Textatelier
BLOG vom: 17.06.2007

Eigene Weisheiten: Hausgemachtes Aphorismen-Elixier

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
 
Das im Titel erwähnte Aphorismen-Elixier kann sich jedermann aus der Überfülle des Lebensborns selber mischen, als da sind Vorfälle, Eindrücke, Erlebnisse und ganz besonders Beobachtungen (sei es der Natur oder Mitmenschen). Wichtig dabei ist nur, dass man daraus seine eigenen Aphorismen keltert. Aphorismen sind die Abdrücke des Geistes. Sie entwachsen aus der eigenen Gemütsart, Sensibilität, Denkweise und Weltanschauung.
 
Als eine weitere Voraussetzung zum gelungenen Aphorismus braucht es Seelenruhe, damit die Gedanken frei schweifen können, man seinen eigenen Gedanken nachhängen kann
 
Seit Wochen habe ich keine Aphorismen mehr geschrieben. Doch in den letzten 2 Tagen überfielen sie mich nicht stückweise, sondern ihrer 27 – einer um den anderen. Ob ich sie allesamt in mein „Schatzkästlein“ aufnehme, ist fraglich. Viele Einfälle erweisen sich beim Durchlesen anderntags als schal oder abgedroschen. So muss der Aphoristiker sein eigener Kritiker sein.
 
Das Zeitgeschehen als Aphorismen-Fundgrube
Als ich wohl als 20-Jähriger meine ersten Aphorismen schrieb – „Schnipsel“ nannte ich sie –, blätterte ich wahllos im Duden. Schwupps sprang mich ein Wort an, das mich als Stichwort beflügelte. Versuchen Sie es selbst!
 
Später sprangen mich oft solche Stichwörter bei der Lektüre von Zeitungen an. Vieles, das ich lese, ärgert oder betrübt mich. Aphorismen sind dann wie Ventile, um Dampf abzulassen.
 
Ich habe etwas, eigentlich sehr viel, gegen CCTV (closed-circuit television = Überwachungskamerasysteme), wie in diesem Aphorismus gezeigt:
 
Gottes Auge ist überall. Warum denn CCTV sogar in Kirchen installieren?
 
Aus Beobachtungen (an sich selbst und anderen) ableitbare Aphorismen
Dazu einige Beispiele:
 
Einer mogelt, ein anderer nörgelt. Ein geschickter Schreiner hobelt beide flach.
 
Zu einer mir hinlänglich bekannten Lebenserfahrung:
 
Der Mensch bewegt sich viel auf seiner Suche nach Ruhe.
 
Nach einem fliegenden Start landet man leicht auf der Nase.
 
Das lässt sich auch so sagen:
 
Bedenke, wer ganz oben auf dem Glücksrad ist, dass es nach unten weist.
 
Der nächste Zwischentitel liegt auf der Hand und gilt dem Glück
 
Glück hat auch, wer sich seiner Kindheit lebenslänglich erfreut.
 
Das Glück kommt auf dich zugeflogen, bedenke, von einem, dem es entflog ...
 
Eine Glücksträhne soll niemand scheiteln; eine Pechsträhne hingegen jedermann gelockt tragen.
 
Er hatte einen Vogel, der ihm Spiegeleier legte.
 
Sie baute ihr ganzes Glück auf ihn, bis es ihn erdrückte.
 
Wortspiele zum Aphorismen-Spass
Eines meiner erstgeprägten dieser Art, wiederhole ich hier:
 
Masse messen mässig, mittelmässig.
 
Weshalb verstimmen uns gewisse Dinge? Einfach weil sie stimmen.
 
Der Volksmund bewährt sich, weil er sich immer wieder bewahrheitet.
 
Das Thema Liebe lockt Aphorismen an, wie der Honig die Bären
 
Somit: Mit der Liebe ist gut kochen. Mit der Freundschaft gut essen. Allein verdaut sich am besten.
 
Die Liebe muss verdient werden – abverdient.
 
Die Macht der Frauen kommt erst nach der Nacht an den Tag.
 
Dem Liebenswerten fehlt bloss eines: die Leidenschaft.
 
Wer Aphorismen schreiben will, soll sich nicht von Kategorien einengen lassen
In Kategorien denken, unterbindet die Einfallsfreude. Deshalb beschliesse ich diese Aphorismen-Eskapade (fast) kommentarlos kreuz und quer durchs Tummelfeld der Gedanken:
 
Er trat sehr grossspurig auf, aber fand kein Geleise weitspurig genug für ihn.
 
Die starrsten Mauern sind rund um die Seele geschichtet.
 
Mit viel Herzblut geschrieben – lieber mit mehr Herz als Blut.
 
Kein noch so gewiegter Gedankenleser kann meine vom Gesicht lesen. (So ein Stoiker!)
 
Wer das Richtbeil trägt, übe zuerst an seinem eigenen Kopf. (Das muss ich mir manchmal auch sagen lassen und weniger hart [ver]urteilen.)
 
Wer sich mit Problemen auseinandersetzt, sollte wissen, wie man sie zu Lösungen zusammensetzt. (Wer erwischt sich nicht dabei, Probleme umsonst zu wälzen …)
 
Der echte Feldherr zieht zuvorderst in den Kampf. Der Politiker ersucht um Dispens.
 
Nichts schützt besser vor Neidern als gut verhehlte Eigenschaften. (Welche beneiden sie am meisten? Das bietet vielerlei Ansätze zu Aphorismen.)
 
Sein Lächeln glich einem Zuckerguss über Sauerteig.
 
Sei knauserig mit dem Vertrauen, das du schenkst, damit es nicht als selbstverständlich hingenommen werde.
 
Von guter Bildung zeugt, wenn man sich selbst und anderen gegenüber Bildungslücken eingestehen kann.
*
Das wärs für heute. Ich wünsche Ihnen viel Ruhe, Vergnügen und Erfolg beim Sammeln Ihrer eigenen Aphorismen.
 
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