Textatelier
BLOG vom: 02.08.2007

Die Tücken des Objekts – oder: Mensch, ärgere dich!

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
 
Wir alle erfahren die Tücken des Objekts meistens anders als alle anderen. Meine habe ich einfach zum Spass und Händereiben für Sie aufgeschrieben. Denn Ihre würden mir, wenn ich sie kennen würde, wohl auch ein Lächeln abnötigen, da Sie sich über andere Dinge ärgern als ich. Augenblick: Es gibt Tücken des Objekts, die uns allesamt ärgern, zum Beispiel jene mit den Verschlüssen und Verpackungen aller Art; Kabeln, Schnüren und Gartenschläuchen, die sich von selbst verknoten; Büroklammern, die einander umschlingen. Diese lasse ich hier beiseite und widme mich meinen eigenen, nur 2 davon auf einmal ... unter vielen anderen …
 
Der Rasenmäher
Heute endlich, nach unendlich vielen Regengüssen in England, will ich die Sonne in meiner Raststätte, dem Garten, aufsuchen. Leider werde ich dort oft rastlos. Diesmal stelle ich fest, dass der Rasen rasend hochgeschossen ist und sich das Moos schwammig breit macht.
 
„Heute oder nie!“ springe ich von meinem Sitz hoch und bugsiere den Rasenmäher aus der Blache (Abdeckung). „Hätte ich doch ein Schaf …“, seufze ich, wie ich mir beinahe Arm und Schulter verrenke, zum x-Mal vergeblich an der Schnur des Anlassers ziehend. Endlich knattert der Motor und belohnt mich mit einer schwarzen Giftwolke aus dem Auspuff.
 
2 Streifen Gras bewältigt die Maschine, ehe das Chassis auf der rechten Seite absackt und den Motor abwürgt. Wer flickt heute noch einen Rasenmäher, erst noch einen, den ich aus 2. Hand erworben hatte? Ich natürlich, das geplagte Schaf! Mit Zwang, Zange und Kupferdraht gelingt es mir im 2. Anlauf, mit viel Zeitaufwand verbunden, den losen Stift – inzwischen mit verbundenem Finger – ins Fahrgestell zu binden. (Hammerschläge haben zuvor versagt.) Im sprichwörtlichen Schweisse des Angesichts richte ich mich auf. „Da hast du gute Schweizer Qualitätsarbeit geleistet“, lobe ich mich. Endlich kann der Rasen wieder grasen und ich rasten, wie sich die Sonne hinter den Wolken verzieht.
 
Das Fahrrad
Das Fahrrad, wie ich es kannte, gibt es wohl nicht mehr, ausser in Holland. Mein alter „Göppel“ der Marke Raleigh hatte bloss 3 Gänge (immerhin 2 mehr als das klobige Militärvelo der Schweizer Armee damals). Diese 3 Gänge genügten mir. Obendrein hatte es erst noch einen Gepäckträger für den Rucksack. So gerüstet konnte ich einst mit meinem Freund sogar verschiedene Pässe bezwingen, angefangen mit dem „Passwang“ anlässlich unserer 14-tägigen „Tour de Suisse“.
 
Einer meiner Söhne hat mir sein Fahrrad der Marke Peugeot vermacht. Dieses hat mehr Gänge als ein fürstliches Essgelage. So viele Gänge kann ich beim besten Willen nicht verkraften –, und ich will mich auf die bekannten 3 beschränken. Ganze 3 Jahre lang hatte dieses Velo ungeschützt im Garten gestanden. Spontan beschliesse ich, dieses Velo wieder in Schuss zu bringen. Dann kann ich im Wimbledon Village umweltfreundlich meine Zeitung holen und erst noch ein umweltfeindliches Päckchen Zigaretten (leider finde ich dort keine Villiger-Stumpen).
 
Von diesem Vorsatz beseelt, schmiere ich die Velokette und tröpfle Öl in die verschiedenen Gelenke – nicht meine, doch in die des Velos. Die Versuchsfahrt im Garten überstehen das Velo und ich heil.
 
Also denn schwinge ich mich draussen auf der Strasse auf den Sattel und erreiche das Ende der Strasse, wo tückisch die Kette dem Zahnrad beim hinteren Rad entspringt. „Das soll mich nicht lange aufhalten“, denke ich. Ich stelle das Fahrrad auf den Kopf, um mit alterprobten Griffen den Schaden zu beheben. „Oha lätz – ums Verworgen“ ... liegt die Kette fest zwischen 2 von einer Reihe von Zahnrädern wie im Schraubstock eingeklemmt. „Excuse the language“, sagten die Engländer einst, wenn sie Kraftausdrücke – wie ich eben jetzt – in den Mund nahmen. (Solche Entschuldigungen sind heute selten geworden.)
 
Also verflucht nochmals: „Warum hat es so viel Zahnräder am hinteren Rad, wenn eines genügt hätte“, hadere ich verärgert. Ich kann die Kette nicht lockern. Da stand ich mit 10 schwarzen Fingern am Strassenrand. Da fällt mir zum Glück ein, dass es unweit in der Church Street noch einen altmodischen Veloladen gibt. Der hilfsbereite Bursche im Laden behebt den Schaden mit 2 Handgriffen. Man lernt nie aus.
 
Soll ich das Velo jetzt in Ruhe lassen? Nein, es lässt mich nicht in Ruhe … Bei der nächsten Ausfahrt spulen meine Beine plötzlich 10 Mal im Kreis, um einen Meter zu gewinnen. So kommt man im Leben nicht vorwärts. Die Ursache ist rasch geortet. Die Kette haftet auf dem kleinsten Zahnrad. Sogar im dritten Gang gewinne ich allenfalls 2 Meter pro 10 Pedalkreise. Rechts auf der Lenkstange ist die Kuppelung der 3 Gänge angebracht. Auf der linken Seite hat es ebenfalls ein Hebelgerät, das ich vorsichtshalber in Ruhe gelassen habe. Ich drücke daran herum und gewinne gratis zum Lohn den ganzen Leerlauf. Besser überlegen statt den Kopf verlieren. Die Strasse neigt sich etwas. Ich sitze wieder im Sattel und kurbele links, wie ich pedale, ganz sachte – und fürwahr ... rutscht die Kette nach und nach vom kleinsten zum grössten Zahnrad über. Aber dank den 3 Gängen auf der rechten Seite komme ich jetzt rascher voran als je zuvor. Juhee!
 
Mensch ärgere dich: Lehrgeld muss bezahlt werden, um den Tücken beizukommen.
 
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