Textatelier
BLOG vom: 02.05.2009

Schreckenstat auf Neuenfels: Rittergeschlecht ausgelöscht

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
1540 ereignete sich etwas Schreckliches auf Burg Neuenfels (596 m. ü. M.) bei Britzingen im Markgräflerland D. Damals residierte Christoph von Neuenfels mit seiner Familie und seinem Gesinde auf dieser Burg. Zu jener Zeit wurde, so wird erzählt, immer eine gut dressierte Dogge mit einem Korb im Maul nach Britzingen geschickt, um Fleischwaren abzuholen. Als der Hund mehrere Tage ausblieb, ahnten die Ortsbewohner Schlimmes. Eine Abordnung begab sich dann aufs Schloss und fand den Hund, die Diener sowie auch die Herrschaft erschlagen vor.
 
Im „Lagebuch“ des Britzinger Vogts Peter Kaltenbach von 1635 und auch auf der Tafel an der heutigen Ruine ist Folgendes zu lesen: „Ungefähr da man zählet 1540 ist Christoph von Neuenfels mit seiner Hausfrau, einer Tochter, zwo Mägden und übrigem Gesinde zusammen 8 Personen, bei Nacht im Schloss Neuenfels jämmerlich ermordet, und erst am 3. Tag gefunden worden. Sie sind in Britzingen begraben. Man hat niemals erfahren, durch wen der Mord geschehen, seither ist das Haus nicht mehr bewohnt worden, sondern ein Stück nach dem anderen eingefallen und abgegangen, wie es noch vor Augen ist.“
 
Auch kursierte das Gerücht von einem Selbstmord der Burgbewohner. Es waren jedoch noch weitere Geschichten rund um diese Schreckenstat im Umlauf. Der Vorfall dürfte wohl immer ein Geheimnis bleiben.
 
Die bügeleisenförmige Burg wurde übrigens vor 1250 erbaut. Sie war bis in das 16. Jahrhundert Sitz des Rittergeschlechts von Neuenfels. Die Ritter waren Burgvögte in Badenweiler, Gerichtsherren in Auggen und Neuenburg, je einer war Statthalter in Staufen, Landvogt in Rötteln und Abt von St. Trudpert. Die Ritter hatten reichliche Besitztümer in der Umgebung.
 
Aber es kamen Zeiten, die für manche Adelige nicht gut waren. So musste der letzte von Neuenfels, eben der genannte Christoph, 1538 aus Geldmangel seinen Besitz um die Burg (Wälder, Gehurst, Matten) für 400 Goldgulden an Britzingen verkaufen. Die Burg behielt er jedoch als Wohnsitz.
 
Laut einer Anmerkung und Ergänzung unter www.burgtour.de/burgen/burg2_neuenfels-bw.html, die von Michael Duwe stammt, wurde der Wald nicht durch Geldmangel verkauft, sondern der Besitzer wollte sich nach Pruntrut (gehört heute zum Kanton Jura, Schweiz) absetzen. Dort lebte nämlich die Tochter des Ritters und hatte ausreichend Besitztümer. Auch wurde nicht die Ehefrau erschlagen, sondern starb später eines natürlichen Todes in Ebnet.
 
Man muss also immer vorsichtig sein, mit irgendwelchen Behauptungen. Es lohnt sich immer wieder, mehrere Quellen zu studieren.
 
Zur Burg Neuenfels
Warum gerade die Geschichte von Burg Neuenfels? Nun, wir planten schon lange eine Wanderung zu dieser Burgruine. Am 16.03.2009 war es soweit. An einem herrlichen Vorfrühlingstag fuhren wir über Müllheim, Zunzingen und Britzingen nach Muggardt. Unweit des Ortseingangs steuerten wir den Parkplatz an einem Wegdreieck mit einer Linde und Parkbank an. Von hier aus schlenderten wir den Obermattenweg hinauf und kamen zum „Bettlerpfad“. Dann folgten wir der gelben Punktmarkierung/dem schwarzen X in Richtung Schwärze (man kann übrigens bis zum Parkplatz Schwärze fahren und von dort aus zur Ruine gehen). Wir kürzten jedoch ab, liessen die Schwärze rechter Hand liegen und schlenderten in Richtung Burgruine, die wir nach etwa 45 Minuten − vom Ausgangspunkt aus gerechnet − erreichten. Wer hier eine imposante Burgruine erwartet hatte, wurde enttäuscht. Die Ruine bildet ein Rechteck mit hohen 2 bis 2,5 Meter dicken Mauern. Die Westmauer ist mit 2 grossen Fenstern versehen. Eine schon im 19. Jahrhundert angelegte Steintreppe führt zur Aussichtsplattform. Von hier aus hatten wir einen überwältigenden Blick auf das nördliche Markgräflerland mit dem Kastellberg und den Weinorten Ballrechten-Dottingen, Laufen, St. Ilgen, Britzingen und Betberg. Die Sicht war nicht ganz optimal, aber wir konnten in der Ferne die Vogesen ausmachen.
 
Die Burgruine wird heute vom Staatlichen Hochbauamt und der Stadt Müllheim unterhalten.
 
Die alten Rittersleut´
Bevor wir die Burg erreichten, machte ich eine Bemerkung zu den alten Rittern, die bekanntlich ein abenteuerliches Leben genossen hatten. Da stimmten meine Wanderfreunde das Lied „Ja so warn´s die alten Rittersleut´“ von Karl Valentin (1882 bis 1948) an. Eine Strophe blieb mir im Gedächtnis, die so lautet: „Ging ein Ritter mal auf Reisen, legt´ er seine Frau in Eisen. Doch der Knappe Friederich der hatte einen Diederich. Ja so warn´s…“ Alle 46 Strophen sind im Internet mit der Suchmaschine Google aufzufinden (Stichwort: „alte Rittersleut“).
 
Unser Gesang hörte dann aber sofort auf, als wir auf der Tafel die Gräueltat lasen. Da dachte ich mir im Stillen, das Ritterleben sei doch nicht so amüsant gewesen. Die wenigsten erreichen ein langes Leben, da sie militärische Aufgaben erfüllen mussten. Für ihre Dienste an Volk und Vaterland erhielten sie als Belohnung von Kaisern und Königen Landgüter geschenkt.
 
Eine kunstgeschichtliche Kostbarkeit in Sulzburg
Der gut ausgeschilderte Weg führte uns von der Burgruine Neuenfels nach Sulzburg. Wir mussten jedoch an diesem Tag wegen Holzfällerarbeiten einen beschwerlichen Umweg machen. Wir zwängten uns durch Gestrüpp und krochen unter Baumstämmen in gebückter Haltung hindurch einen steilen Abhang hinunter. Zum Glück hatten wir Stöcke dabei, die den Abstieg etwas erleichterten. Ohne Läsionen erreichten wir dann einen bequemen Forstweg, der uns nach Sulzburg führte. Dort stärkten wir uns in der Gaststätte „Zum Torstüble“.
 
Aus Zeitmangel sahen wir uns Sulzburg (www.stadt-sulzburg.de) nicht an. Ich kenne jedoch das schöne Städtchen von früheren Wanderungen. Deshalb nur das Wichtigste über diesen reizvollen Ort: In Sulzburg wurde der Begründer der optischen Werke in Jena, Ernst Leitz (1871 bis 1956), geboren, ferner der Historiker Johannes Daniel Schöpflin (1694 bis 1771) und der 1. jüdische Professor im Deutschen Reich, Gustav Weil (1808 bis 1889).
 
Sulzburg mit seinen 2700 Einwohnern hat viel Sehenswertes zu bieten. Höhepunkt ist der Besuch der ehemaligen Klosterkirche St. Cyriak. Diese ottonische Kirche ist eine der bedeutendsten kunstgeschichtlichen Kostbarkeiten der Region, wie in dem Buch „Kunst, Thermen, Wein“ nachzulesen ist. Der Kirchturm mit dem typischen Satteldach wurde bereits im 11. Jahrhundert errichtet. Er ist somit der älteste erhaltene Kirchturm in Südwestdeutschland. Teile des Balkenholzes sollen von einem im Winter 996 gefällten Baum stammen. In der Kirche sind eine ornamentale Malerei und Reste von Fresken erhalten. Auf einem Wandfresko ist die Läuterung der törichten Jungfrauen abgebildet.
 
Die Kirche erfuhr im Laufe der Zeit etliche Umbauten. 1964 wurde die gründliche Restaurierung von St. Cyriak abgeschlossen. Es wurde der romanische Zustand weitgehend wieder hergestellt. Die dreischiffige Pfeilerbasilika ohne Kapitelle beeindruckt trotz ihrer Schlichtheit.
 
In Sulzburg befindet sich auch das zweitälteste SOS-Kinderdorf (1959 errichtet) von Deutschland.
 
Sulzburg hat auch ein Bergbaumuseum zu bieten. Dieses wurde in der ehemaligen evangelischen Stadtkirche am Marktplatz eingerichtet (Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag von 14:00 bis 17:00 Uhr). Das Städtchen hat ferner einen 5 Kilometer langen bergbaugeschichtlichen Rundwanderweg. Dieser führt durch einen Teil des Sulzbachtals. Früher wurden hier Silber, Blei, Kobalt und Antimon abgebaut, aber auch Salz in 17 Gruben der Umgebung (bis 1830).
 
In Sulzburg ist auch ein jüdischer Friedhof aus dem 16. Jahrhundert zu besichtigen, ebenfalls die Synagoge. Die 1822 im Weinbrennerstil errichtete Synagoge wurde 1939 zerstört und ab 1984 wieder aufgebaut.
 
Wir machten uns nach einem stärkenden Mahl wieder auf den Weg und wanderten nach Muggardt (73 Einwohner) und dann zum Parkplatz zurück. Die Wanderstrecke betrug etwa 12 km. Die reine Wanderzeit belief sich auf etwa 3,5 Stunden. Es war eine schöne, aber anstrengende Wanderung, da wir ja etliche sportliche Sondereinlagen durch Dickicht und unter Baumstämmen hindurch bewältigen mussten. Wir waren jedoch hinterher zufrieden, dass wir ältere Knaben den Hindernislauf geschafft hatten. So mancher junger Stubenhocker wäre hier gnadenlos unterlegen gewesen.
 
Literatur
Hauptmann, Arthur: „Burgen einst und jetzt“ (Burgen und Burgruinen in Südbaden und angrenzenden Gebieten), Verlag Südkurier, Konstanz 1985.
Kluckert, Ehrenfried: „Burgen im Breisgau und im Markgräflerland“, Donzelli-Klucker Verlag, Bremgarten 2000.
Philipp Dorothee u. a.: „Kunst, Thermen, Wein“ (Entdeckungsreisen durch das Markgräflerland), Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg, 3. Auflage 2009.
 
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