Haareis – ein seltenes Naturphänomen
Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim
Da staunte Marianne Merschhemke von Schopfheim als sie an einem Wintertag in einem Buchen- und Laubmischwald am Hausberg von Schopfheim (Entegast) bizarre Eisgebilde auf morschem und feuchtem Totholz entdeckte. Aus den am Boden liegenden alten Holzstämmen wuchsen schneeweisse, dichte, wellig gebogene haarfeine Fäden heraus. Sie sahen ähnlich wie „Zuckerwatte“ aus. Es handelte sich um Haareis, das ein seltenes und bizarres Naturphänomen ist.
Haareis oder Eiswolle bildet sich an abgestorbenen Ästen von Laubholz. Die Haare sind aus Eis, die 30-100 mm lang und zum Teil nur 0,02 mm dick sind. Die Eishaare bilden sich mit einer Geschwindigkeit von 5 bis 10 mm pro Stunde.
Dennis Regul, Pilzsachverständiger und Initiator der Pilzschule Freiburg, erklärt das Phänomen so: „An der Entstehung von Haareis sind Pilze im Holz beteiligt. Sie sorgen dafür, dass das Wasser mit Kristallisationskeimen durchsetzt und mit der richtigen Geschwindigkeit aus dem Holz gedrückt wird, sodass das haarförmige Eis entsteht.“
Was Studien ergaben
Die Entstehung des Haareises war lange Zeit ein Rätsel. Der Meteorologe Alfred Wegener vermutete 1918 einen „schimmelartigen Pilz“ als Auslöser. Andere Wissenschaftler zweifelten dies an. Durch eine biophysikalische Studie aus dem Jahre 2008 von Gerhart Wagner und Christian Mätzler wurde Wegners Vermutung bestätigt. Sie brachten heraus, dass das Haareis durch das Myzel winteraktiver Pilze ausgelöst wird. Laut Wikipedia werden durch den aeroben Stoffwechsel des Pilzes Gase produziert, die das unterkühlte Waser an die Oberfläche drängen. „Dort gefriert es und wird durch nachdrängende, beim Austritt aus dem Holz ebenfalls gefrierende Flüssigkeit weitergeschoben.“ Das Phänomen tritt bei Temperaturen knapp unter dem Gefrierpunkt und bei hoher Luftfeuchtigkeit auf. Entscheiden ist auch, dass das Pilzmycel in Ordnung ist.
Die Forscher entdeckten auch in den geschmolzenen Eishaaren organische Substanzen. Christian Mätzler (emeritierter Professor am Institut für Angewandte Physik der Universität Bern) vermutet, dass das Lignin oder ein ähnlicher Stoff die Form behalten lässt. Das Haareis dürfte dem Pilz als eine Art Frostschutzmittel dienen.
Anmerkung: Marianne Merschhemke hat ein Foto für das Textatelier zur Verfügung gestellt. Dafür zollen wir ihr ein herzliches Dankeschön.
Sie verzichtete auf ein Bildhonorar. Dieses wird als Spende an die Stolpersteine Wiesental überwiesen.
Internet: http://www.stolpersteine-wiesental.de/
Literatur/Internet:
Wagner, Gerhart; Mätzler, Christian: „Haareis auf morschem Laubholz als biophysikalisches Phänomen, Forschungsbericht Nr. 2008-05-MW, Uni Bern.
Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau: „Haareis – ein seltenes und bizarres Naturphänomen“; www.lwg.bayern.de)
24Mein Garten: „Haareis an Totholz: So kommt es zu dem seltenen Naturphänomen“ (www.24-garten.de)
Wikipedia: Haareis (https://de.wikipedia.org/wiki/Haareis)
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