Textatelier
BLOG vom: 30.04.2007

Reaktionen auf Blogs (56): Mancherlei Gründe zum Ausrasten

Präsentation der Leserreaktionen: Walter Hess, Biberstein CH (Textatelier.com)
 
In verschiedenen Reiseberichten (wie im Blog vom 15. März 2007: Von der Basler Fasnacht bis Niklaus von Flüe, Sachseln) berichtete Emil Baschnonga darüber, wie ihm bei der Zollkontrolle vor dem Flug Basel–London bei der Leibesvisitation eine Flasche Schweizer Wein abgenommen worden ist. Dr. Konrad Ewald aus Liestal BL lieferte mir ergänzende Fakten, wie einen Bericht aus der Gratiszeitung „20 Minuten“ vom 11. April 2007: „Flugpassagiere toben wegen Gepäckregeln.“ Die Fluggäste rasteten aus, weil sie die (womöglich im Duty Free Shop gekauften Waren) gleich wieder abgeben konnten. Die Diskussionen über den von den USA inszenierten total überrissenen Kontrollunsinn führte sogar zu Verspätungen im Flugverkehr. Konrad Ewald schrieb dazu:
 
„Die wirklich stupiden Regelungen einer paranoiden (wahnhaften) Gesellschaft dürfen offenbar nicht angekratzt werden. Jetzt gibts sogar noch ein Infoplakat über das Verhalten gegenüber dem Sicherheitspersonal. Im Grunde ist die Tätigkeit des heutigen Sicherheitspersonals eine Vorschule für Folterer. Es ist jedoch jedem Einzelnen anheim gestellt, wie schikanös er (oder sie) die Passagiere behandelt und ihr Gepäck untersucht. Es ist jedem überlassen, ob er eine Frau nur Gürtel und Schuhe ausziehen lässt oder noch mehr. ‚Wir danken für Ihr Verständnis’ !!
 
Auf meiner letzten Reise habe ich ein Feuerzeug, ein Töpfchen Shampoo und 2 dl Orangensaft ,eingebüsst’; einen 2. Saft habe ich vor dem gestrengen Herrn ausgetrunken.“
 
Die Amokläufer
Stellt die heutige Gesellschaft die Voraussetzungen zum Ausrasten bereit? Vielleicht müsste man das gerade in den USA aktuelle Phänomen des Amoklaufs auch einmal unter diesem Vorzeichen betrachten. Mit dem neuesten Fall eines solches Ausrastens an der Universität Blacksburg (Virginia) habe ich mich im Blog vom 19. April 2007 (Massaker-Mathematik: Unterschiedlich bewertete Amokläufe) befasst, wobei es vor allem um den besonderen grossen Wert der Angehörigen der Imperialmacht USA ging. Am gleichen Tag kam die „Badische Zeitung“ zu ähnlichen Erkenntnissen. Heinz Scholz aus D-79650 Schopfheim sandte mir einen Auszug aus der betreffenden Meldung (dpa/AFP/wr):
 
„Auch die iranische Regierung sprach den Familien der Getöteten ihr Beileid aus – und holte anschliessend zu einem Rundumschlag gegen die Regierung Bush aus. Auslöser dafür war offenbar die Rede des Präsidenten auf dem Campus der Universität. Bush hatte darin das Blutbad als schreckliche Tragödie bezeichnet. ‚Wenn ein Selbstmordattentäter auf einem irakischen Marktplatz 32 Unschuldige tötet, dann ist das Terrorismus. Wenn das Gleiche in Amerika passiert, dann ist es das nicht’, schrieb die vergleichsweise liberale saudische Tageszeitung Arab News.
 
Kein Wort über die unrühmliche US-Waffenlobby. Dieser sind die 11 000 Toten, die durch Waffengewalt in den USA jährlich ihr Leben lassen müssen, egal. Das ist ein Massaker, wie es ausserhalb eines Krieges nicht grösser sein kann. Nun fordert die Waffenlobby noch mehr Waffen. Studenten, Lehrkräfte und auch Putzfrauen sollen sich gefälligst bewaffnen, um Attentäter mausetot zu schiessen. So ein Irrsinn. Man kommt sich vor wie im Wilden Westen (die USA ist wohl immer ein Wilder Westen geblieben).“
 
Nicht die Waffe ist verantwortlich
Dr. Martin Eitel (E-Mail: m.eitel@gmx.net) befasste sich mit dem gleichen Problem unter dem Aspekt des Waffenbesitzes. Er schrieb ans Blogatelier:
 
Richtig ist natürlich, dass in erster Linie für solche Morde der Täter selbst und nicht die Waffe verantwortlich ist. Wir haben zurzeit in der BRD, genauer in Berlin, einen Kriminalfall, der vor dem Berliner Landgericht anhängig ist und in dem es um 6 erfolgreiche und 2 versuchte Morde an Patienten der Charité durch eine nichtärztliche Mitarbeiterin geht. Diese Dame hatte keine Waffe im eigentlichen herkömmlichen Sinn, sondern sie hat Patienten mit Spritzen umgebracht, und das schärfste an dem Vorgang ist, dass die Kollegen das durchaus mitbekommen, aber nichts unternommen und dadurch erst die ganze Serie ermöglicht haben. Dies wurde z. B. auch am 19.4.2007 im Magazin ‚Kontraste’ des RBB berichtet (www.rbb-online.de).
 
Ich will damit meine These verdeutlichen, dass letztlich nicht die Waffe verantwortlich ist, wenngleich natürlich nicht zu bestreiten ist, dass der erleichterte Waffenbesitz das Risiko zweifelsohne stark erhöht, und es ist ja wohl auch schon zu Problemen in der Schweiz mit den zu Hause aufbewahrten Militärwaffen gekommen.
 
Was dem US-Bürger für seine Freiheit die Waffe bedeutet, ist für die nördlichen Nachbarn der Schweizer die freie Fahrt für freie Bürger, also die Ablehnung eines Tempolimits.
 
Gewalt im Schulzimmer
Mit einer immer kleiner werdenden Verzögerung übernehmen wir Nachäffer-Idioten jeweils die Kriminalitäten aus den USA, Schritt um Schritt zivilisatorische Errungenschaften vernichtend. Wir sind im Rahmen dieses Prozesses gerade bei der Gewalt an Schulen angelangt, nachdem wir schon den Feminismus mit dem damit einhergehenden Zerfall der Familien 1:1 aus den USA übernommen haben (siehe Blog vom 5. April 2007: Lehrer auf der Flucht: Vom Terror und Horror in Schulzimmern). Auch in der Schweiz erzwingen  die Schüler allmählich die Herrschaft über Lehrer und Schulbehörden. Und wahrscheinlich werden auch an Schulhauseingängen in der Schweiz bald einmal auch Sicherheitskontrollen wie auf Flughäfen durchgeführt werden. Heinz Scholz lieferte dazu Angaben über die Zustände in Deutschland:
 
„Lieber Walter,
gut, dass Du die Gewalt an Schulen angesprochen hast. Vielfach haben die Schüler den Respekt gegenüber Lehrern und Eltern verloren. Hier hat hauptsächlich das Elternhaus versagt.
 
In Deutschland wurde die Rütli-Hauptschule in Berlin-Neukölln bundesweit bekannt, als die Lehrer einen Brandbrief geschrieben hatten. Sie forderten wegen der Gewalt die Schliessung der Schule. Daraufhin folgte eine innenpolitische Debatte über das Schulsystem in Deutschland, über die Gewalt an Schulen und die Integration von Immigrantenkindern. Es wurden folgende Projekte zur Gewalteindämmung gestartet:
 
Projekt Boxen: Es wurde das Wahlpflichtfach ‚Boxen’ geschaffen, um über den Sport Regeln und Werte zu vermitteln.
Projekt ‚Rütli Wear’: Mittels Siebdruckverfahren können Schüler T-Shirts mit eigenen Grafiken produzieren.
Workshop der Show-Gruppe ‚Young Americans’: Nach Abschluss des Workshops führten die Schüler ein Musical auf. Angeblich soll jetzt Ruhe eingekehrt sein.
 
Andere Schulen führen jetzt das ‚Singen’ wieder ein, um die Gewalt zu dämpfen.
 
In der 7. Klasse der Michael-Ende-Hauptschule in Schönborn ist als ständiger Gast eine Labrador-Hündin anwesend. Die Schüler gehen jetzt lieber wieder in die Schule und lernen besser. Ein 13-jähriger Schüler dazu: ‚Wir sind nicht mehr so gewalttätig, es wird bei uns nicht mehr so viel gemobbt.’ Falls die Stimmung umkippt, bekommen die Schüler ‚Hundeentzug’.
 
In anderen Schulen schlichten ausgebildete Schüler Streitereien auf Schulhöfen, Bussen oder der Bahn.
 
Nun wollen wir alle hoffen, dass solche oft etwas banal bis brutal anmutenden Massnahmen wenigstens fruchten, wenn schon nicht bei den Ursachen angesetzt wird.
 
Unterschiedlich ausgeprägter Anstand
Zum gleichen Blog äusserte sich Luz Pfosi (E-Mail: luzpfosi@bluewin.ch) folgendermassen:
 
Es ist besonders für unsere (ältere) Generation nur schwer nachvollziehbar, was heute bei der Jugend abgeht. Wir waren noch so erzogen, dass der Lehrer fast eine Ikone war.
 
Ich sehe die Ursachen für das heutige Problem vor allem bei den ausländischen Schülern. Die Eltern dieser Kinder kommen vielfach aus einer fast rechtlosen Gesellschaft, in der das Messer eine grosse Rolle spielt. Sie sind total überfordert und sehen bei sich selbst keine Schuld. Sie lassen sich nie integrieren und betrachten die Schweiz als Selbstbedienungsladen. Man nimmt, was einem passt, und schert sich einen Dreck um die Pflichten, die man unserem Staat gegenüber schuldet. Die Einbürgerungen sind noch immer viel zu large.
 
Es werden Millionen von Franken verschleudert. Statt rigoros aufzuräumen, findet sich immer jemand, der diese Missstände bagatellisiert (etwa Psychiater, die selber Psychiater benötigen). Bedingte Strafen sind keine Strafen, sondern geradezu eine Einladung für weitere Delikte. Wer sich nicht integrieren lässt und sich unanständig verhält, sollte das Land sofort verlassen müssen.
 
Anderseits möchte ich darauf hinweisen, wie friedlich doch die Tibetaner sind. Noch nie war eine einzige Rüge nötig!
 
Dauershopping als Lebensinhalt
Die Schweiz als Selbstbedienungsladen und die Selbstbedienungsläden in der Schweiz: Es gibt immer mehr von solchen Einkaufstempeln (siehe Blog vom 3.4.2007: Sihlcity in Zürich: Wo Dauershopping zum Lebensinhalt wird). Dazu kam ein freundliches E-Mail von Hans Ellenberger (E-Mail: ellenberger@siwssonline.ch):
 
Ja, lieber Herr Hess, Sie sprechen mir wieder einmal aus der Seele. Früher ging man in die Kirche, heute geht man shoppen. Die modernen „Erlebniszentren“ versprechen uns den Himmel auf Erden. Hier gehen alle Wünsche in Erfüllung, hier findet der moderne Mensch offenbar alles, was er zum Leben braucht, und weil er unter seinesgleichen ist, gibt ihm das erst noch ein gutes Gefühl.
 
Was treibt den Konsumenten eigentlich an, immer mehr Dinge kaufen zu wollen, obwohl er im Grunde doch alles schon hat? Ist es der Traum von einem schöneren und besseren Leben? Hat er einen höheren Stellenwert in der Gesellschaft, wenn er eine Rolex am Arm trägt, oder ist er dann gar ein besserer Mensch?
 
Schon seit einiger Zeit habe ich das Phänomen beobachtet, dass sich Menschen zunehmend über ihren Konsumstil definieren. Früher kaufte man Güter ausschliesslich wegen ihres Gebrauchswerts. Dann kam die Zeit der dicken Lifestyle-Magazine, die einem weismachen wollten, man sei nur bei den Leuten, wenn man die „richtige“ Marke kaufe (wer Kinder hat, die in der Schule dem Markenterror unterworfen waren, weiss, wovon ich spreche). Und heute wird der Akt des Einkaufens selbst mit aller Gewalt zum Ereignis und zum Erlebnis hochstilisiert. Flanieren, kaufen, essen und trinken, ins Kino und vielleicht sogar in die Kirche gehen, sehen und gesehen werden – all dies als ultimatives Freizeiterlebnis, und alles in einer geschlossenen, total künstlichen Erlebniswelt. Einkaufen als Flucht vor der Langeweile? Schöne, neue Welt ...
 
Fürwahr, wo Dauershopping zum Lebensinhalt wird (werden soll), ist irgendetwas gewaltig schief gelaufen.
 
Nun könnte man diese Konsum-Trends amüsiert beobachten und dann zur Tagesordnung übergehen, denn persönlich kann man sich ja dem Konsumerlebniszwang ziemlich leicht entziehen. Aber leider sind diese Entwicklungen gefährlich, denn sie zerstören unsere natürlich gewachsene lokale Versorgungs-Infrastruktur. Die lokalen Versorgungseinrichtungen können nämlich auf Dauer gegen die geballte Angebotsmacht der Shopping-Malls nichts ausrichten und werden verschwinden. Dann haben auch wir nicht mehr die freie Konsum-Wahl.
 
Wir können die Konsumgewohnheiten unseres Landes nicht verändern, wohl aber unsere ganz persönlichen Präferenzen. Deshalb ist es so wichtig, unser Verhalten immer wieder zu hinterfragen.
 
Mit freundlichen Grüssen
Hans Ellenberger
 
Die abgeschaffte Vorhölle
Sogar der Vatikan hat seine Dogmen hinterfragt und die Vorhölle endlich geschlossen (Blog vom 23.4.2007: Vatikan: Wird nach der Vorhölle auch die Hölle abgeschafft? Heinz Scholz hielt dazu noch einige bezeichnende Erinnerungen fest:
 
Als ich die Nachricht in der Presse und in den Online-Ausgaben der Zeitungen am 21. April 2007 las, war ich doch sehr überrascht, dass die Vorhölle vom üblicherweise reformunwilligen Vatikan abgeschafft wird. Ich kann mich noch gut an das Geschwafel unseres Pfarrers und auch im Religionsunterricht in diversen Schulen erinnern. Dort wurde nicht nur den Erwachsenen, sondern auch den Heranwachsenden regelrecht Angst gemacht, nach dem Motto: „Wenn ihr eure Kinder nicht tauft, droht Ungemach. Die kommen alle in die Vorhölle!“ Deshalb wurde alles unternommen, um Neugeborene, kaum dem Mutterschoss entrissen, so schnell wie möglich zu taufen. Wehe, wenn das Kind vor der Taufe verstarb! Dann bekamen die Eltern Gewissensbisse und das arme Kind musste in der Vorhölle schmoren ...
 
Ich hoffe, dass in nächster Zeit noch weitere alte Zöpfe vom Vatikan abgeschafft werden. Beispielsweise das unselige Zölibat, das eine Erfindung der katholischen Kirche im Mittelalter ist. Davon steht kein Wort in der Bibel oder in den alten Schriften. Kritiker beurteilen die Unfehlbarkeit des Papstes in Glaubensfragen als weltfremd und selbstherrlich. Der Papst ist ja auch nur ein Mensch.
 
Aber ausgerechnet in dessen Nähe scheint sich das noch nicht herumgesprochen zu haben.
 
Komplimente
Wer bloggt, dem wird geschrieben, und oft sind es kleine Zwischenrufe aus dem Nutzerkreis, die uns freuen, so jener von einem Bobby mit einer frei erfundenen E-Mail-Adresse:
 
Hi! a find you site in google, it’s nice! I have no own homepage ...
 
Das kann ja noch werden.
 
An die Adresse von Primo Lorenzetti, den künstlerisch tätigen Schreiner und Ehemann von unserer Bloggerin Rita Lorenzetti, ging diese Post von Mattia Bedetti ein (E-Mail m.bedetti@bluewin.ch), bezugnehmend aufs Blog vom 9.5.2006:Zweitklässler fragten nach Schule und Leben von einst:
 
Mich beeindruckt Primo Lorenzetti sehr und habe mich auch über seine Homepage www.lorenzetti.ch gefreut.
 
Und genau im Hause Lorenzetti ist mein Bericht über das Umspaten des Gartens vom 29.3. 2007 (Unruhestiftung im Bodenleben: Mit dem Spaten im Garten) gut angekommen: Rita:
 
Ganz schöner Bericht! Zum nahe Dabeisein.
 
Und ich möchte alle Nutzerinnen und Nutzer auffordern, sich mit ihren Gedanken, Anliegen und Kommentaren zu melden. Klicken Sie einfach auf den Link, der sich unter jedem Blog findet:
 
 
Hinweis auf die bisher erschienenen „Reaktionen auf Blogs“
04.04.2007: Reaktionen auf Blogs (55): Auf Kreuzfahrt statt ins Altersheim?
Hinweis auf weitere Blogs von Scholz Heinz
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