Textatelier
BLOG vom: 21.12.2020

Weihnachten und das Winterfest

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Muttersprache, Viersen/Deutschland


Die Leser am Weihnachtstag haben bestimmt nicht erwartet, an diesem Tag ein Blog zu lesen, das zwar den Namen des Festtags im Titel trägt, aber die Aufteilung aller Lebenslagen in „Gut und Böse“, in schwarz und weiss, den Dualismus von Licht und Finsternis, also Manis Religion, vorstellt.

Der Religionsgründer Mani verstand sich bereits im 3. Jahrhundert nach Christi Geburt als Nachfolger der Religionsstifter Jesus, Zarathustra und Siddharta (Buddha). Er war durch seine Erziehung mit der christlichen Lehre vertraut. Der Gnostizismus hatte Einfluss auf seine Religion, und Mani galt bei seinen Anhängern als der von Christus verheissene Paraklet, in der östlichen Welt als Wiedergeburt von Laotse oder als neuer Buddha. Auch Augustinus, der spätere christliche Heilige, war zumindest an der Religion interessiert, wandte sich allerdings dann dem Christentum zu. Wäre Augustinus von Hippo Anhänger des Mani und seiner Religion geworden, könnte es durchaus sein, dass diese eine grosse Religionsgemeinschaft geworden wäre, die heute noch existierte. Sie wurde dann aber durch die Christen brutal verfolgt und seine Anhänger und späteren Nachfolger, z. B. die Albigenser, Waldenser und Katharer, wurden ausgerottet.

Die christliche Kirche, vor allem die katholische, schreibt sich das Verdienst zu, massgeblich die Moralvorstellungen und Menschenrechte über die Jahrhunderte kulturell geprägt zu haben. Liest man etwa die mit dem demnächst erscheinenden Band 10 vollendeten „Kriminalgeschichte des Christentums“ von Karlheinz Deschner, kann man vom Gegenteil überzeugt werden.

Zur Festigung der jungen, ursprünglichen Sekte und christlichen Religionsgemeinschaft wurde nicht nur von Anfang an Gewalt angewandt, sondern es wurde gnadenlos gegen alle anderen Religionsgemeinschaften und deren Anhänger vorgegangen. Dass damit gegen die Glaubensgrundlagen „Liebet Eure Feinde“ und „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ von Anfang an verstossen worden ist, scheint die Anhänger nie gestört oder Gewissensbisse besorgt zu haben. Es galt, „wer nicht für mich ist, der ist gegen mich“ ... und den darf man ausrotten, getreu dem Motto: „und willst du nicht mein Bruder sein, dann schlag’ ich dir den Schädel ein.“

Um den Glauben zu zementieren, wurden skrupellos bisherige Glaubensinhalte ins Christentum im wahrsten Sinne des Wortes eingebaut. Die neuen Gläubigen sollten ihre alten Feste einfach unter einem neuen Inhalt weiterfeiern.

So ist der Zeitpunkt des Weihnachtsfests nicht der Geburtstag Jesu, sondern der Tag, an dem jahrhundertelang beispielsweise die Germanen das Winterfest feierten, „Zu den wihen Nächten“ – es dauerte vom 26. Dezember bis 6. Januar. Ebenso bei den Germanen wurde das „Julfest“ gefeiert, „Jul“ bedeutet Rad, damit war die Sonne gemeint, verbunden mit der Hoffnung, dass bald nach dem Winter der Frühling wieder einziehen möge. Der ursprüngliche Termin des christlichen Weihnachtsfests im Orient war der 06. Januar (wie heute noch bei der russisch-orthodoxen Kirche). Seit dem Jahr 354 wurde es an die Stelle des Fests der Sonnenwende, des „Sol invictus“, gelegt, ein Fest des Mithraskults, der im 1. Jahrhundert über das gesamte römische Reich bis hin zu Mithrasstätten bei Frankfurt und Heidelberg verbreitet war. Den geschmückten Tannenbaum gibt es erst seit etwa 100 Jahren.

Ein Zitat aus einer Zeitschrift, die über die Forschungen, die sich auf die Kreuzigung, aber auch auf das Leben Jesu insgesamt berichtet, zitiere ich:
Wir wisssen außerdem, das Jesus zwischen dem Jahr 7 und 4 vor u.Z. als ‘erster Sohn Marias’ in Nazareth geboren und sein Geburtsort erst später nach Betlehem ‘verlegt’ wird, da dort laut der jüdischen Überlieferung der ‘Messias’ zur Welt ommen würde.

Die göttliche Zeugung aus einer Jungfrau kannte man in Ägypten, Indien und Persien, Griechenland und Rom. Sogar Platon soll vom Gott Apollon gezeugt worden sein. Maria hat ihr Vorbild in Isis, die berühmteste Göttin Ägyptens in den Jahrhunderten vor und nach der Zeitenwende. Gemäß dem Grundsatz der „self fulfilling prophecy“ wurden prophetische „Voraussagen“ im Judentum auf das Christentum übertragen. Man scheute sich auch nicht, Fälschungen aufzunehmen. So ist historisch bewiesen, dass es den Kindsmord des Herodes zur Zeit Christi Geburt nie gegeben hat, auch wenn dies in der Christmette immer noch zu hören ist. Sie passte auf die jüdische Voraussage der Ankunft des Erlösers. Eine Legende ist auch Bethlehem als Geburtsort.

So sind viele Glaubensinhalte des Christentums aus der jüdischen und anderen, sogenannt „heidnischen“ Religionen übernommen worden und Grundlage der Religion geworden.

Wir singen heute Weihnachtslieder, wie z. B. „Zu Bethlehem geboren ..“, und andere, deren Inhalte nichts mit der historischen Wirklichkeit zu tun haben. Sogar das berühmte Weihnachtslied „O Tannenbaum“ hatte ursprünglich nichts mit Weihnachten zu tun, sondern war ein trauriges Liebeslied, zu dem sich Joachim August Zarnack nach einer Vorlage auf einem fliegenden Blatt mit der Jahreszahl 1550 etwa um das Jahr 1800 hat inspirieren lassen, und erst Ernst Anschütz kam 1824 auf die Idee, das Motiv für ein Weihnachtslied zu verwenden.

Die 1. Strophe entspricht noch dem Original von Zarnack, die 2. Strophe lautet so: 

O Mädgelein, o Mägdelein
Wie falsch ist dein Gemüte!
Du schwurst mir Treu in meinem Glück,
Nun arm ich bin, gehst du zurück.
O Mägdelein, o Mägdelein,
Wie falsch ist dein Gemüte! 

Und so wurde aus dem traurigen Lied eines verlassenen Liebhabers ein Weihnachtslied. Das Lied „Stille Nacht“ entstand erst im 19. Jahrhundert in Österreich.

Ich finde es ganz spannend, mich mit Religionen ausserhalb des Christentums zu befassen und zu erkennen, was davon alles in die christliche Glaubenslehre eingeflossen ist. Dazu gehören neben dem Judentum der Mithraskult, der Isiriskult, der Manismus, der Dyonisuskult und germanische, nordische, ägyptische, römische, orientalische Ursprünge, und daraus ist dann „die alleinseligmachende Wahrheit“ entstanden. Wie heisst es doch so schön: „Wer’s glaubt wird selig!“

Ich wünsche Ihnen „ zu den wiehen Nächten“ schöne Fest- und Feiertage, ein besonders schönes „Sol invictus“! 

Quellen
Karlheinz Deschner: „Abermals krähte der Hahn, Eine kritische Kirchengeschichte“, btb München, 1996, S. 413 und weitere.
http://de.wikipedia.org/wiki/O_Tannenbaum
Das letzte Zitat wird dem Diogenes Verleger Daniel Keel zugeschrieben.
Zitat aus: Welt der Wunder, Heinrich Bauer Verlag, Hamburg, Heft 1, 2021, S.73

 
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