Textatelier
BLOG vom: 18.04.2005

Die McDonaldisierung frisst Kulturen und Naturwerte auf

Autor: Walter Hess

Der vom amerikanischen Soziologen Georg Ritzer geprägte Begriff „McDonaldisierung der Gesellschaft“ (Buchtitel) weist an einem allgemein bekannten Phänomen – den Schnellimbissbuden amerikanischer Prägung – auf ein fundamentales Grundsatzproblem hin. In diesem einschränkenden Wort McDonaldisierung, das sich auf eine einzelne Restaurantkette bezieht, liegt die Gefahr, dass man den Eindruck erhalten könnte, es gehe dabei einzig und allein um den rationalisierten, standardisierten und massentauglichen US-Frass, wie er über die gesamte Erde verbreitet wurde. Das war nicht im Sinne Ritzers. Denn das Weltunternehmen McDonald’s wurde von ihm nur als Sinnbild für den weltweiten Kulturzerfall nach dem Vorbild des vor allem via Hollywood und von der Musikindustrie singend verherrlichten und verkündeten US-amerikanischen Lebensstils, der mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat, verwendet. Selbstredend entspricht die Alltagspraxis den Klischees vom Leben in Reichtum, Freiheit und Unabhängigkeit keineswegs, ja sie läuft solchen Idealen geradezu zuwider.

Das Schlagwort McDonaldisierung betrifft somit nicht nur die Banalisierung der Ernährung, die einst etwas mit Kultur, Stil und Lust zu tun hatte und nun zu einer blossen primitiven Abfütterung zu werden droht, sondern auch den Wandel in allen anderen Lebensäusserungen. Er bezieht auch alle Aspekte von Ökonomie, Ökologie und Soziologie ein. Das heisst im Klartext, dass der Kulturzerfall insgesamt damit gemeint ist.

Die USA spielten sich zur 1. Welt auf und gelten heute als Führungsmacht, und nach dem Zerfall der 2. (kommunistischen) Welt gehört der gesamte Rest zur 3. Welt, mehr oder weniger materieller Wohlstand hin oder her. Die Umgebung der arroganten Zentrale USA ist zur Bedeutungslosigkeit verkommen oder sie dient noch als Applaudierkulisse und als Konsumentin der massentauglichen vorfabrizierten Einheitskost und -kultur oder aber als Reparaturgewerbe, das die von den USA angerichteten Schäden auf eigene Kosten zu mildern hat. Und der jämmerliche Rest benimmt sich denn auch entsprechend unterwürfig. Mir ist absolut unverständlich, wie denkende Menschen so etwas hinnehmen, sich gängelnd führen lassen und sich von regionalen Spezialitäten und Eigenarten verabschieden können. Oder denken sie vielleicht gar nicht mehr?

Der grosse Überbau über diesem Geschehen ist die Globalisierung unter US-Führung, welche die wirtschaftlichen Produktionen, die landwirtschaftlichen inklusive, den Handel, den Konsum, das Denken der Menschen und damit die gesamten Verhaltensweisen umfasst. Wenn es stimmt, dass George W. Bush, der derzeitige Globalisierungspräsident, am 22. Juni 2001 gesagt hat: „Ich will, dass Amerika die ganze Welt ernährt“, dann sind damit nicht nur Hamburger, sondern eben auch andere Güter und die geistige Nahrung gemeint. Es tauchen Tag für Tag Erscheinungen am Horizont auf, die unmissverständlich auf diesen Vorgang hinweisen. Das wäre an sich bereits erschreckend genug. Doch noch viel erschreckender ist laut meiner Beurteilung der Umstand, dass die ganze Welt auf diesen sich über Jahrzehnte schleichend voranstrebenden Prozess in blödsinniger Gedankenlosigkeit hereinfällt und ihn unterstützend nachvollzieht. Es gibt zwar noch ein paar letzte kritische Denker und Mahner, einige wenige kritische Medien und einige vereinzelte Politiker, die nicht mitmachen; doch sie gelten als die unangepassten Aussenseiter, denen eher Verachtung als Aufmerksamkeit zuteil wird, Aspekte eines Massenphänomens nach Jahrzehnten der Indoktrinationen. Das Niederwalzen von individuellen Äusserungen und Verhaltensweisen dauert fort.

Wie der Welt die Gentechnik aufgezwungen wird

Soeben hat ein Bekannter von mir, H. B., eine von Bernd P. Gantner aus Deutschland verbreitete E-Mail an mich weitergeleitet, mit der ein Text von der Homepage http://www.genug-wto.de/index.php bekannt gemacht wurde. Der Begleittext von H. B.: „Vielleicht kennst Du schon die herannahende Sauerei.“ Und ob! Ich habe schon mehrmals darüber Kommentare publiziert.

Im erwähnten Text, wie er im Internet erfreulicherweise verbreitet wird, ist Folgendes zu lesen: „Mitte Mai 2003 reichten die USA, Kanada und Argentinien bei der Welthandelsorganisation (WTO) eine Beschwerde gegen den Zulassungsstopp der EU für genetisch veränderte Organismen (GVO) ein. Dieses Moratorium sei wissenschaftlich nicht begründet und schränke die Exportmöglichkeiten US-amerikanischer Bauern nach Europa ein. Deshalb stelle es ein nicht mit WTO-Regeln zu vereinbarendes Handelshemmnis dar.

Gibt die WTO nun der Klage der USA, von Kanada und Argentinien statt, so muss die EU ihre Gentechnik-Politik ändern, um Strafzahlungen in Milliardenhöhe abzuwenden. Ungeachtet dem Schutz von Umwelt und Gesundheit und entgegen den Bestimmungen eines internationalen Umweltschutzabkommens – des UN-Biosafety-Protokolls! Wir sagen daher: Die WTO ist zu mächtig! 

Doch nicht nur das Gentechnik-Regime der EU steht auf dem Prüfstand, denn Entscheidungen der WTO sind Präzedenzfälle. Wenn sich die Linie der USA durchsetzt, geraten daher Länder weltweit unter Druck, ihre Gentechnik-Regulierung an WTO-Regeln anzupassen.“ 

Wirtschaftssupermacht WTO

Soweit das Zitat, das seit Jahren feststellbare Abläufe richtig zusammenfasst. Die wirtschaftliche Allmacht, die unser Konsumieren und damit unseren Lebensstil beeinflusst und rücksichtslos mit der Natur als unserer Lebensgrundlage umgeht, ist tatsächlich die erwähnte WTO, dieser mit einem mehrschneidigen Schwert bewaffnete weltumspannende Arm der offiziellen US-Interessen. Der Schweizer Haudegen Jean Ziegler, Uno-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, machte dieser Institution vor allem den Vorwurf, dass es sie gibt. Fürwahr, das ist das Schlimme daran.

Die WTO als Wirtschaftssupermacht ist es, welche die globalen Wirtschaftsregeln für das laufende 21. Jahrhundert schreibt. Schon der ehemalige US-Präsident Bill Clinton hatte das im Interesse der Weltmacht USA so gefordert. Weil das alles, wie gehabt, aus dem amerikanischen Streben nach Macht und Gewinn heraus geschieht, lassen sich die Resultate der Umtriebe dieses WTO-Monsters leicht abschätzen: Vergrösserung der internationalen und sozialen Spannungen, ständige Handelskriege, Verhärtung der Strafen gegen Unbeugsame, Sammelklagen und Kriegsführung als Geschäft zur Wirtschaftsbelebung, Terrorismus, Auflösung von Traditionsunternehmen, Zerfall von klein- und grossräumigen Kulturen, Niederhaltung der armen Länder, Fortgang der Naturzerstörungen und vollständige Abschaffung demokratischer Einflussnahmen im Staatenbund. Globalisierungskritiker wie der Amerikaner Kevin Danaher stellten fest: „Die WTO ist für die Konzerne und gegen die Umwelt.“ 

Der Lohn für uns, das Fussvolk: Überall gibts neue Filialen von Kentucky Fried Chicken und McDonald’s. Und immer mehr Hollywood über alle Kanäle. Und US-Pop. Und das Schweizer Fernsehen übernimmt scheints die „US-Kultserie“ über Hausfrauen, um dem dortigen medialen Schaffen einmal mehr die Referenz zu erweisen. Die amerikanische Sprache wird zwangsläufig zum Standard, weil Amerikaner in der Regel kaum in der Lage sind, eine weitere Sprache zu erlernen, wozu auch die vernachlässigte Bildung beiträgt.

Wer all diese Zumutungen nicht über sich ergehen lassen will, ist kriminell und wird mit hohen Strafen belegt. Wenn in den USA zum Beispiel die Produktion von Fleisch, das mit Hilfe von Hormonen schnell und in grossen Mengen produziert wird, als wirtschaftlich sinnvoll betrachtet wird, wird es der ganzen Welt aufgezwungen. Ein Land, das es zum Schutz der Bevölkerung – damit nicht auch die Menschen zu Fleischlawinen werden – verbietet, verstösst gegen den Freihandel. Die Strafe folgt auf dem Fusse. Dieser Freihandel ist somit nicht einfach ein Freihandel, sondern ein Zwangshandel. Über dieses Zwangsmittel ist es auch möglich, gentechnisch veränderte Nahrungsmittel von Monsantos und Syngentas Gnaden durchzusetzen, auch wenn kein Mensch nach solchen gerufen hat und viele einsichtige Leute vor den damit verbundenen Gefahren warnen − vor Krankheiten und vor der biologischen Verschmutzung. Auch andere umwelt- und gesundheitsschädigende Produkte können so verbreitet werden.

Kontrapunkte zur Einheitswelt sind dringend nötig

 

In meinem neuen Buch „Kontrapunkte zur Einheitswelt“ aus der Verlag Textatelier.com GmbH, das soeben auf den Markt kommt, habe ich die Folgen der ausser Rand und Band geratenen Neoliberalisierung breit aufgefächert. Darin wird auch dargelegt, dass diese selbstverständlich nichts mehr mit Freiheit, wie dies ihr Name suggeriert, zu tun hat; das Gegenteil ist der Fall. Die Regulierungskräfte, die sich nicht nur auf den Markt beziehen dürfen, sondern auch die Politik, die ökologischen und sozialen Gegebenheiten umfassen sollten, sind ausgeschaltet. Dies geschieht immer im Interesse von mächtigen Grosskonzernen von US-Zuschnitt, die sich der Staatlichkeit und der Rechtsstaatlichkeit zum Beispiel durch eine Hauptsitzverlegung zu entziehen vermögen und/oder auch alle anderen Bedingungen diktieren.

 

Das kann auf Dauer schon aus ökologischen Gründen nicht funktionieren; denn auch die Wirtschaft muss sich naturverträglich verhalten; auch sie kann sich den Regulierungskräften nicht auf alle Zeiten widersetzen. Zudem wird der Wettbewerb über Fusionen zum Verdrängungs- und bald einmal zum Vernichtungskampf, der Wirtschaftsruinen und Arbeitslose en masse produziert. Soziale Unruhen sind die Folge. Die Krisenmanager und Insolvenzverwalter haben Hochkonjunktur. Sie sind zusammen mit den Bewachungsunternehmen, Polizeitruppen, Rüstungsindustrien bald noch die einzigen, deren Geschäfte blühen.

 

Das sind die Folgen der McDonaldisierung – ein totalitäres System, das es in diesem globalen Ausmass in der Geschichte noch nie gegeben hat. Nicht nur Bürger, sondern auch Staaten sind unterworfen. Von dieser US-Nahrung möchte ich nicht noch mehr essen müssen. Sie ist ausserordentlich ungesund und gefährlich obendrein.

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