Textatelier
BLOG vom: 08.09.2014

USA und Vasallen sind hauptverantwortlich für Ukraine-Krise

Autor: Martin Eitel, Wissenschaftspublizist, Berlin
 
Wer sich nicht nur in den mehr oder weniger gleichgeschalteten Konzernmedien und den staatlichen Propaganda-Sendern wie ARD und ZDF informiert, die sich durch ihre gleichförmige Russophobie und Anti-Putin-Hetze hervortun, konnte in den letzten Tagen durchaus interessante Erkenntnisse gewinnen.
 
In der September-Ausgabe von „Foreign Affairs“, dem seit 1922 alle 2 Monate erscheinenden Journal des einflussreichen US-amerikanischen Council on Foreign Relations (CFR), das bisher nicht gerade als russisches Propaganda-Blatt bezeichnet werden kann, hat der bekannte US-amerikanische Prof. Dr. John J. Mearsheimer, Politikwissenschaftler an der University of Chicago mit Schwerpunkt Internationale Beziehungen, unter dem Titel „Why the Ukraine Crisis Is the West’s Fault - The Liberal Delusions That Provoked Putin” als die Hauptschuldigen an der Ukraine-Krise die USA und ihre europäischen Vasallen bezeichnet.
 
An der Wurzel des Konflikts liegt nach seiner Auffassung die NATO-Osterweiterung, Kernpunkt einer umfassenden Strategie, die Ukraine aus der russischen Einflusssphäre zu holen und in den Westen einzubinden. Dazu kamen die EU-Osterweiterung und die Unterstützung der (sogenannten) Demokratiebewegung in der Ukraine durch den Westen, beginnend mit der Orangenen Revolution 2004. Dieser Dreierpack politischer Massnahmen des Westens – NATO-Osterweiterung, EU-Osterweiterung und Förderung der Demokratie – war nach Einschätzung von Mearsheimer die Nahrung für ein Feuer, das nur noch entzündet werden musste.
 
Als den zündenden Funken macht Mearsheimer im November 2013 den Umstand aus, dass der Präsident der Ukraine, Wiktor Janukowytsch, einem wichtigen Wirtschaftsabkommen, das er mit der EU verhandelt hatte, eine Absage erteilte und stattdessen ein Gegenangebot der Russen über 15 Milliarden Dollar annahm, woraufhin regierungsfeindliche Demonstrationen stattfanden, in deren Verlauf bis Mitte Februar 2014 etwa hundert Demonstranten zu Tode kamen. Westliche Emissäre eilten nach Kiew, um die Krise zu lösen. Am 21. Februar unterzeichneten Regierung und Opposition eine Vereinbarung, nach der Janukowytsch bis zur Abhaltung von Neuwahlen im Amt bleiben sollte.
 
Doch dieses Abkommen hatte bekanntlich keinen Bestand, woraufhin Janukowytsch sich schon tags darauf nach Russland absetzte. Die neue Regierung in Kiew war pro-westlich und anti-russisch, und 4 ranghohe Mitglieder können nach Ansicht von Mearsheimer durchaus legitim als Neofaschisten bezeichnet werden.
 
Mearsheimer weist zutreffend darauf hin, dass die Rolle der USA bei dem Umsturz und der Installation der US-Vasallen-Regierung mit ihrem Anführer Arsenij Jazenjuk noch nicht in ihrer ganzen Tragweite bekannt sei, dass aber Washington den Staatsstreich offenkundig unterstützt habe. Victoria Nudelman-Nuland aus dem US-Aussenministerium und der republikanische Senator John McCain nahmen an den regierungsfeindlichen Demonstrationen teil, und der US-Botschafter in der Ukraine, Geoffrey Pyatt, erklärte nach Janukowytschs Sturz, der Tag werde „in die Geschichtsbücher eingehen“.
 
Wie einem öffentlich gemachten Telefonmitschnitt zu entnehmen ist, hatte Nudelman-Nuland einen Regimewechsel befürwortet und sich für den ukrainischen Politiker Arsenij Jazenjuk als Premierminister der neuen Regierung ausgesprochen, der es dann auch wurde. Kein Wunder, dass Russen aller politischen Couleurs glauben, der Westen habe bei Janukowytschs Amtsenthebung seine Finger im Spiel gehabt. Für Wladimir Putin war damit nach Einschätzung von Mearsheimer die Zeit gekommen, der Ukraine und dem Westen entgegenzutreten.
 
Mearsheimer und der CFR teilen damit offenbar in erheblichem Umfang die Einschätzung des Politikberaters und Ex-Aussenministers der USA, Henry Kissinger, der sich dahingehend geäussert hatte, dass seiner Meinung nach Wladimir Putin auf die Entwicklung in der Ukraine reagieren musste, die „ihm aus seiner Kontrolle geriet“. „Ich denke nicht, dass er eine Krise in der Ukraine heraufbeschwören wollte. Ich denke, dass er eine schrittweise Entwicklung erwartet hat. Heute ist dies eine Art Antwort darauf, was er als eine ausserordentliche Situation bewertet hat (…). Ich denke aber, dass wir vor allem die Krise in der Ukraine regeln und erst dann die Beziehungen zwischen der Ukraine und Russland behandeln sollten“, so Kissinger.
 
Alle namhaften Russen, mit denen er gesprochen habe, einschliesslich der Schriftsteller Alexander Solschenizyn und Iossif Brodski, haben „die Ukraine als einen Teil der russischen Kultur empfunden“, fügte er hinzu. In einem vor kurzem in der „Washington Post" erschienenen Artikel hatte der namhafte US-Politiker betont, dass die Ukraine nicht als ein Land wahrgenommen werden dürfe, das entweder die Position des Westens oder die Position des Ostens beziehen solle. Sie müsste als ein Staat betrachtet werden, der als Brücke dazwischen dienen sollte. Ausserdem äusserte Kissinger die Ansicht, dass „die Dämonisierung von Putin keine Politik“ sei, sondern „ein Versuch, sich für ein Fehlen der Politik zu rechtfertigen“.
 
Diese mit der Einschätzung Kissingers in wesentlichen Punkten übereinstimmenden Äusserungen von Prof. Mearsheimer in dem wichtigen aussenpolitischen US-Politikmagazin, die die Verantwortungslosigkeit und Dummheit eines grossen Teils der führenden westlichen Politiker schonungslos offenlegen und sich mit der Darstellung des Autors in Textbeiträgen zur Ukraine im Textatelier.com in erheblichem Umfang decken, sind gerade zum jetzigen Zeitpunkt mit Sicherheit kein Zufall. Denn sie erfolgten kurz vor der diesjährigen NATO-Tagung vom 04/05.09.2014 und der Debatte über neue Sanktionen gegen Russland.
 
Obwohl die OSZE auch bis 29.08.2014 keinen Beleg für den Einsatz regulärer russischer Truppen hatte und russische Waffenlieferungen nicht bestätigen konnte, verkündete die NATO in der für Kriegstreiber üblichen Propaganda, es seien mehr als 1000 russische Soldaten in der Ukraine. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, der sich als dänischer Regierungschef durch seine Unterstützung für den völkerrechtwidrigen Irak-Krieg 2003 für diesen NATO-Job qualifizierte und der bei dieser Tagung glücklicherweise seinen letzten grossen Auftritt hatte, verschärfte zu Beginn des Gipfels seine Rhetorik. „Russland greift die Ukraine an“, behauptete Rasmussen als Anführer des NATO-Kriegsbündnisses in Newport ins Blaue hinein.
 
Wir kennen solche perversen Lügen schon von Adolf Hitler und George W. Bush, die für ihre Überfälle auf andere Staaten jeweils entsprechende Gründe konstruiert haben. Bei Hitler war es das Märchen vom Zurückschiessen gegen Polen, bei Bush das Märchen von Iraks Massenvernichtungswaffen, das massgeblich auf Paul Wolfowitz zurück geht, der wegen der Beförderung seiner Freundin später als Weltbankchef untragbar wurde.
 
Nun also Rasmussens Märchen vom Angriff Russlands gegen die Ukraine: Auch der ehemalige Bundeswehr- und NATO-General Harald Kujat äusserte sich im deutschen ZDF am 04.09.2014 dahingehend, er habe noch keinen Beweis gesehen, dass Russland mit regulären Streitkräften in den Konflikt interveniert habe. Er fügte etwas an, das hierzulande selten in dieser Deutlichkeit zu hören ist: „Natürlich müssen wir vorsichtig sein mit dem, was Russland sagt. Aber wir müssen genauso vorsichtig sein mit dem, was die Ukraine sagt. Und leider Gottes müssen wir auch vorsichtig sein mit dem, was der Westen sagt.“ Dieser klugen Einschätzung ist nichts hinzuzufügen.
 
Tatsache ist dagegen nach Geheimdienstberichten aus dem Westen, dass schon seit Frühjahr 2014 mehrere hundert US-Söldner der Nachfolgefirma von Blackwater ihr Unwesen in der Ukraine treiben und die Putschistenregierung bei ihrem völkerrechtswidrigen Krieg gegen die eigene Bevölkerung der Ostukraine unterstützen.
 
Es ist zu hoffen, dass der gefährlichen und verantwortungslosen Politik bestimmter westlicher Führungskräfte mit dem Endziel, in der Russischen Föderation sozusagen jugoslawische Verhältnisse zu schaffen, entschieden Einhalt geboten wird. Die Publikation von Mearsheimer gibt insoweit Anlass zu entsprechenden Hoffnungen. Die dümmlichen Sanktionen, mit denen Washingtons Vasallen nicht nur Russland, sondern vor allem auch sich selbst zum Nutzen des US-Imperiums schädigen, werden wohl eine weitere Annäherung zwischen Russland, China und den anderen BRICS-Staaten zur Folge haben und die längerfristige Strategie von einigen gefährlichen Irren im Westen verhindern, die auf folgendes Szenario ausgerichtet ist:
 
Die längerfristige Strategie einiger gefährlicher Spinner im Westen zielt offenkundig darauf ab,
-- zunächst die Beziehungen der NATO und in ihrem Schlepptau der EU mit Aserbaidschan, Georgien, Armenien, Moldawien und Belorussland auszubauen,
-- danach die Abspaltung Armeniens von Russland (dort gibt es Zündstoff genug, z. B. sei der aserbaidschanisch-armenische Konflikt genannt) zu betreiben und Unruhe in Belorussland und Zentralasien zu stiften,
-- mit dem Sturz dort regierender Diktatoren und zu Diktatoren stilisierter Präsidenten einen willkommenen Anlass für den Regimewechsel zu finden
-- und in der letzten Phase der Partie gemäss der Logik der letzten Jahrzehnte die Desintegration Russlands und die Schaffung jugoslawischer Verhältnisse in Russland zu betreiben mit dem gleichen Ergebnis wie in Jugoslawien und anstelle Russlands die Existenz von 15 bis 20 unabhängigen Staaten unter der Kontrolle des Westens zu schaffen, um wie im Irak in den Besitz der dortigen Rohstoffe zu gelangen.
 
Wie Paul Wolfowitz den Überfall auf den Irak nachträglich, als die angeblichen Massenvernichtungswaffen nicht gefunden wurden, damit begründete, dass der Irak auf einem Meer von Öl schwimme und der Überfall aus wirtschaftlichen Gründen erfolgte, träumen auch jetzt offenbar wieder einige gefährliche Irre insbesondere in den USA davon, sie könnten die Russische Föderation destabilisieren und sich dann die dortigen Bodenschätze aneignen. Denn auch die Russische Föderation schwimmt, wie Wolfowitz es wohl ausdrücken würde, auf einem Meer von Öl und Erdgas und hat auch sonst zahlreiche Bodenschätze.
 
Das von Boris Nikolajewitsch Jelzin verursachte Chaos im Russland der 90er-Jahre und der ruinöse Ausverkauf der russischen Ressourcen an dubiose nationale und vor allem internationale Halunken wurden im davon profitierenden Westen als die endlich aufkommende Demokratie gepriesen. Die sich in der Regierungszeit von Putin auch in den Augen der meisten Russen stabilisierende Lage wird als eine Massnahme gegen ein Abgleiten in wiederum finstere Zeiten bezeichnet. Nachdem Putin den ausländischen Zugriff auf die russischen Bodenschätze im Wesentlichen gestoppt hat, soll nun mit der Destabilisierung Russlands die in der Regierungszeit des Alkoholikers Jelzin begonnene Ausplünderung offenbar erneut ermöglicht werden. Die Spekulation im Westen auf einen Sturz Putins als Folge der Sanktionen gegen Russland ist allerdings einerseits naiv. Eher ist mit einer in Russland weiter steigenden Zustimmung zu Putin zu rechnen. Selbst wenn es aber, was kaum anzunehmen ist, doch zu einem Sturz Putins kommen sollte, dann aber sicher nicht als Folge der westlichen Sanktionen, sondern allenfalls als Folge einer politischen und strategischen Niederlage in der Ukraine. Der Westen dürfte davon aber keine Vorteile haben, weil dann eher solche politischen Kräfte an die Macht gelangen dürften, die für den Westen deutlich unangenehmer wären als Putin.
 
Erst dann, nach Aneignung der in der Russischen Föderation vorhandenen Bodenschätze durch die USA und dortige Konzerne, wäre das aktuell stattfindende Spiel, dessen Opfer gerade die Ukraine ist, zu Ende.
 
China und Russland könnten diesem Irrsinn ein schnelles Ende bereiten, wenn sie sich dazu durchringen würden, in Zusammenarbeit mit Staaten wie Venezuela oder Kuba oder einem nicht zu den US-Vasallen gehörenden mittelamerikanischen Staat dort einige Raketen im näheren Umfeld des gefährlichen US-Imperiums zu positionieren. Selbst ohne eine solche Raketenstationierung in der Nähe der US-Aussengrenzen bestehen aber begründete Hoffnungen, dass Russland und China über entsprechende Raketen verfügen, um die vom US-Imperium und dem westlichen NATO-Kriegsbündnis (das z. B. 2011 Libyen überfallen hat) ausgehenden Gefahren erforderlichenfalls wirksam zu bekämpfen. Denn die immer weitere Expansion des US-Imperium und des von ihm massgeblich beeinflussten NATO-Kriegsbündnisses, das – wie es der Schweizer Nationalrat Carlo Sommaruga einmal völlig zutreffend formuliert hat – der Durchsetzung strategischer Interessen der USA und der Länder, die in ihrem hegemonialen Kielwasser mitschwimmen, dient, kann genauso wie der grössenwahnsinnige Hitler nur durch Staaten mit entsprechender militärischer Ausrüstung eingedämmt werden, und das sind nun einmal die Russische Föderation und China. Imperien mit grössenwahnsinnigen Anführern bedürfen entsprechender Gegenspieler, wie die Vergangenheit leider hinreichend bewiesen hat.
 
Die Rüstungsausgaben der USA lagen für das Jahr 2013 nach Angaben des Stockholm International Peace Research Institute (Sipri) bei zirka 640 Milliarden US-$, die Russlands bei zirka 87.8 Milliarden US-$ und die Chinas bei zirka 188 Milliarden US-$. Die Ausgaben der USA waren also mehr als 3 Mal so hoch wie die Chinas und 8 Mal so hoch wie die Russlands.
 
 
Quellenangaben
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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