Textatelier
BLOG vom: 18.07.2005

Kampfesser-Weltrekordversuch: Futterorgie mit Hotdogs

Autor: Heinz Scholz

Nachdem meine Frau Paula in der „Badischen Zeitung“ am 7. Juli 2005 den Bericht „König der Hotdog-Mampfer“ gelesen hatte, zeigte sie mir das Bild von den 3 besten Wettkampfessern und sagte: „Rate mal, wer gewonnen hat?“ Ich sah mir das Bild an und tippte auf den vielleicht 150 kg schweren Amerikaner mit der T-Shirt-Aufschrift „Hungry & Focused“ (das heisst „hungrig und konzentriert“, im Sinne von „ohne Ablenkung aufs Thema fokussiert“, wohl aufs Thema Essen); die anderen abgebildeten Esser waren dagegen von schmächtiger Statur.

Ich lag jedoch falsch mit meiner Vermutung. Der Sieger mit der T-Shirt-Aufschrift „Eat all that you can“ (Iss alles, was du kannst, oder: soviel du kannst) war nämlich der schmächtige Japaner, der die schwergewichtige Konkurrenz aus den Staaten im Hotdog-Verschlingen um Weiten schlug. Er vertilgte bei der Weltmeisterschaft innerhalb von nur 12 Minuten 49 „Frankfurter“ plus die matschigen Brötchen. Takeru Kobayashi, so hiess der König der Kampfesser, ist kein Unbekannter. Der 27-Jährige aus Nagano siegte bereits zum 5. Mal in Folge. Seine Höchstleistung von 53,5 Hotdogs erreichte er diesmal jedoch nicht. Zweitplatzierte war eine zierliche Amerikanerin, die bloss 37 dieser Wurstbrötchen verschlang. Den 3. Platz belegte der besagte Koloss aus den USA.

Der Sieger, den sie in der Heimat „Tsunami“ nennen (nach den alles verschlingenden Killerwellen), betrachtet sich als ernsthaften Athleten. Er muss schliesslich das Wettkampfessen trainieren. Er verdient pro Jahr mit seinen Aktionen bis zu 200 000 USD.

Für die Zuschauer war das Wettkampfessen kein schöner, kein erfreulicher Anblick. Das heisst, es dürfte so manchem der Appetit vergangen sein, denn die Beteiligten würgten die Kost gegen Schluss nur mit Mühe hinunter und jeder glaubte, sie müssten sich gleich übergeben ...

Im Fernsehen, das gerade wieder einmal sein hohes Niveau unter Beweis stellte, habe ich früher einmal ein Spaghetti-Wettfressen sehen können. Da wurde geschmatzt, gewürgt, geschlürft, und alle hatten verschmierte Gesichter. Wirklich kein erbauendes Bild, auch hier! Ich dachte mir damals: Die lieblichen Grunzschweinchen in den Ställen essen normaler und sind sauberer!

„Japaner lieben solch seltsame Wettkämpfe, und Nippons Fernsehgesellschaften veranstalten regelmässig Futter-Orgien, bei denen sich die Teilnehmer öffentlich bis zum Umfallen voll stopfen“, schrieb die Korrespondentin Angela Köhler mit Sachverstand und Einfühlungsvermögen fürs Kulturelle.

Vielfrasse gibt es nicht nur im entfernten Nippon oder den unersättlichen USA, sondern auch bei uns. Anlässlich einer Veranstaltung bei meiner ehemaligen Arbeitgeberfirma, der Ciba-Geigy (heute Novartis) in Wehr D, traten 2 Kandidaten zum Wettessen an (nicht offiziell zwar, sondern die beiden sassen an meinem Tisch und lieferten sich einen privaten Wettkampf). Der eine verdrückte 5 oder 6 mit Wurst belegte Brötchen. Der andere wollte nicht zurückstehen und ihm zeigen, dass man sich noch grössere Mengen einverleiben kann. Letztendlich verdrückte er 7 oder 8 Brötchen.

Der unterlegene Kandidat hatte schon früher einen Ruf als guter Esser (heute, im gesetzteren Alter, gibt er sich mit normalen Portionen zufrieden). Eine Anekdote über diesen Schlemmer, die ich seinerzeit in meine Sammlung aufgenommen habe, möchte ich den verehrten Leserinnen und Lesern nicht vorenthalten. Hier ist sie:

Einmal frass der Vielesser mit einem anderen um die Wette. Sieger wurde derjenige, der die meisten Klöpfer (Cervelats) innerhalb kurzer Zeit verdrücken konnte. Natürlich gewann der ehemalige Kandidat der genannten Pharmafirma. Er überrundete seinen Widersacher, indem er etwa 15 Klöpfer verspeiste. Aus den beiden letzten Würstchen wurde noch ein Wurstsalat gezaubert, den er anschliessend genussvoll aufass. Zu Hause machte er sich immer über die Essensreste her, die seine beiden Söhne übrig gelassen hatten. Als einmal Verwandte zu Besuch waren und der Vater wieder seinen grossen Appetit demonstrierte, störte sein jüngerer Sohnemann die allgemeine Schmatzerei mit folgenden eindrucksvollen Worten: „Wenn wir unseren Pa nicht hätten, müssten wir uns eine Sau anschaffen.“

Der Vorteil eines Vielfrasses und Resteverwerters in der Familie: Man spart sich die Biotonne.

Fazit: Ich finde die geschilderten Wettkampfessen unmoralisch und menschenunwürdig. Die Milliarden von Hungernden dieser Welt würden nur den Kopf schütteln vor soviel sinnloser Nahrungsverschwendung und Dummheit der „zivilisierten“ Menschen, wenn sie die westlichen Fernsehprogramme sehen könnten. Die Armen dieser Welt wären froh, wenn sie 50 bis 100 g Reis pro Tag bekämen – und sie liefern sich keine Wettkämpfe im Hungern ...

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