Textatelier
BLOG vom: 28.10.2009

„Romps“: Kindergaudium in England von Harry Furniss

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
 
Heute nehme ich Reissaus und verlasse die Gegenwart voller Skandale, Kriege, Schweinegrippe und Hungersnöte und finde Zuflucht in der heilen Kinderwelt „Romps“ von Harry Furniss um 1900, farbig illustriert, sogar doppelseitig. Übrigens war seine Frau Dorothy Furniss ebenfalls eine Kinderbuch-Illustratorin, worunter „Otherland“ voller Kobolde (1907).)
 
Dieses Buch, wiederum ein Zufallsfund, war tadellos erhalten und hat mich sofort bezirzt. In 4 Teile untergliedert, veranschaulichte Harry Furniss den Spass der Kinder in der Stadt, am Meer, während den Ferien und durchs ganze Jahr. Die Verse schrieben Horace Lennard und E.T. Milliken. Die Illustrationen besorgte Edmund Evans, eine berühmte Gravuranstalt.
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Ich lasse den Spass an einem Regentag beginnen: Es regnet! Es regnet! Was sollen wir tun? Regen hin oder her: Wir bleiben trocken im Haus. Wir geben vor, wir hätten Sand im Zimmer. Die Bettstatt und der Koffer werden zu Felsblöcken. Die Badewanne wird zum Boot und der Besen zum Ruder.
 
Insgesamt teilen sich 14 Kinder im Rollenspiel. Drei von ihnen fischen auf dem Felsen vor dem Meer. Schwarz zum Neger gefärbt, singt und spielt einer auf dem Pier und ersetzt das ganze Band; ein gefalteter Regenschirm ist seine Gitarre. Ein Paar mit 2 Puppenkindern döst unterm Sonnenschirm am Strand. Der Fotograph knipst, vom Tuch abgedeckt; der Vorderteil der Stuhllehne ist seine langgestreckte Linse. Wacker rudert der Matrose mit dem Besen im Boot.
 
Sie haben wohl aus der Garderobe und Wäschekommode der Eltern ihre Verkleidung ausgesucht. Diese glückliche Kinderschar in diesem Bühnenbild vereint, hat es viel besser als die Kleinen heute regungslos hinterm Fernseh-Bilderschirm sitzend. Wie sie sich tollen konnten, diese Kinder! Sie spielten keine Rollen – sie  erlebten die Wirklichkeit. Leider bin ich als Erwachsener von solchem Kinderspiel ausgesperrt. Aber die Erinnerungen sind mir geblieben.
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Noch ein Bild: Romps up a tree. Dieses Gaudium, oder vielmehr dieser Bubenstreich, begann gut. Auf der Rundbank bei der mächtigen Eiche lasen 2 Mädchen gewiss in spannende Geschichten vertieft. Hinterrücks, behend und still wie ein Kater kletterte Tom zum ersten Ast hoch und angelte dann tiefgebeugt blitzrasch die Zöpfe der Mädchen und verknotete sie aneinander. Das war wirklich ein schlimmer Streich, und Tom verdiente seine Strafe. Er schrie aus vollem Hals, denn er sass fest auf dem Ast. Ich nehme an, dass nach einem Weilchen der Gärtner mit der Leiter kam und ihn aus seiner Klemme half.
 
Heute fehlen Buben solche Mädchenzöpfe, an denen sie ziehen können. Und das ist recht so! Zöpfe sind kein Spielzeug für Bengel. Hoffentlich haben Sie sich, lieber Leser, nicht zu solchem Unfug hinreissen lassen.
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Hier ist der Abschlussvers auf Englisch:
Alas! All Romps must have an end,
When done, may Recollection lend
A present pleasure to the past. 
Nachdem das Gaudium vorbei ist, verbleiben die Erinnerungen als Geschenk der Vergangenheit.
 
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