Textatelier
BLOG vom: 13.04.2005

Frühlingsspuren: „Schwarze Blätter“ werden farbig

Autor: Emil Baschnonga

Zufälligerweise ist mir ein altes Tagebuch in die Hände gefallen, und ich habe darin etwas geblättert. Warum der Titel „Schwarze Blätter“? frage ich mich nach so vielen Jahren.

Nein, ich möchte nichts von damals wieder aufrollen. Nur diesen Ausschnitt, am 7. 1. 1973 eingetragen: „Heute Nachmittag das 'Schöpferische Klima' zum zweiten Mal auf die Post gebracht. Eine Woche habe ich wild-verbissen den ganzen Text nochmals korrigiert: ergiebige Beute. Dabei muss ich mich arg ermüdet haben. Wiederum setzt mir ein Schnupfen zu. Im Geschäft prasseln Anfragen auf mich ein. Zu viele Leute fassen Neujahrsvorsätze auf Kosten anderer. Die Sonne hat sich im Gewölk verkrochen. Ein matter, gelbroter Ball zeigte sich spät nachmittags. Am liebsten hätte ich ihm meinen Schal geliehen – so verfroren sah er aus.“

Solch ein trister roter Ball ist auch auf dem Farbholzschnitt, der bei mir an der Wand hängt. Der Künstler hat mit Bleistift am unteren Blattrand vermerkt: ‚Musik Chinesische Geistergeschichte.’ Eine orientalische Figur entrollt den Text, betitelt: „Die Klage um die Spuren des Frühlings.“ Ich zitiere hier nur den Anfangsteil des Verses: "Der dunkle Gram macht mich wirr. Ach, immer nur denken und denken. Alltäglich verwirren Gedanken der Liebe mein Herz. Die berauschenden Rosen, die Weiden beweinen den Frühling, sie fühlen das Gleiche, sie trauern ums Gleiche wie ich.“

Wer mag diese Verse geschrieben haben? Vergeblich habe ich nachgeforscht. Vielleicht kann mir ein Leser auf die Spur – eben auf die Spuren des Frühlings – helfen?

Jetzt möchte ich mich vom Gram lösen. Bunte Blätter sollen es wieder sein, denn diese schreibe ich am liebsten. Der Frühling ist dazu wie geschaffen.

Wer im Grunde genommen keine Frohnatur ist, muss sich auf andere Weise behelfen, damit er hin und wieder ein munteres Liedchen pfeift. Dazu gibt es zum Glück der Mittel viele. Jeder kann seine eigenen wählen, die ihm angemessen sind.

Immer wieder ist die Musik für mich ein Trostquell. Andere Trostpflästerchen sind etwa ein gutes Essen in angenehmer Gesellschaft, ein guter Film, ein Spaziergang. Manchmal halte ich auch Einkehr bei mir ganz allein und bewirte mich fürstlich. Heute jedoch geht es mir mehr ums Auskehren, mit dem Besen.

Wer diese Zeile geschrieben hat, ist kein Rätsel: Wer nie sein Brot in Tränen ass ( . . . ), der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte.“ Das ist auch ein Trost zu wissen, dass andere, viel bedeutendere Geister (wie eben Johann Wolfgang Goethe), ins Tief abschlittern konnten – und sich wieder aufrafften.

Ehe ich diese Seite beschliesse, erwähne ich noch den Augentrost, als da sind Bilder, Kunstobjekte, das Lächeln eines Mitmenschen und die vielen Pflanzen, die jetzt gar kräftig im Garten aufblühen. Wem dabei das Herz nicht wieder leicht wird, dem ist nicht zu helfen.

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