Indianische Pflanzen, die sich mir in Zürich offenbaren
Autorin: Rita Lorenzetti
„Botanica Indiana im Botanischen Garten von Zürich“: Für diese Ausstellung wirbt ein geschmackvolles Plakat. Mit Hinweisen auf indianische Pflanzenwelten. Die getrockneten Pflanzenäste, die in der kultischen Tischplatte stecken, wirken auf mich wie Antennen. Ich meine sogar, Räucherdüfte wahrzunehmen. Die Werbung funktioniert. Ich fühle mich angesprochen.
Als Stadtbewohnerin mache ich eine wichtige Erfahrung. Ich besuche eine Ausstellung und erwarte indianische Heilpflanzen, die blühen – und finde sie nicht. Wegen der bis anhin eher kühlen Witterung könnten südamerikanische Pflanzen erst jetzt ins Freie versetzt werden, sagt mir eine Gärtnerin. Darum sehe ich jetzt hauptsächlich Grün. Ich bin keine Botanikerin, erkenne Pflanzen nicht an ihren Blättern oder Stängeln.
Wenn ich in der Stadt eine Ausstellung besuche, kann ich meist alles vorfinden, worauf in einer Einladung oder in einem Prospekt hingewiesen wird. Beschämt stelle ich nun fest, dass Pflanzen doch ihren eigenen Gesetzmässigkeiten folgen müssen und sich nicht nach Kalendern von Menschen richten. Ich bin zu früh gekommen, aber nicht zu früh für einen Rundgang in diesem schönen Gelände mit seinen Beeten, Wegen, Sümpfen, Steinplätzen und bestandenen Bäumen. Ich kann viele herausragende Informationen zu indianischen Heilpflanzen lesen, doch bleibt wenig haften. Ich spüre, die Pflanzen müssen sich mir selber offenbaren. Worte sind zwar wichtige Hinweise, aber nicht die Hauptsache. Das heisst, dass ich mehrmals zurückkommen soll.
Es ist still. Ich bin allein da. Es ist noch früh, erst halb 8 Uhr. So lasse ich jetzt einfach den Morgen auf mich wirken. Und ich werde aufmerksam auf die aus Ostafrika stammenden Kapkörbchen. Sie stehen in Gruppen, einige aber auch verstreut und allein auf weiter Flur. Und alle bieten der Sonne Richtung Osten ihre offenen Kelche dar. Wie Parabolantennen sind sie auf eine ferne Welt ausgerichtet und offenbar mit ihr im Austausch. Was vermitteln sie und was empfangen sie? Teilen sie dem Universum vielleicht etwas über uns Menschen mit? Das wüsste ich gern. Als ich einige Tage später wieder hierher komme, ist es Nachmittag und die Kapkörbchen schauen nach Süd-Westen. Sie folgen der Sonne.
Beim Garten-Ausgang Richtung Hegibachplatz ist eine Auflistung vieler Krankheiten und, zu ihnen gehörend, die Namen indianischer Heilpflanzen zu sehen. Ich staune über die Fülle. Ich wunderte mich schon vorher über einen Hinweis beim Stachelmohn. Mit ihm linderten oder heilten die Mayas die Migräne. Ist sie demzufolge keine Zivilisationskrankheit der gehetzten europäischen Moderne?
Die Auflistung zeigt mir, dass Krankheiten in allen Erdteilen auftauchen, dass Menschen Lebewesen mit Stärken und Schwächen sind. Ihre Gesundheit ist nichts Statisches, sondern labil. Sie braucht unsere Sorge und das Bemühen um Balance. Heilpflanzen wollen uns dabei unterstützen. Erfreulich der Hinweis aus dem Leseheft dieser Ausstellung: „Viele überlieferte Äusserungen von Indianern wurden früher von Ärzten und Botanikern als Aberglaube und Zauberei abgewertet. Je tiefer die Forscher jedoch in die verborgenen Zusammenhänge auf allen Wissensgebieten Einblick erhielten, desto mehr Sinn bekamen zu ihrer Verblüffung die indianischen Erkenntnisse.“ Endlich!
Diese Ausstellung mit den Themen Heilpflanzen, Färbepflanzen, Kultpflanzen, Nahrungspflanzen, dauert bis Ende Oktober 2005. Es gibt viel zu entdecken. Siehe auch Themenprogramme unter „Agenda“ und weitere Teile des Gemeinschaftsprojektes in der „Sukkulenten-Sammlung“ und im „Nordamerika Native Museum“.
Ergänzend ist ein schönes, so genanntes Leseheft erschienen. Zu beziehen im Café des Botanischen Gartens. Dieses und auch die Gewächshäuser sind jeweils ab 9 Uhr offen.
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