Textatelier
BLOG vom: 01.11.2006

Interlaken: Das mysteriöse Ende des irdischen Mystery Parks

Autor: Walter Hess, Biberstein CH
 
Während meines ganzen Journalistenlebens bin ich immer wieder mit dem Namen Erich von Däniken (1935) konfrontiert worden. Beim Studium seiner Schriften beeindruckte er mich durch seine Fähigkeit, die Scheuklappen der Wissenschaft zu beseitigen und aufgrund von Indizien zu ganz neuen Interpretationen der Mysterien dieser Welt (der Erde innerhalb des Universums) zu gelangen. Er räumte den „Ausserirdischen“, die er zwar auch nicht genau definieren konnte, einen viel höheren Stellenwert ein als dies bei suchenden Phantasten üblich war, bat aber gleichzeitig, ihm kein Wort zu glauben. Er wollte und konnte nicht alle Fragen beantworten, aber darauf, sie bekannt zu machen, verstand er sich. Er sprach die Vermutung aus, dass die Götter, wie sie in alten Überlieferungen in allen denkbaren Ausgestaltungen erwähnt sind, in Wirklichkeit ausserirdische Besucher gewesen sein könnten, die auf unserer Erde ihre Spuren hinterlassen haben. Und er tat alles, um diese Theorie zu bekräftigen, fand überall Indizien, die seine Theorie zu bestätigen schienen.
 
Sein interpretiertes Staunen basierte auf beschriebenen oder tatsächlich vorhandenen Tatbeständen wie etwa den gigantischen Tierzeichnungen und geometrischen Mustern in der Wüste Nazca in Peru, die nur aus der Vogelschau erkennbar sind. Selbst aus dem unebenen Gelände sind Figuren aus dem grau-braunen Gelände herausgekratzt, oft kilometerlang. Von Däniken betont, dass niemand wissen könne, wie und aus welchen Gründen dieses „grösste Bilderbuch der Menschheit“ vor Jahrtausenden entstehen konnte: „In Nazca werden der Mensch und seine Technik winzig. Hier verschmelzen die Dimensionen der Zeiten. Erinnerungen an die Zukunft werden geweckt – Erinnerungen an etwas Unverstandenes, das einst war und nach Verständnis schreit.“
 
Voller solcher Geheimnisse sind die Pyramiden von Gizeh, ferner die „Megastones“ von Stonehenge, etwa 13 Kilometer nordwestlich von Salisbury in England, die altindischen Sanskrittexte mit ihren Hinweisen auf „Vimana“, ein fliegendes Fahrzeug am Firmament als ein dreiwinkliger, grosser dreistöckiger Flugwagen, die sagenumwobene und sagenhafte Maya-Kultur usf. Von Däniken hat zahlreiche Bücher zu all diesen Phänomenen geschrieben, die in 32 Sprachen übersetzt worden sind und die eine Gesamtauflage von 62 Millionen Exemplaren erreichten.
 
Anschliessend wollte er seine Erkenntnisse und Visionen auch noch in starken Bildern an seine Anhängerschaft umsetzen: Nach 6 Planungsjahren begann er Anfang 2001 mit dem Bau des Mystery Parks. Für das Hauptgebäude wurden zwischen den Seen in Interlaken 303 Betonpfähle für das Hauptgebäude im Boden verankert. Zudem entstand eine Kugel mit 22 m Durchmesser, wo die Besucher auf 41 m luftiger Höhe die Aussicht auf Thuner- und Brienzersee, nach Interlaken und zu den Bergen des Berner Oberlands geniessen können und den Göttern etwas näher sind, falls sie von oben kommen. Rund um diese Zentralbauten entstand ein riesiger Glaskorridor mit 185 Hubfenstern. Und daran sind die Themengebäude angedockt, eigentlich angepasste Kinobauten für multimediale Darstellungen, unter denen sich jeweils eine informative Ausstellung zum jeweiligen Themenbereich befindet. Alles ist gross, hell und gut organisiert. Die Anlage wurde am 23. Mai 2003 eröffnet.
 
Bei meinen Reisen nach Interlaken oder in andere Gebiete des Oberlands hatte ich den Mystery Park und insbesondere das Kugelwahrzeichen immer wieder von aussen gesehen, doch nahm ich mir bis in diese Tage nie Zeit, die Anlage zu besuchen, wofür mindestens ein halber Tag nötig ist; ein ganzer Tag ist angemessener. Doch dann nahte die Schliessung der Anlage, die in Konkurs geraten war. Meine Schwägerin Annetti Holzner-Pfosi übte einen sanften Zwang auf mich aus. „Du musst den Mysterypark unbedingt sehen“, sagte sie, und stellte mir gleich das Eintrittsbillett mit Verfalldatum 31. Oktober 2006 zu. Ich nutzte den regnerischen Sonntag, 29. Oktober 2006, um es einzulösen und reiste am Abend dann nach Mürren weiter, um am nachfolgenden strahlenden Herbsttag dann das Frühstück auf dem Schilthorn zu geniessen – wenn man schon in der Nähe war. Eva war schon einmal dort gewesen, hatte aber nichts gegen einen 2. Besuch.
 
Wir kamen kurz nach 11 Uhr vormittags im Mystery Park an; tags darauf wurde der Millionste Besucher registriert. Unsere Besucherzahl dürfte etwa bei 999530 gelegen haben ... In diesen Tagen haben die Besucherzahlen stark angezogen (rund 1000 pro Tag), um die letzten Tage vor der Schliessung noch zu nutzen, kamen die Leute in Scharen. Wir wurden mit einem Empfänger mit grüner und roter Lampe und einem Kopfhörer ausgerüstet und erhielten einen kreditkartengrossen, strichcodierten Anhänger für elektronische Kontakte um den Hals gehängt, wie es sich für dieses elektronische Zeitalter gehört. Und es funktionierte: Wo immer man sich befindet, wird man im Kopfhörer auf die Darstellungen und Geschehnisse aufmerksam gemacht.
 
So klapperten aufgrund eines gedruckten Programms Attraktion um Attraktion ab, standen vor den entsprechenden Pavillons jeweils 10 Minuten vor Veranstaltungsbeginn an, zumal wir gleich beim ersten „Event“, dem Besuch des Films übers Berner Oberland („Magical Oberland“), gescheitert waren: Das Kino war schon voll. Doch konnten wir diesen ausgezeichneten mehrdimensionalen Film auf Grossleinwand, die sich gar noch unter den Sitzen (und dem Glasboden) hinzieht, um 17.15 Uhr noch geniessen. Das war Filmtechnik vom Feinsten – ein Flug über Berge und Täler bei allen meteorologischen Stimmungen, garniert mit der lokalen Kultur, mit Herz und Sinn für die Eigenarten dieser schönen Welt, gedreht im Auftrag der Mystery Park AG.
 
Ähnlich gut gemacht ist der Film über die Nazca-Rätsel – die Besucher erleben eine Flugreise über die weit ausladenden Muster in der Wüstenlandschaft hinweg, sind fasziniert. Sie werden alsdann gewissermassen in Raumschiffe mitgenommen, rasen ins Weltall hinaus und lernen vor allem eines: das Staunen.
 
Erich von Dänikens Drang zur Wissensvermittlung ist immer spürbar; das ist eine seiner grossartigen Eigenschaften. Er kombiniert etwa die Pyramiden in Ägypten oder Stonehenge mit astronomischen Bezügen und führt in Welten ein, in die sich kein Wissenschaftler hineinwagt, gibt Impulse auf dem Stand der Technik.
 
Der Besucher hat nirgends das Gefühl, ausgenommen zu werden – ganz im Gegenteil. Der Eintrittspreis von 48 CHF ist relativ bescheiden. Vielleicht zu bescheiden, um die Betriebskosten für den paläo-astronautischen Themenpark, in den etwa 86 Mio. CHF investiert worden sind, zu decken. Wäre der Eintrittspreis höher gewesen, hätte er sich wohl bremsend auf die Besucherzahl ausgewirkt. Und wer will kann mitgebrachte Lebensmittel in einem Picknick-Bereich essen, ist also nicht zum Einkehren ins bediente Restaurant gezwungen. Die Toilettenbenützung ist gratis. Die Shops sind unaufdringlich und auf die Bedürfnisse der Besucher ausgerichtet. Und auch am Epilog der Vorstellung, 3 Wochen vor der Schliessung des Parks, hatte man nicht das Gefühl, dass irgendetwas vernachlässigt sei.
 
Ich habe mir viele Gedanken darüber gemacht, woran denn dieser grandiose, besuchergerechte Park gescheitert sein könnte: Wahrscheinlich wurde er zum Opfer seiner eigenen Grösse und Unbeweglichkeit. Zwar weiss gerade auch Erich von Däniken, dass sich das Programm immer wieder etwas erneuern muss, wenn die Anziehungskraft der Anlage nicht erlahmen soll. Doch dafür sind die Voraussetzungen eher schlecht: Die einzelnen aufwändigen Bauten (Challenge, Nazca, Contact, MegaStones, als Lasershow belebt, Maya, Orient und Vimana) stehen unverrückbar im äusserten Kreise da, themengebunden, in Bezug auf Form und Einrichtung massgeschneidert. Das auch technisch durchorganisierte, feingliedrige Bauwerk erinnert mich an einen gestrandeten Riesenkraken, der sich nicht von der Stelle bewegen kann, sich festgekrallt hat. Unter solchen Voraussetzungen genügt es im Prinzip, einmal hinzugehen. Offenbar war der Besucherzustrom aus dem Ausland auf Dauer nicht genügend gross. Und vielleicht ist auch das Berner Oberland halt ohnehin zu reich an Freiluft-Attraktionen, so dass diese neue Dimension schon fast zur Hypertrophie, zur Überfülle, wird.
 
Der Mystery Park wird am 19. November 2006 geschlossen. Auf unbestimmte Zeit. Vielleicht erscheint irgendein Gott in Form von Ausserirdischen mit uns unverständlichen Talenten, um ihm neues Leben einzuhauchen. Ich würde mich aus Sympathie zu Erich von Däniken und seinem eigenwilligen Werk aufrichtig darüber freuen.
 
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