Textatelier
BLOG vom: 07.05.2006

Der Dinkelberg: Höhlen, Dolinen und ein seltsamer See

Autor: Heinz Scholz
 
Nach dem ersten Frühlingserwachen zog es mich mit einem unbändigen Drang hinaus in die Natur. Ich liess das Schreiben der Blogs und anderer schriftstellerischer Arbeiten sausen und wanderte, von Maulburg D ausgehend, auf die Höhen des Dinkelbergs. Nach langer Zeit startete ich wieder eine Fotoexkursion, um die Besonderheiten aus dem Pflanzenreich und andere interessante Dinge abzulichten.
 
Zunächst einige Informationen zum Dinkelberg. Der Dinkelberg zieht sich zwischen Schopfheim im Wiesental und Basel auf 20 Kilometern dahin. Auf dem Dinkelberg findet man zahlreiche zum Teil noch unerforschte Höhlen (bisher sind 53 bekannt), Dolinen, Karstquellen, Trockentäler, Bodenfliessen, Schlucklöcher, Bachschwinden und einen Dolinensee (Eichener See). Dieser See befindet sich unweit von Schopfheim-Eichen. Es handelt sich um einen See, der kommt und geht. Eigentümlicherweise bleibt er jahrelang verschwunden, dann taucht er wieder auf. Auch in diesem Jahr ist der See wieder da. Als besondere Attraktion werden Bootsfahrten auf diesem See durchgeführt.
 
Wie entsteht dieser See? Forscher sind der Ansicht, das Wasser werde durch ein Röhrensystem aus der untersten wasserführenden Schicht in verschiedene wasserführende Stockwerke gedrückt – und zwar so lange, bis der Seeboden überwunden wird. Der Wassertransport von der untersten wasserführenden Schicht ist nur möglich, weil in den zuführenden Röhren ein höherer Druck herrscht als in den wasserableitenden. Bei Hochwasser steigt der Druck demzufolge immer mehr an, und es kommt immer mehr Wasser in die oberen Schichten. Es dauert dann immer einige Zeit, bis das Wasser wieder verschwindet. Bald darauf wächst Gras über den See.
 
Dolinen und ein Teufelsloch
Dolinen sind oft trichterförmige, meist aber mulden- und schüsselförmige Vertiefungen in Karstgebieten. Eine Einsturzdoline bildet sich, wenn ein unterirdischer Hohlraum einbricht, eine Trichter- oder Karrendoline entsteht dagegen durch Gesteinsauslaugung an der Oberfläche. Dolinen dürfen heute nicht mehr verändert werden. In der Vergangenheit wurden nämlich einige Dolinen wegen der besseren Bearbeitung mit landwirtschaftlichen Maschinen aufgefüllt.
 
Ein Schluckloch ist ein trichter- oder schachtartiges Loch, in dem ein Bach verschwindet und unterirdisch weiterfliesst. Eine Bachschwinde ist eine Stelle, wo der Bach im Erdboden versickert. Eine Bodenfliesse ist eine Doline, die sich bewegt, d. h., die Erde „fliesst“ auf dem darunterliegenden Gestein. Die Fliessbewegung verursacht einen nach aussen gekrümmten Baumwuchs („Säbelwuchs“). Ein Trockental wurde durch Erosionsarbeit eines Bachs gebildet.
 
Alle diese Besonderheiten sind auf dem Dinkelberg insbesondere bei Kürnberg, Hasel, Schwörstadt, Nordschwaben und Dossenbach zu sehen.
 
Von den Höhlen möchte ich besonders die Erdmannshöhle bei Hasel mit den schönsten Tropfsteinen weit und breit und die Tschamberhöhle, eine Erosionshöhle, bei Riedmatt erwähnen. Es gibt auf dem Dinkelberg in der Nähe von Nordschwaben auch ein „Teufelsloch“. Am tiefsten Punkt einer Einsturzdoline in einem Waldgebiet ist ein mehrere Meter breites Loch zu sehen. Dieses unheimlich wirkende schwarze Etwas brachte früher die Bewohner auf die Idee, der Leibhaftige würde hier ein- und ausfahren. Die Gegend wurde deshalb von besonders abergläubischen und ängstlichen Personen gemieden.
 
Nun zurück zu meiner Fotoexkursion. Bevor ich mich den anderen Besonderheiten widmete, durchsuchte ich mit meinen „Adleraugen“ den Waldboden oder die Gräben links und rechts der Wanderwege, um Heilpflanzen aufzustöbern. Ich entdeckte sehr schöne Areale von Wald-Schlüsselblumen, Bärlauch, Lungenkraut und viele andere Frühblüher des Jahres.
 
Als ich mich durch den Wald pirschte, konnte ich auch Eichhörnchen, einen Buntspecht und einige Rehe, die grundlos vor mir flüchteten, beobachten. Das Konzert der Vögel klang in meinen Ohren wie Musik. Über einer Lichtung sah ich einen Rotmilan seine Kreise ziehen. Diesen Vogel, der sich von kleinen Wirbeltieren, Insekten und Aas ernährt, sieht man des Öfteren auf dem Dinkelberg herumfliegen. Als vor einigen Jahren bei meiner damaligen Arbeitgeberin, der Firma Ciba-Geigy in Wehr, ein solcher Vogel über das Firmenareal seine Kreise zog, meinte ein Kollege: „Das ist der Pleitegeier, der hier herumfliegt.“ Es ging damals das Gerücht um, der Standort sei nicht mehr sicher. Es kam jedoch anders, denn die Firma fusionierte später mit Sandoz zum Konzern Novartis.
 
Alemannisches Steinplattengrab
Im Waldgebiet „Buchrain“ unweit von Maulburg inspizierte ich ein alemannisches Steinplattengrab. Dieses wurde im März 2001 vom Maulburger Bürger Maik Schwald gefunden. Der Fundort des Grabhügels mit dem darunter liegenden Steinplattengrab befand sich etwa 30 Meter östlich vom jetzigen Standort. Im Mai 2001 erfolgte die Ausgrabung durch Günter Wassmer, ehrenamtlicher Mitarbeiter des Landesdenkmalamtes Freiburg, und durch Maik Schwald. Um die Überreste des Steinplattengrabes zu erhalten, musste es vom ursprünglichen Fundort am Rande eines Steinbruchs entfernt werden.
 
Die hier sichtbare typische Bestattungsform der Alemannen (auch Alamannen genannt), die immer eine ost-westliche Ausrichtung aufweist, wurde bis um 700 u. Z. so durchgeführt. Dann änderte sich der alemannische Bestattungsbrauch (vielfach an einigen Orten schon im 5. Jahrhundert). Es wurden die Verstorbenen nicht mehr in Einzelgräbern in der Landschaft, sondern in Gräbern auf Friedhöfen bestattet. Auf dem Dinkelberg wurden noch weitere Steinplattengräber aufgefunden, die heute alle unter Denkmalschutz stehen.
 
Alte Ruhebank für Marktfrauen
Am Rande meines Exkursionsweges entdeckte ich eine alte doppelte Bank (ähnliche gibt es auch zwischen Lörrach und Haltingen bei Weil am Rhein). Sie diente den Bäuerinnen, Mägden und Marktfrauen zum Ausruhen. Auf dem oberen Brett wurden die auf dem Kopf getragenen Lasten abgesetzt, während sich auf dem unteren Brett die erschöpften Frauen niederliessen.
 
Die Marktfrauen kamen aus den Dinkelberg-Gemeinden Eichsel, Minseln und Adelhausen und boten ihre Produkte auf den Wochenmärkten in Schopfheim und Zell an. Auch das „Znüni“ oder das Mittagessen für die auf den Feldern tätigen Bauern wurde von Frauen oder Bediensteten von Maulburg aus auf den oberen Berg transportiert. Noch heute muss man die Leistung dieser Marktfrauen bewundern, mussten doch 10, 15 oder 20 Kilometer zu Fuss bewältigt werden. Fussmärsche gehörten damals zum Alltag. Da dampften nicht nur die Socken.
 
Als Fazit kann ich hier nur betonen, dass der Naturfreund auf dem Dinkelberg noch eine fast unverbrauchte Natur in einer urwüchsigen, reizvollen Landschaft antrifft. Es ist ein Eldorado für Pflanzen- und Tierfreunde, aber auch für Geologen und Höhlenforscher.
 
Ein grandioser Fernblick bietet sich dem Naturfreund bei idealem Wetter von Schweigmatt (723 m ü.M.) oder von der Hohen Flum (535 m) aus auf die Alpenkette des Berner Oberlands und die Jurahügel. Ich flunkere keinesfalls, wenn ich behaupte, dass hier sogar Nichtromantiker ins Schwärmen kommen.
 
Schweigmatt ist übrigens ein Stadtteil von Schopfheim, und die Hohe Flum ist ein Aussichtsberg mit einem Turm in der Nähe des Schopfheimer Stadtteiles Wiechs.
 
Es bleibt zu hoffen, dass diese schöne Landschaft noch lange so erhalten bleibt. Aber es droht Ungemach: In naher Zukunft soll die Autobahn von Rheinfelden nach Wehr an den Randgebieten des Dinkelberges entlang geführt werden. Was heute schon stört, sind einige Überlandleitungen mit ihren grossen Strommasten. Sie beeinträchtigen jedoch nicht überall den Blick in die Ferne.
 
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