Textatelier
BLOG vom: 03.09.2006

Tiergeschichten (1): „Ja, als Hund taugt er nichts ...“

Autor: Heinz Scholz
 
Im Textatelier-Artikel „Tierisch klug“ berichtete ich schon einmal über interessante Geschichten über Tiere. Inzwischen haben sich einige weitere Anekdoten angesammelt, die ich dem Leser oder der Leserin nicht vorenthalten möchte.
 
Der Hund als Hund und als Mensch
Eine mir bekannte Münchner Journalistin, die nicht genannt werden möchte, hatte in jungen Jahren eine nachhaltige Begegnung mit Eugen Roth (1895–1976). Der Lyriker und populäre Dichter meist humoristischer Verse, dessen Werke ich persönlich sehr schätze, empfing die Journalistin zu einem Interview. Die Dame der schreibenden Zunft hatte ihren Dalmatiner dabei. Als Eugen Roth nach dem Klingeln die Haustür im Münchner Nobelstadtteil Nymphenburg höchstpersönlich öffnete, wurde er von einem freundlich wedelnden Dalmatiner begleitet. Aber lassen wir die Journalistin selbst erzählen:
 
„Meine erste Reaktion: ,Ja, Herr Roth, Sie haben ja auch wie ich einen Dalmatiner’ ... Roth antwortete noch im Flur lakonisch: ,Ja, wissen Sie, als Hund taugt er nichts, aber als Mensch ist er phantastisch.’ Für Eugen Roth war das eine typische Aussage, und die Sympathie war auf Anhieb gegeben. Ich sage es ja immer: Der Weg über den Hund ist im Umgang mit seinen Zeitgenossen nicht der schlechteste.“
 
Hans Hühnerbein
Herr T. aus Höxter teilte mir telefonisch kürzlich folgende Episode mit: In der Kriegs- und auch in der Nachkriegszeit hielt die Familie meines Bekannten aus Not einige Hühner und einen Hahn. Der Hahn wurde „Hans Hühnerbein“ genannt. Als die Not immer grösser wurde, entschloss sich die Familie, den Hahn zu schlachten. Zum „opulenten“ Mahl wurden dann Bekannte eingeladen, die ebenfalls gierig nach einem Stück Fleisch hungerten. Das knusprige Hähnchen wurde serviert, und die Bekannten assen, was das Zeug hielt. Die Familienmitglieder jedoch hatten keinen Appetit, ihnen blieb quasi „der Bissen im Hals stecken“, wie T. betonte. Alle, die den Hahn kannten, mussten immer an ihren lieben Hans Hühnerbein denken, der jetzt gebräunt vor ihnen lag. Die Gäste verliessen nach dem „Festmahl“ gesättigt die hungernde Familie des Hans Hühnerbeins.
 
Trockene Gänslein
In den „Oftersheimer Geschichten“ (die Ortschaft liegt bei Schwetzingen in Nordbaden) kann man folgende Episode nachlesen: Ein 4- bis 5-jähriger Junge beobachtete seine Mutter beim Wäscheaufhängen. „Was Mutter kann, das kann ich auch“, dachte er sich wohl. Zusammen mit einem Nachbarsjungen fing er einige Gänslein ein, und sie liessen sie in einem Holzzuber schwimmen. „Wie bekommen wir diese wieder trocken?“, dachten sich die Lausbuben. Sie besorgten sich Schnüre, banden diese um die Hälschen der bedauernswerten Geschöpfe und hingen sie an der Herdstange zum Trocknen auf. Sie wunderten sich, dass sämtliche Gänslein diese Prozedur nicht überlebten. Das anschliessende Donnerwetter von der Mutter hielt den Nachahmungstrieb der Knaben im Zaum.
 
Der Esel von Hausach
Nach dem Ersten Weltkrieg beobachteten Reisende am Hausacher Bahnhof einen sonderbaren Pritschenwagen, der von einem Esel gezogen wurde. Das Gefährt gehörte dem „Hosenträger-Schmider“. Er beförderte Gepäckstücke von einer nahegelegenen Fabrik zum Bahnhof. Eines Tages, es war um die Mittagszeit, legte sich der Esel zu einer Siesta nieder. Der „Hosenträger-Schmider“ schrie, tobte, schlug und zerrte an dem störrischen Tier. Nichts half, der Esel wollte liegen bleiben. Kein Wunder, denn an diesem Tag herrschte eine brütende Hitze. Immer mehr Reisende versammelten sich um den Esel, die das Schauspiel betrachteten. Schliesslich hatte ein Gast die rettende Idee. Er kramte aus seinem Jackett ein Brennglas aus und richtete die gebündelten Sonnenstrahlen auf das Hinterteil des Esels. Dieser sprang sofort auf und machte sich mit dem Gefährt auf den Weg.
 
In vielen anderen Orten des Schwarzwaldes wurden früher Esel gehalten. In Haslach gab es sogar einen Eselmarkt. Eines Tages wollte der Geistliche Rat Brunner von einem urwüchsigen Schwarzwälder namens Stulzlebur wissen, wie denn der Ochsenmarkt in Haslach war und ob viele Ochsen feilgehalten wurden. Er antwortete, auf dem Ochsenmarkt sei viel los gewesen, aber auf dem Eselmarkt wenig. Der Pfarrer wollte natürlich den Grund wissen, warum der Eselmarkt so wenig frequentiert war. Stulzlebur antwortete: „Ganz einfach, Herr Stadtpfarrer, es waren zuwenig Herren da!“ Kaum ausgesprochen, verschwand der listige Schwarzwälder und liess einen verdatterten Pfarrer zurück.
(Quelle: „Rund um den Brandenkopf“, von Kurt Klein, Moritz Schauenburg Verlag, Lahr, 1980.)
 
Gras für die Katze
Unsere Wohnungskatze ist ganz wild auf Gras. Sobald der Hausherr mit einem Büschel Gras in die Wohnung kommt, läuft die Vierbeinerin, gleich wo sie gerade ist, auf ihn zu und kann es kaum erwarten, bis sie die ersten Grashalme anknabbern kann. Die Katze braucht Gras, um den Magen von Haaren zu säubern. Das „Gewölle“ kann dann leichter ausgewürgt werden. Das Grünzeug dient der Katze auch als willkommener Vitaminspender.
 
Als ich eines Tages mit einem Büschel Gras unterwegs war, meinte eine Frau: „Das ist aber kein schöner Blumenstrauss für ihre Frau.“ Ich konnte die Dame jedoch mit den Worten „Nein, nicht für meine Frau, sondern für unsere Katze“ beruhigen.
 
Die Katze hinterm Schrank
Eine weitere Episode unseres Stubenkaters darf nicht unerwähnt bleiben. In jüngeren Jahren zwängte er sich hinter Schränke, in Schubladen und spazierte auf dem Balkongeländer herum. Aber eines Tages bekam meine Frau einen gehörigen Schrecken. Der Kater suchte sich das unpassendste Versteck aus, das man sich denken kann. Kurz nachdem der neue Wohnzimmerschrank mit einem Eckteil aufgestellt war, sprang er auf den Schrank, inspizierte die Ecke und sah in die Spalte zwischen Wohnzimmerecke und Schrankwand. Er turnte herum und schwupp – lag er schon unten. Er war gefangen. Sein Miauen klang jämmerlich. Was tun?, dachte sich meine Frau. Sie rief die Polizei. Ein Beamter kam auch und überlegte, wie man den Tolpatsch befreien könnte. Da hatte unser „Freund und Helfer“ eine glorreiche Idee, als er unseren Ringvorhang im Flur sah. Er nahm eine Ringkette ab und liess sie zum verängstigten Kater hinunter – und schon krallte er sich fest. Dann war es ein Leichtes, den Kater nach oben zu ziehen. Dem Kater scheint dieser Ausflug gründlich vergangen zu sein, denn von nun an suchte er nach anderen Verstecken.
 
Alles war unscharf
Ein ehemaliger Arbeitskollege wurde eines Tages dazu überredet, einen Ritt ins Freie zu unternehmen. Sein Bruder, bereits ein versierter Reiter, ritt voraus. Der nachfolgende Reiter hatte von Pferden geschweige denn vom Reiten keine Ahnung. Er hielt sich fest, aber bei jedem Schritt schlug er mit seinem Po hart auf den Rücken des Pferdes. Keiner sagte ihm, dass er seinen Allerwertesten anheben sollte. Er hoppelte Richtung Wegkreuzung. „Das Gehoppel war so schlimm, dass ich nicht den Wegweiser lesen konnte. Es war alles unscharf“, meinte der Kollege. Er stieg nach diesem Höllenritt niemals mehr aufs Pferd. Schuld war natürlich der Bruder, der keinen einzigen Hinweis gab, wie man ein Pferd reitet.
 
Auch der Bruder hatte anfangs mit Pferden Schwierigkeiten. Entweder hatte er die falsche Hose an oder den unpassenden Sattel. Vielleicht ritt er auch ohne Sattel. Auf jeden Fall rieb er sich an diversen Stellen die Haut gehörig auf. Es brannte höllisch. Als nun zu jener Zeit mein Arbeitskollege nach Hause kam, lag der 10-jährige Bruder mit heruntergelassener Hose auf dem Sofa, und seine Mutter puderte ihn überall gründlich ein. Er sah aus wie ein grossgewachsenes Baby.
 
Die rassige Polin
 „Du, kürzlich habe ich eine rassige Polin kennen gelernt. Sie hat braune Augen, schwarze Haare und ein rassiges Hinterteil. Sie ist einfach Klasse“, meinte ein Junggeselle zu seiner Schwester. Diese erzählte es natürlich weiter, denn alle waren froh, dass der Alleingelassene endlich die Frau seines Lebens gefunden hatte. Der Bruder meinte, sie würde auf einem Hof in der Nähe von Schopfheim arbeiten und bald würde er sie ihr vorstellen. Alle waren gespannt auf die tolle Frau. Einige Tage später führte er die Schwester auf den Hof, ging in den Stall –  und brachte die Polin heraus. Es war kein menschliches Wesen, nein, es war ein Rassepferd. Schallendes Gelächter folgte. „Nun hat er ein Pferd und wieder keine Frau. Aber Hauptsache, er ist glücklich“, flüsterte die Schwester leise vor sich hin.
 
Ein Amtsstubenwitz
Jeder von uns hat sicherlich schon einmal mit dem „Amtsschimmel“ Bekanntschaft gemacht. Entweder halten sich Beamte stur an Vorschriften, verzögern diese oder jene Entscheidung oder reagieren auf Beschwerden unwirsch. Auch in Baden D ist es so. Folgender Witz kursiert unter den mit diversen Beamten konfrontierten Kunden: Im Vorraum eines Amtes sassen alles Tiere. Sie waren gekommen, um ein Gesuch einzureichen. Zuerst war die langsame Schnecke dran. Schon nach kurzer Zeit kam sie aus der Amtsstube und zeigte freudestrahlend die Bescheinigung. Dann war die Ziege an der Reihe. Sie blieb über eine Stunde; dann erst verliess sie das Zimmer des zuständigen Amtsleiters. Zur Schnecke gewandt fragte die Ziege, wieso sie so schnell zu ihrem Stempel kam und sie so lange brauchte. Die Schnecke antwortete verschmitzt: „Nun, das ist doch ganz einfach, wenn du zu einem Beamten kommst, musst du schleimen, nicht meckern.“
 
Polizei als Entenfreund
In der Karlsruher Innenstadt war eine Entenmutter mit ihren Küken unterwegs. Sie wollte ihren Anhang anscheinend einer Federbehandlung unterziehen. Sie watschelten nämlich in ein Friseurgeschäft. Der Figaro wollt jedoch nichts von einer Spezialbehandlung wissen und beförderte die Familie vor die Tür. Ob dieser schäbigen Behandlung höchst erbost, traten die Tierchen vor dem Geschäft laut schnatternd in einen „Sitzstreik“. Die alarmierte Polizei nahm den Tatort in Augenschein und konnte „keinen Verstoss gegen versammlungsrechtliche Bestimmungen“ feststellen. Schliesslich wurde die Familie zum Aufgeben bewegt. Sie watschelte unter Polizeischutz in eine nahegelegene Grünanlage.
Quelle: „Badische Zeitung“ vom 19.4.1997.
 
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