 hunderte Exemplare von Knabenkräutern und einige Trollblumen. Es war ein herrlicher Anblick.


Brand-Orchis (Foto Heinz Scholz)
 

Was Diebe sonst noch reizt
Es wird tatsächlich in unserem Lande geklaut, was das Zeug hält. So wurden Walnüsse, Kirschen, Kabelrollen, Pflanzen aus Pflanzkübeln und von Grünanlagen, Kupferkreuze an Grabsteinen und Blumenschmuck von Gräbern geklaut. Besonders beliebt ist das Obst. So wurden 2016 an 2 Tagen im Kaiserstuhlgebiet 5 Zentner Kirschen von 25 Bäumen illegal abgeerntet. Dann wurden 4,5 Zentner Trauben, die zur Trockenbeerenauslese noch an 85 Rebstöcken hingen, gelesen. Es wurde sogar ein Grenzstein von 1591 und eine vergoldete Elektro-Modell-Lokomotive im Wert von 1000 Euro gestohlen.  Aus dem Offenburger Ritterhausmuseum verschwand ein Horn vom Nashorn.

Literatur
Baumann, Helmut; Künkele, Siegfried: „Die Orchideen Europas“, kosmos Naturführer, Franckh-Kosmos Verlags GmbH, Stuttgart 1988.
Faber, Elisabeth; Faber, Martin: „Orchideen in der Umgebung von Freiburg“, Freiburg März 2008.
Fersenmeier, Karl-Heinz: „Von Walnüssen bis Nashörner – was Diebe reizt“, „Badische Zeitung“ vom 10.05.19
Kovacs, Karl: „Diebe buddeln tausende Orchideen aus“, „Badische Zeitung“ vom 09.05.2019.

 

Weitere Blogs zum Thema von Heinz Scholz
10.02.2018: Elisabeth Faber – Naturbeobachterin und Hobbyfotografin 
26.05.2017: Flora der Rheinauen: Orchideen, Diptam, Witwenblume 

 


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