Textatelier
BLOG vom: 17.04.2005

Papst Johannes Paul II.: Asylgesuch im Himmelreich

Autorin: Lislott Pfaff

Papst Johannes Paul II. klopft ans Himmelstor und wird vom Chef persönlich empfangen: Petrus öffnet einen Flügel des vergoldeten Portals und bittet den neuen Besucher, im Empfangsraum Platz zu nehmen. Dankend setzt sich der Papst auf einen der Wolkensessel, und Petrus lässt sich ihm gegenüber nieder. Er winkt einem der umherschwirrenden Engel und bestellt 2 Gläser Paradiesnektar mit Himmelstau.

„Womit kann ich dir dienen, Johannes?“ fragt Petrus freundlich und nimmt einen Schluck von seinem Getränk. Der Papst setzt sein Glas auf den aus Sternenstrahlen gezimmerten Tisch, der zwischen ihm und seinem Vorgesetzten steht, und blickt diesen demütig an: „Ich möchte um Asyl in deinem Reich bitten, heiliger Petrus.“ Petrus zieht seine buschigen Augenbrauen hoch und mustert sein Gegenüber mit fragendem Blick: „In unserem Himmelreich – du, Johannes?“ – „Ja . . ., ehm, ich dachte . . , nach mehr als 25 Jahren Dienst . . .“ Petrus schlägt die Beine übereinander und ordnet seinen silbernen Faltenrock.

„Weisst du denn nicht, welches die Bedingungen für eine Aufnahme bei uns sind?“ Der Papst schaut Petrus fragend an, und dieser fährt fort: „Neben harter Arbeit während des Erdenlebens, die du ja geleistet hast, ist für ein Aufnahmegesuch in erster Linie Bescheidenheit – äusserste Bescheidenheit und Zurückhaltung in allen irdischen Belangen – erforderlich. Und da hapert es bei dir bedenklich, lieber Johannes . . .“„Aber . . . Ich verstehe nicht ganz“, murmelt der Papst und ergreift verlegen sein Glas mit Paradiesnektar, ohne indessen daraus zu trinken. Petrus schüttelt den Kopf, wobei sein weisser Bart vorwurfsvoll hin und her wallt. „Du hast ein sehr kurzes Gedächtnis, Johannes! Hast du denn all diese Porträts von dir vergessen, diese Konterfeis auf Kalendern, Tellern, Medaillons, Schlüsselanhängern, ja sogar auf Rosenkränzen und Postkarten, wo du als leidender Papst dargestellt bist – ganz zu schweigen von der CD mit deinen“ – hier lächelt Petrus nachsichtig, sogar etwas amüsiert – „mit deinen Pop-Gesängen? Hast du das alles schon vergessen?“

Der Papst senkt den Kopf und zuckt mit den Schultern: „Ich habe das doch nur zugelassen als dein Stellvertreter auf Erden, um für dich und deine Kirche zu werben . . . Du weisst ja, heiliger Petrus, PR ist heute das A und das O, wenn ein Unternehmen den Erfolg anstrebt.“ – „Ja, leider . . . Auf der Erde ist das so, aber wir und unsere heilige Kirche, wir müssen himmlische Ziele anstreben. Und das geht nicht mit irdischen PR-Aktionen, mein lieber Johannes. Vor allem geht das nicht mit dem Vermarkten von allem Möglichen und Unmöglichen . . . Zum Beispiel mit dem Vermarkten des Sterbens und des Todes. Da bist du entschieden zu weit gegangen. Dieses Brimborium auf dem Petersplatz – dazu noch dem Platz, der meinen Namen trägt! – und das Tohuwabohu in der ganzen heiligen Stadt Rom, das war mehr als zu viel, Johannes. Das war unschicklich und geschmacklos. Mit solchen Werbegags möchte ich meine Stellvertretung auf der Erde nicht besudelt wissen.“

Petrus steht auf und streckt dem Papst die Rechte entgegen. „Ich gebe dir nochmals eine Chance. Gehe hin zurück auf die Erde und lebe ein Menschenleben lang bescheiden und zurückgezogen, wo immer du willst. Meinetwegen in einem Drittwelt-Slum oder in einem Kloster, aber völlig inkognito, hart arbeitend ohne äussere Belohnung, ohne Ruhm, ohne Karriere und ohne Erfolg. Dein richtiger Name sei keinem Menschen bekannt, zumindest nicht dein Papstname. Wenn du das fertigbringst, kannst du dich nach deinem irdischen Tod nochmals bei mir melden, und wir werden dann sehen . . .“.

Mühsam erhebt sich der Papst von seinem Wolkenstuhl und verabschiedet sich vom Leiter des himmlischen Reichs. „Und reisen, darf ich in meinem zweiten Leben auf Erden wenigstens reisen, heiliger Petrus?“ fragt er, schon draussen vor dem noch offenen Portal stehend. „Reisen? Wozu willst du denn reisen?“ – „Ach weisst du, es ist so schön, wenn die Zurückbleibenden mir dann, meinen Mut bewundernd, respektvoll nachwinken . . . “

Da geschah ein lauter Donnerschlag, und Papst Johannes Paul II. fand sich in seiner Todesgruft wieder. Er ruhe sanft . . .

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