Textatelier
BLOG vom: 07.06.2007

London aktuell: Gerangel ums „London Olympics Logo“

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
 
Ein heftiger Meinungsstreit ist ums London Olympics Logo entbrannt. Bisher protestierten 33 000 Leute gegen dieses eher klotzig-klobige Emblem, das – elektronisch belebt – epileptische Anfälle auslösen kann. Diese Protestkampagne wird sogar von MPs (Members of Parliament) unterstützt, da sie nichts Wichtigeres zu tun haben. Der Erfinder dieses Logos, Michael Wolff (von der Firma Wolff Olins, London), kriegte dafür die fürstliche Summe von £ 400 000.
 
Mich freut es, wenn sich das englische Gemüt derart erhitzt. Weder das anstehende G8-Debakel in Heiligendamm kann, noch konnte der Irak-Feldzug so einen gluthitzigen Protest entfachen.
 
Besser hätte es der ausgehende Primerminister Tony Blair nicht treffen können, als er sich zum Thema äusserte: „When people see the new brand, we want them to be inspired to make a positive change in their life.“
 
Er geht jetzt, von seinem Beispiel inspiriert, voran, diesen positiven und längst überfälligen Wechsel in seinem eigenen Leben zu vollziehen, wiewohl erst unter grossem Druck, aber dennoch … Das ist sein bestes Legat, das er dem Land hinterlassen kann.
 
Inzwischen ist das Budget für die erst 2012 stattfindende Olympiade auf £ 9,3 Milliarden hochgeschnellt – 4 × mehr als zuerst veranschlagt worden ist. Diese Summe wird prozentual Schritt halten mit der Zuwachsrate der Logo-Protestwelle. Vermutlich werden sich die Proteststimmen bereits auf rund 45 000 erhöht haben.
 
Jemand nannte dieses Logo eine zertrümmerte Swastika (Sonnen- oder Lebensrad, Hakenkreuz). Es kann ja auch emblematisch sein für die bisher erstellten Bruchteile der für die Olympiade benötigten Infrastruktur, worunter besonders auch die Transportverbindungen zum Stadion in Stratford.
 
Viele Logo-Alternativen werden jetzt laufend postuliert. Schade, dass die Grafitti vom Strassenkünstler Bansky (siehe Blog vom 4.08.2005:Wie Bransky, der Grafitti-Künstler, sein Unwesen treibt) inzwischen auf dem internationalen Kunstmarkt unerschwinglich teuer geworden sind. Aber auf der Fahrt durch London lassen sich ganz gewiss geeignete Varianten spottbillig auftreiben. Ich wette, dass jetzt schon Horden mit Sprühdosen unterwegs sind, um ihre Inspirationen an die Mauern zu klecksen. An einem solchen Wettbewerb sollten unbedingt auch alle Kindergärten mithalten. Das wäre doch lustig! In diesem Alter kann zum Glück in jedem Kind ein Künstler entdeckt und erweckt werden.
 
Der diamantbesetzte Totenkopf von Damien Hirst
Dieser Schädel wurde mit 8601 Diamanten beschickt und trägt erst noch echte Zähne im Kiefer. Was ist der Wert dieses Schädels? Schlicht und einfach £ 50 Millionen. Warum nicht synthetische Diamanten dazu benutzt wurden, weiss ich nicht. Oder doch: Der Kunstwert wird heute mit Geldwert gleichgesetzt. Das ist das 1. Emblem, das auch als Sinnbild verstanden werden kann, das mir dazu einfällt. Es entspricht unserem Zeitgeist ganz und gar.
 
Nebenbei, ist das Wort Emblem vom griechischen „emblema“ abgeleitet und bedeutet „Einlegearbeit“. Eine riesige Einlegearbeit in diesem traurigen Fall. Das Thema Tod fesselt Damien Hirst bis zur Besessenheit. Er beschäftigt sich auch mit Kadavern von Kühen, Schafen und dem Tigerhai. Folglich kann auch der Tod, sei es in Form von Schädel oder Kadaver, rechtens als 2. Emblem unseres Zeitalters gelten.
 
Demien Hirst begann seinen phänomenalen Aufstieg zum internationalen Ruhm 1990 als Protegé des einschlägig bekannten Sammlers von Kitsch: Charles Saatchi. Zum Kunstkitsch braucht es wenig. Damien Hirst erwarb sich die schlechteste Note ‚E’ in der „A-Level Art’-Prüfung. Seither hat er sich gewaltig aufgerappelt. Ich schlage vor, dass sein Totenkopf – nein, ich darf die Beziehung zum Logo der Olympiade nicht aussprechen –, sonst wird mir gewiss jemand die Kehle aufschlitzen …
 
Hinweise auf weitere Blogs zum Leben in England
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