Reaktionen auf Blogs (12): Streben nach Erkenntnissen
Präsentation der Leserpost: Walter Hess
In den letzten Tagen sind zu älteren und neueren Blogs erfreulicherweise vor allem Kommentare mit philosophischem Charakter eingetroffen. So schrieb Carlo Philippe, E-Mail: philippecarlo@yahoo.de, zu Lislott Pfaffs Blog „Die Auferstehung ist die Leiche im Keller der Kirche“ vom 26. März 2005, das sich auf ein Radio-Gespräch (DRS2) mit dem Theologen Gerd Lüdemann bezogen hat:
„Ich bin zurzeit in der Ausbildung am Katechetischen Institut in Luxemburg. Die Aussagen und Ansichten von Herrn Lüdemann haben mich sehr überrascht, sind andererseits aber nicht so neu. Trotzdem komme ich als reflektierter und engagierter Christ und angehender Theologe nicht umhin, mir die Frage zu stellen, wie Herr Lüdemann die Bibel liest. Auch mit einer noch so analytischen und kritischen Brille gelesen, muss ich doch zu einem gewissen Zeitpunkt meiner Lektüre der Evangelien mir die Frage stellen, was dieser Jesus letztlich für mich bedeutet. Dass ich die Auferstehung Jesu nicht real und historisch beweisen kann, ist mir klar. Allerdings ist Glaube auch für mich sinnlos, wenn er nicht wirklich leben würde. Und dass er lebt, ‚beweist’ mir einfach meine eigene Biographie. Sie beinhaltet zu viele entscheidende Momente, wo nicht mehr ich agieren konnte und ich doch auf meinen jetzigen Lebensweg und Berufung gebracht wurde. Denn die Menschen sperrten mir die Türen zu, Christus öffnete sie mir wieder.
Irgendwo ist man auch mit dem Zufall am Ende. Bei mir ist es so. Dann muss ich als denkfähiger Mensch zum logischen Schluss kommen, dass über mir (und schliesslich in mir) eine liebende Macht waltet, welche mich zum Heil führen will. Gerade Gen. 37−50 zeigt schon sehr früh in der Bibel, wie der Mensch denkt und Gott lenkt, indem der immer die Freiheit des Menschen respektiert. Weil auch er ein Wesen in voller Freiheit ist. Und dass Gott in seiner übergrossen Liebe zum Menschen seinen eigenen Sohn sandte, der litt und starb und auferstand, damit wir wieder heil und frei werden können und es auch werden, kann mich als Mensch nicht gleichgültig lassen. In diesem Sinne lese ich die Bibel. Denn die Gotteshinweise in meinem Leben und dann auch in der Bibel sind zu erdrückend, als dass ich sie noch leugnen könnte.“
Zum gleichen Blog äusserte sich auch Claus-Stephan Merl, E-Mail: claus-stephan.merl@gmx.de:
„Ich denke, Lüdemann ist − ausgehend von seinem ‚framework’ − konsequent. Aber er ‚kennt’ Jesus Christus offensichtlich nicht. Und damit kann er keinen persönlichen Bezug zur Bibel und zur Botschaft des Neuen Testaments NT entwickeln.
Schade.“
Wenn einer aus dem Rahmen tritt
Ein Frame Work ist ein Gerippe, ein Rahmen. In solche Rahmen ist jedermann eingebunden. Wer den Rahmen sprengt und über den Hag des Landesüblichen frisst, wie das der Schweizer SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli bei der Abkanzelung von Bundesrat Samuel Schmid getan hat, erhält die Quittung postwendend; Schmid gehört übrigens ebenfalls der Schweizerischen Volkspartei SVP an. Das Blog „Grosse Aufregung in der Schweiz: Mörgeli-Sörgeli“ vom 10. Juni 2005 hat sich mit dem Medienrummel um diesen etwas gewagten Mörgeli-Satz befasst: „Wäre der Charakter ein lebenswichtiges Organ, man müsste Schmid künstlich am Leben erhalten – eingebettet ist er ja schon.“
Linard Müller (E-Mail: linard.muller@bluemail.ch) gefiel unsere Art der Verbloggung dieser nationalen Aufregung. Er schrieb:
„Toll und prägnant geschrieben!! Gratulation!
Was noch interessant wäre, ist der Feedback der Leser in Form eines Abstimmungsprofils, wie es heute einige Zeitungen machen, als Balkendiagramm.“
Die Idee ist gut; doch müssten dann schon einige Dutzend Reaktionen eingeholt werden, damit die Sache einigermassen repräsentativ würde. Ich selber traue nicht einmal mehr der Tragfähigkeit von Balken, wie sie in den Diagrammen vorkommen, die mit der geeigneten Computer-Software spielend leicht zu erzeugen sind. Denn sie gehören ja in den Bereich der Statistiken, die leicht zu verbiegen sind. Die Einsturzgefahr ist gross.
Erinnerung an Willi Lierath
Besonders beeindruckt hat im Blogatelier die unerwartet eingetroffene Reaktion von Nando Lierath aus Leipzig (E-Mail: NandoLierath@web.de) zum Blog „In memoriam Willi Lierath, Biologe in Bad Gandersheim D“ vom 9. Juni 2005:
„Mit grosser Dankbarkeit und Zustimmung las ich den Nachruf von Walter Hess, der anlässlich des Ablebens meines Grossonkels, Willi Lierath, verfasst wurde. Willi Lierath war mein Grossonkel väterlicherseits. Ich kannte ihn eigentlich nur vom Telefon. Gesehen haben wir uns leider nur ein einziges Mal, nachdem die Wirren der Wende überwunden waren und meine Familie den Kontakt zu ihren westdeutschen Verwandten vertiefen konnte.
Wenngleich unsere verwandtschaftliche Beziehung weitestgehend nur über das Telefon gepflegt werden konnte, kann ich doch sagen, dass ich nur selten einen so lieben Menschen kennen gelernt habe. Er war ein höflicher, unaufdringlicher und stets vielseitig interessierter Mann, der seine Ohren nicht nur im Fachbereich Biologie / Ornithologie zu spitzen vermochte. Seine Hilfsbereitschaft war enorm. So zum Beispiel bat ich ihn vor einigen Jahren um seine Hilfe zur Vorbereitung eines Schulreferates über den Vogelzug. Nur wenige Tage später lagen einige spektakuläre Bilder und ein vollständig ausgearbeiteter Vortrag, der dieses Phänomen, wie Willi Lierath es nannte, ausführlich beschrieb, in meinem Briefkasten. Meine gute Benotung damals hatte ich meinem Grossonkel zu verdanken, und erinnere mich noch heute als Student mit grosser Freude daran.
Der Tod von Willi Lierath hinterlässt nicht nur fachlich eine Lücke, sondern auch im menschlichen Sinne. Wir, die wir mit ihm zu tun hatten, müssen dafür dankbar sein, ihn gekannt haben zu dürfen. Das stolze Alter von Willi Lierath, sein bis zuletzt waches Interesse für die Natur und sein grosses wissenschaftliches Erbe sollten uns allen Trost sein.“
Soweit die Zuschrift. Das ist treffend gesagt; ich habe Herrn Lierath genau gleich erlebt.
Gedankliche Durchdringung der facettenreichen Welt
Reaktionen sind der Lohn der Blogger, ob sie kritisch oder zustimmend sind. Kontakte zur Leserschaft sind wertvoll, und wir möchten alle Nutzerinnen und Nutzer ausdrücklich ermuntern, sich frei zu äussern – das Blog mit den nächsten Reaktionen kommt bestimmt. Schon kurze Sätze sind wertvoll, wie jener des Historikers Markus Widmer-Dean, Verfasser der Bibersteiner Ortsgeschichte, der aus dem „schwül dampfenden“ CH-5737 Menziken zum Blog „Biberst-einst und jetzt: Relikte, Kuriositäten und Rätselformen“ schrieb:
„Respekt und Anerkennung für die Vielseitigkeit und gedankliche Durchdringung dieser Welt in all ihren Facetten.“
Der Satz trifft nach meiner Überzeugung vor allem auf die Tagebuchautorinnen und -autoren zu, mit denen ich zusammenarbeiten darf. Und es ist erwiesen, dass wir auch die dazu passende, stets wachsende Leserschaft gefunden haben. Sie hat alle Möglichkeiten, aus Monologen Dialoge zu machen.
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