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BLOG vom: 30.08.2011

Der Mangel an Integrität – ein moralisches Dilemma

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
 
In der heutigen Zeit besteht ein akutes Manko an Integrität – sei es in der Politik, in der Geschäftswelt oder im privaten Bereich. Hier seien nur einige Beispiele vom Gipfel bis in die Niederungen aufgegriffen:
 
Der eklatante Spesenbetrug der Politiker in England hat die Bevölkerung empört.
 
„Pledges“, also Versprechungen, wie etwa die Abschaffung der Erbschaftssteuer – unter vielen anderen –, bleiben unerfüllt.
 
Banken treiben Schindluder mit 0-Zinssätzen für Sparer und belasten ihre Kunden mit einer Reihe von saftigen Zuschlägen aller Art – etwa überrissene „arrangement fees“ für neue Hypotheken.
 
Die Bestechungs- und Lügenmanöver innerhalb Rupert Murdochs News Corporation, besonders im Zusammenhang mit „Telefon Hacking", werden angeprangert.
 
Schummel- und Schiebergeschäfte, Betrug und Verleumdungen unter den Leuten im Wohlstandsgipfel allgemein bis in alle Niederungen.
*
Ich möchte hier kurz und fragmentarisch in den Niederungen des Alltagslebens verweilen und stelle mir die Frage: Ist die Integrität angeboren oder wird sie erworben? Sie scheint mir nicht im Geburtsschein verbrieft zu sein. Sie entwickelt sich bestenfalls im Elternhaus, unterstützt von eigenen Erfahrungen und Vorbildern. Die Gebote der Religionen sind ebenfalls Wegweiser zum rechtschaffenen und unbescholtenen Leben. (Die Philosophie behandelt das Thema Integrität nur nebenbei und oberflächlich. Setzt sie die Integrität als gegeben voraus?) Die Künstler, die den Künstlernamen verdienen, sind in ihren Werken geradlinig und unbestechlich. Ob sie es auch in ihrem Privatleben sind, bleibe dahingestellt.
 
Nochmals die Frage: Wie steht es um die Integrität in unserem Privatleben? Sie kommt uns nicht zugeflogen, sondern entwickelt sich oft lebenslang, bis die Einsicht reift, wonach dem rechtschaffenen Leben der Vorrang gebührt.
 
Junge Leute verstricken sich leicht wie Gimpel im Lebensnetz. Sie müssen sich in dieser Welt mehr und mehr auf Kosten anderer behaupten. Vom Ehrgeiz angestachelt, vermeinen sie, ihre Ziele liessen sich auf krummen Wegen leichter und vor allem rascher als auf geraden erreichen. Sie werden früher oder später düpiert.
 
Wer verrät als Schüler einen Klassenkameraden, der dem Lehrer einen üblen Streich gespielt hat? Ein Schulbeispiel ist im amerikanischen Film ( 1992) „Scent of a Women“ (Duft einer Frau) verankert:
 
2 Studienfreunde ertappten 2 Kameraden, die einen Gummiballon voll weisser Farbe an einer hohen Strassenampel befestigten, genau dort, wo der Rektor sein Luxusauto parkiert. Das Malheur geschieht: Der Rektor wird samt seinem Auto vom Weiss übergossen. Ein Disziplinverfahren wird eingeleitet. Die beiden Freunde wurden als einzige Zeugen dieses Streichs ermittelt, aber verweigerten, die Übeltäter zu nennen. Chris entstammt einer bescheidenen Familie, sein Freund hingegen hat einen einflussreichen Vater, und entlarvt schliesslich die Übeltäter. Allein und verlassen sitzt Chris auf der Anklagebank. Im letzten Augenblick erscheint ein blinder Colonel im Ruhestand, von Al Pacino glänzend gespielt, und liest dem Rektor die Leviten kräftig und geradlinig und verhindert damit im letzten Augenblick, dass Chris von der Havard Universität verstossen wird.
 
Wie es zur Freundschaft zwischen Chris und dem Colonel kam und was sie gemeinsam erlebten, ist so rührend wie spannend gefilmt. Dabei kristallisiert sich nach und nach die Begriff von der Integrität.
*
Wiederholt wird in England das Publikum aufgefordert, Betrüger von öffentlichen Wohlfahrt-Zuschüssen zu entlarven. Neid zwickt viele Leute, ihre Nachbarn zu verraten. Das hat wenig mit Zivilcourage zu tun und erweckt nur Hass und Rachegefühle der Betroffenen.
 
Grobe und kriminelle Verstösse gegen das Gemeinwohl, wie kürzlich von den Randalierern in England verübt, ist ein anderer Fall, der rechtfertigt, dass der Bürger mithilft, die Täter zu entlarven.
*
Angenommen, jemand verliert eine Banknote, vergisst einen Schirm, eine Handtasche, würden Sie diese auflesen und dem Verlierer übergeben? Unbedingt!
 
Jemand hat eine Goldspange verloren, was dann? Das Fundstück auf dem nächsten Polizeiposten aushändigen.
 
Wer willentlich und mit betrügerischer Absicht Leute hinters Licht führt, ist ein armseliger Lump. Aber solches Lumpenpack vermehrt sich wie Kaninchen. Dabei versandet der Begriff von der Integrität.
 
Damit ist das Thema keineswegs erschöpft, aber diese Fallbeispiele mögen der strauchelnden Integrität da und dort auf die Beine helfen.
 
Hinweis auf weitere Feuilletons von Emil Baschnonga
26.08.2011: Mehr Gebüsch als Gestrüpp dank Alexandre Le Jardinier
19.08.2011: Treffen mit Langzeitwirkung: Der Maler und sein Modell
16.08.2011: Allein daheim: Aus dem Tagebuch eines Strohwitwers
08.08.2011: Talisman-Geheimnis: Sind Sie auch abergläubisch?
06.08.2011: Etwas Distel-Kunde: „Scottish thistle“ und „il chardun“
04.08.2011: Balanceakt zwischen gutem und schlechtem Geschmack
24.07.2011: Wie die religiöse Fliege im Alten Testament landete
25.06.2011: Schaufenster – Ausblicke, Einblicke: Eine Betrachtung
13.06.2011: Vom traurigen Hühnerleben und meinem Frühstücks-Ei
31.05.2011: Der eingeklemmte Gedankenstrich – und seine Befreiung
12.05.2011: Tierschicksale: „Schlangen und Echsen vereinigt euch!“
16.04.2011: Mein Froschkönig im Garten hatte etwas Kosmetik nötig
07.04.2011: Sind die Erinnerungen im Alter Vermögen oder Ballast?
26.03.2011: Schreiben: Gedanken, wie aus dem Ärmel geschüttelt?
18.03.2011: London: Toilettengespräche, die Erleichterung bringen
04.03.2011: Alles ist so kompliziert: Vom Pfahlbauer zum Web-Bauer
25.02.2011: Die späte Scheidung und die Orchideen von Rosemary
16.10.2010: Eine Betrachtung über die Lebensbahn und die Zufälle
08.10.2010: Streng vertraulich: Was ist der Berufsnachlass wert?
18.09.2010: Die geköpfte Helena auf dem Londoner Ramschmarkt
28.08.2010: Das Lächeln blieb erhalten. Mutterliebe ist grenzenlos
30.07.2010: Der entlassene Stelleninhaber – lehrreiche Fallstudie
16.07.2010: Tobias und Heidi: Liebe und vergebliche Liebesmüh’
29.03.2010: Philosophie-Plauderecke: Durch den Strohhalm denken
27.03.2010: Abschied von meiner Geigenmusik, nicht von der Geige
14.03.2010: Betrachtung: Das lohnt sich nicht … spielt keine Rolle
07.03.2010: Die Kunst, zu altern. Und die Kunst, nicht zu altern
06.03.2010: Traumdeutung: Die weiche Landung in den neuen Tag
04.03.2010: Eingefleischte Gewohnheiten: das Pro und das Kontra
28.11.2009: Einige philosophische Vignetten zu den Jubelgefühlen
23.11.2009: Haben die Engländer ihren Sinn für Humor verloren?
18.11.2009: Schicksal: Auf Um- und Abwegen dem Glück entgegen
02.11.2009: Tränen der Rührung sind rein und waschen die Seele
23.10.2009: Herrenhandschuh sucht Damenhandschuh, gut gefüttert
22.09.2009: Trick mit dem Verschwinden: Aus dem Leben der Brille
10.09.2009: Im letzten Moment misslungen: meist selbst verschuldet
03.05.2009: Verkabelt und vernetzt: Das verflixte „digitale Zeitalter“
11.04.2009: Sérénade de sérénité – Die Serenade der Gelassenheit
05.04.2009: „Auf der Römerstrasse“ – oder: Der ewige Frühling …
31.03.2009: Spriessende Knospen: Ansatz- und Anknüpfungspunkte
10.03.2009: Londoner Familientragödie: Jake, der verstossene Sohn
05.03.2009: Das Falzbein, über das nichts zu sagen ist, und die Fee
14.02.2009: Das Blumenmädchen – die allerbeste Valentine-Blume
11.02.2009: Langsamkeitsvorbild: Erinnerung an meine Schildkröte
11.02.2009: Fiktion und Autobiographie: Das Ich in der Mehrzahl
06.02.2009: Zum Lob der Flausen: Wegweiser zu Lebensinhalten
17.01.2009: Kurzgeschichten wiederbeleben: Alex Käser und Jürg
01.01.2009: Fast eine Neujahrsgeschichte: Zu Fünft im Lift gefangen
21.11.2008: Kurzgeschichten-Wettbewerb (1. Teil): „Kain und Abel“
22.11.2008: Kurzgeschichten-Wettbewerb (2. Tei): „Kain und Abel“
06.12.2008: Kurzgeschichten-Wettbewerb (3. Teil): „Nachtschatten”
10.12.2008: Kurzgeschichten-Wettbewerb (4. Teil): „Gewissensfrage“
12.12.2008: Kurzgeschichten-Wettbewerb (5. Teil): „Eine Groteske“
26.12.2008: Kurzgeschichten-Wettbewerb: Preisträger wird bestimmt
07.11.2008: Altersbedingt – altersgemäss? Bedingt oder unbedingt
31.10.2008: Der Spazierstock – eine Geschichte für Gross und Klein
26.10.2008: Therapien mit Antiquitäten – diesmal ein Turkish Delight
23.10.2008: Ode an die Melancholie: Nahrung für die Wünschelrute
21.10.2008: Zu Freitod Tod und Sex: Schwarze Blätter aus England
21.09.2008: In der Fliegenfalle. Ein merkwürdiger Ausflug in den Jura
11.09.2008: Vom Leseroller zum eBook – und die Lesegewohnheit
21.08.2008: Olympiade der Käfer. Sie sind die wirkliche Nummer 1
17.08.2008: Anatole France: Le livre de mon ami – Lob der Kindheit
08.08.2008: Glück und Reichtum: Der Farthing und der Zaunkönig
27.07.2008: Traumtag in Hastings: Ein Stückchen Ewigkeit erhascht
19.07.2008: Wenn alte Esel Schmetterlingen Pflanzen vorenthalten
08.06.2008: Alle Wespen sind schon da – und die Mücken auch …
12.04.2008: Kleine orientalische Geschichten: Die Rettung der Krüge
28.03.2008: Wartezeit, Zeitverluste: Hochkonjunktur der Nervensägen
24.02.2008: Gedanken- und Schattenspiele – bis tief ins Herz hinein
17.02.2008: Trost von Bach, Heine: „Mein Kind, wir waren Kinder …“
13.02.2008: Valentinstag: Geheimnisvolles Paket, Edna gewidmet
04.02.2008: „Le rêve de ma vie …” – Der Traum meines Lebens …
29.01.2008: An der Überschrift liegt wirklich alles: „Im Rückspiegel“
23.01.2008: Aphorismen zur Sache, der man auf die Schliche kommt
13.01.2008: Stichwort „Satz“: Aphoristisch angehauchte Einzeiler
12.01.2008: Hochinnovativ: Vom Trugschein bis zum SalPeter-Betrug
01.01.2008: Auftakt 08: Reminiszenzen u. Sentenzen im Bummelzug
13.02.2008: Valentinstag: Geheimnisvolles Paket, Edna gewidmet
24.12.2008: So oder so? Weihnachten mit oder ohne Magenbrennen
20.12.2007: Mutterseelenallein: Zeit der Weihnachtsvorbereitungen
15.12.2007: Glanzkohle: Die Geschichte vom beseelten Wunderstein
05.12.2007: Spurlos verschwunden – wie vom Erdboden verschluckt
10.11.2007: Treppen und Blutwurst für eine psychiatrische Sitzung
26.10.2007: Londoner Stimmung: Der Winter wartet vor dem Fenster
21.10.2007: Ein E-Mail-freier Sonntag ... und dabei E-Meilen sparen!
29.08.2007: C.G. Jung: Die Intro- und Extraversion mit den Schatten
19.08.2007: Das Selbst als Lebensgrundlage, aphoristisch erfasst
15.08.2007: Netz der Verstrickungen: Der ungeliebte Unglücksrabe
02.08.2007: Die Tücken des Objekts – oder: Mensch, ärgere dich!
30.07.2007: Freude: Da flattert um die Quelle, die wechselnde Libelle
29.07.2007: Geist und Leben: Balsamtropfen fürs Filigrane in Gold
25.07.2007: Der Abschiedsbrief eines Vaters an seine beiden Söhne
14.07.2007: Reissaus genommen – Der wunde Punkt im Leben
21.06.2007: Allzu spät auf sie zugegangen: „Not here to be loved”
04.12.2006: Lady of Fashion: Skizzen einer Frau mit Liebe zur Mode
12.10.2006: Füllfeder und Tinte Ade gesagt: Schreibzeug, Schriftzüge
24.09.2006: Hin und Her: Gespräche zwischen dem „Ich und Du”
23.09.2006: Lose Blätter: Adalbert Stifter zum Nachsommer geeignet
16.09.2006: Ein Befreiungsschlag: Der Hamster im Gartenschuppen
09.09.2006: Wie die missbrauchte Zunge zum ,Lällekönig' wurde
31.08.2006: Wirrwarr aus ineinander verschlungenen Büroklammern
26.08.2006: Löffelkunde: Ganz Ohr für die Sprache der Ohrmuscheln
28.07.2006: Die Botschaft des Brillenetuis: Mein Verhältnis zu Marken
06.07.2006: Auf Abwegen: Lumpazi Vagabundus und die Wehmut
24.06.2006: Denken und Schreiben: Zutaten für Buchstabensuppen
13.05.2006: Abnabeln und Verknoten: Rund um den Bauchnabel
16.03.2006: Unvollendetes: Das „Non-Finito" und das „Incompiuta"
29.01.2006: Wie die grosse Liebe vom Rad fiel – oder in die Hand …
23.12.2005: Eine Weihnachtsgeschichte: Das Bistro „Zum Déjeuner"
06.10.2005: Le Passe-muraille: Luftschlösser sind gratis zu haben