Textatelier
BLOG vom: 19.01.2007

England/Indien: Rassendünkel, Rassenwahn und -hass

Autor: Emil Baschnonga, London
 
Die 3 Stichwörter Rassendünkel, Rassenwahn und Rassenhass unterteilen die 3 Stufen des Abstiegs ins traurige Rassenthema, das – nicht nur in England – mehr und mehr Leid und Unheil anrichtet und das gesellschaftliche Zusammenleben stark und zunehmend beeinträchtigt, wenn nicht gar verunmöglicht. Gesetze und Strafen vermögen dagegen wenig auszurichten. Im mildesten Fall entschlüpfen den Menschen auf Rassen gemünzte Beleidigungen aus Gedankenlosigkeit und Dummheit; im schlimmsten Fall aus abgründigen Hassgefühlen, von Neid ausgelöst.
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Am Mittwoch, dem 17. Januar 2007, kam es unverhofft zu einem Skandal, der sich geographisch wie ein Lauffeuer ausbreitete und der viel Empörung entfachte. Im lausigen englischen TV-Programm (Channel 4) „Big Brother“ wurde die Bollywood Schauspielerin Shilpa Shetty, angeführt von Jade Goody und Konsorten, im doppelten Sinn hundsgemein beleidigt. Die Inderin wurde hinterrücks als Hündin bezeichnet.
 
Das geschah ausgerechnet, als Gordon Brown, Schatzkanzler in der Regierung Tony Blair, in Indien weilte, um den Handel zwischen England und Indien zu fördern. Inzwischen hat auch der indische Aussenminister gegen diese rassistisch motivierte Beleidigung der Inderin protestiert.
 
Während der 200-jährigen Kolonialzeit unterjochten die Engländer, aus ihrem damalig eingefleischten Rassendünkel heraus, die Inder, untergruben ihren  Stolz und behandelten sie als „Eingeborene“, die am besten als Dienstboten, allenfalls als kleine Beamte, taugten. Der Pazifist und Menschenrechtler Mahatma Gandhi rief sein Volk deshalb zum gewaltlosen Widerstand auf, und die Massenbewegung bewirkte, dass Indien 1947 endlich wieder seine Unabhängigkeit gewann.
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Allgemein gelten die Engländer als tolerant und dürfen keineswegs als Rassisten eingestuft werden. Welle um Welle von Einwandern aus Indien, Pakistan, Bangladesh, Afrika, der Karibik und China rollten ins Land und fanden ihr Auskommen. (Wer sich darüber ein genaueres Bild verschaffen will, tippe im Google-Suchfenster die Wörter: Ethnicity + London + England ein.) Reibereien und Streitigkeiten zwischen Leuten verschiedener Herkunft und aus unterschiedlichen sozialen Schichten hat es immer gegeben. Nur arten sie heute leicht zu schwärenden Konflikten aus, die bei geringster Provokation entflammen.
 
Neue Einwanderer aus Osteuropa machen sich jetzt in England sesshaft, worunter sehr viele Polen. Kürzlich hörte ich ein Gespräch zwischen 2 Engländern, das mir deren Gesinnung aufdeckte. Einer beschäftigte einige Polen und lobte sie als fleissig und hilfsbereit – und fügte lachend hinzu –, „obschon sie kein Englisch verstehen“, was an und für sich keine Rolle spiele.
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Die 1. Generation von Pakistanern übernahm mehr und mehr Lebensmittelgeschäfte und arbeitet von früh bis spät, von der ganzen Familie unterstützt. Die jetzige Generation verlässt die Universitäten als Anwälte, Ärzte und schlägt akademische Laufbahnen ein. Sie sind tüchtig und strebsam. Ihr Erfolg erweckt viel Neid und artet in Rassenhass aus.
 
Wer sind denn diese Neider? muss man sich fragen. Es sind oft junge Leute, die sich von der Gesellschaft ausgeschlossen fühlen, arbeitslos und unausgebildet sind und bleiben. Ihnen fehlen die Kraft und der Wille, um sich zu verbessern. Sie lungern in Bars und Pubs herum und suchen bei Drogen Zuflucht. Sie verlümmeln dabei ihre besten Jahre. Ihre Vorbilder sind die Unzahl von gewalttätigen Filmhelden im Fernsehen und in Video-Produktionen. Diese Aussenseiter hinterlassen viele Graffiti und begehen, wie man leider tagtäglich liest, viele Gewaltverbrechen und unternehmen Razzien auf „Pakis“ (Pakistaner) usf., einfach zum Spass ... Dabei muss festgehalten werden, dass viele der stark gesellschaftlich hintangesetzten Schwarzen mithalten. Ist das alles allein ihr Fehler? Gewiss nicht.
 
Es ist sicher verständlich, dass die gesetzlichen Schrauben gegen Rassenhass und seine Auswüchse satter gezogen werden. Auf längere Sicht noch wichtiger wäre es, dass sich die Medien eine bessere Selbstkontrolle auferlegten – und weniger Schmarren wie „Big Brother“ auftischen sowie engere Grenzen ziehen, um die scheusslichsten Filme und Videos aus ihren Programmen fernzuhalten. Wenn die Erziehung der Jugend so arg nachhinkt und ungleich und ungerecht unter Jugendlichen verteilt ist, wäre dies gewiss ein zumutbarer Beitrag, den die Medien zum Allgemeinwohl leisten sollten.
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Zum „Big Brother“-Vorfall bemerkt: Ich sehe nicht ein, warum sich Shilpa Shetty an diesem Programm beteiligt hat. Sie hätte es gewiss nicht nötig gehabt. Immerhin mag es ihr ein Trost sein, dass sie – im Gegensatz zu den Rassenhetzern – damit schlagartig enorm viel Publizität gewonnen hat. Leider aber gilt das auch für dieses Programm, dessen abflauende Zuschauerschaft jetzt wieder hochschnellt.
 
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