Überschäumendes Volkstum in Aarau: Jodeln und Jauchzen
Autor: Walter Hess
Die bäuerliche Kultur wird vertrieben, angloamerikanischer Pop füllt und verstopft alle Kanäle – und dann dies: das Eidgenössische Jodlerfest in Aarau mit seinen Fahnenschwingern, Jodlern und Jodelliedern, Alphörnern, Bücheln, seiner Ländler- und Blasmusik, dem Jauchzen, den Trachten – archaische Aufbrüche traditioneller lokaler und regionaler Kultur in ihrer ganzen Vielfalt und Anmut. Tausende von Mitwirkenden, auch aus dem fernen Ausland, inklusive eine perfekt jodelnde Japanerin, Hunderttausende von begeisterten Zuschauern – man glaubt es kaum! Ein Umzug, der nicht enden wollte, der den heutigen Sonntagnachmittag füllte – und dies bei aller Schollenverbundenheit weltoffen, gelöst, fröhlich.
Aarau an diesem Wochenende: Eine farbige Riesenansammlung von Menschen, die gegen den Kulturzerfall resistent zu sein scheinen und gerettet haben, was noch zu retten war, bis hin zu Kleidern aus Leinen, zu einer Radfahrereinheit, Dragonern und den Dreschschlägeln. Selbst die Familie von Wilhelm Tell war dabei; die stattliche Armbrust, die der grossgewachsene breitschultrige Freiheitsheld mit sich trug, rief in Erinnerung, dass fremde Vögte in Helvetien seit je einen schweren Stand hatten. Ein eigenwilliges, kraftvolles Völklein, bei jeder Gelegenheit zum Tanzen aufgelegt, aber nicht nach fremden Pfeifen.
Und bei alledem war es ein stilles Fest – nicht die Lautsprecher waren die dominante Grösse, sondern die menschliche Stimme, die archaischen Instrumente, die historischen Attribute. Es war eine Feier rund um das Echte wie einen Glarner Schabziger oder ein Glas Süssmost, und dazu gehörten auch die Rossbollen (Pferdemist), die hinter den von Pferden gezogenen Wagen zurückblieben und gleich eingesammelt wurden: Ein Beweis von Lebensfreude, die dieses Ungekünstelte umgibt und adelt.
Wir sollten mehr juchzen (jauchzen) und jodeln, ob uns nun der Wechsel von Brust- und Kopfstimme gelingt oder nicht, und uns vermehrt dem Währschaften, Soliden zuwenden. Das Aarauer Jodlerfest hat uns diese schöne Aufforderung hinterlassen. Wir brauchten täglich ein Jodlerfest als Grund für einen befreienden Freudenruf.
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