Textatelier
BLOG vom: 01.12.2007

Ich bin ein IT-Banause im Überwachungsstaat England

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
 
Die IT (die Informationstechnik im Allgemeinen und der Computer im Besonderen) kann wie ein Esel hinten ausschlagen und trifft wiederholt mein Schienbein. Es ist mir kein Trost zu wissen, dass ich bezüglich IT nicht der einzige Dummkopf bin. Vor einer Woche hat mein IT -gewiegter Geschäftsfreund aus Deutschland mein vertrautes Windows XP mit dem Microsoft Office 2007 aufgepfropft und mir zugesichert, dass diese Aktualisierung keineswegs mein XP berühre. Die ganze Befehlsstruktur hat sich verändert. Einfach toll, was man mit diesem Microsoft Office nicht alles tun kann!
 
Der Haken ist dabei, dass ich alle diese Verfeinerungen nicht zwingend brauche. Sie lenken mich von meiner eigentlichen Aufgabe ab, und ich verliere viel Zeit damit. Mit dem dazu benötigten Zeitaufwand könnte ich Chinesisch lernen. Gäbe es doch einen PC mit dem schlichten Hinweis: „Vor Gebrauch schütteln.“
 
Seit altersher, hoffentlich nicht altersbedingt, befolge ich die Devise „in der Beschränkung zeigt sich der Meister“ – oder wie der Engländer sagt: „Keep it simple.“ Mit 2 Dutzend IT-Handhabungen kam ich bisher recht gut durchs Leben. Ich schreibe Texte, lagere sie im IT-Gedächtnis ein. Ich kann das Schriftbild frisieren, den Text kursiv oder fett schreiben, sogar unterstreichen. Auch die Schriftfarbe kann ich wählen und die Schriftart bestimmen. Ebenso gelingt mir das Drucken der Texte auf 2 Druckern, mit oder ohne Druckfehlerteufel. Über den „Outlook Express“ sende und empfange ich E-Mails. Das Google steht mir hilfreich bei, wenn ich etwas wissen will oder, was für mich besonders wichtig ist, ins Textatelier.com über „bookmarks“ einsteigen will. Dank der Beihilfe meines Kollegen habe ich den Schalter „Änderungen nachvollziehen“ wieder im Griff. Mit dem „copy“ und „paste“ hapert es momentan noch. Meine Programme sind teils auf Deutsch, teils auf Englisch. Ich bin geneigt, den IT-Jargon-Spezialisten Sprachunterricht zu erteilen. Sie verhunzen die Sprache mit Fachausdrücken, die den Laien verunsichern.
 
Mein werter Kollege hat ganz recht: „Die Zeiten ändern sich, und man muss ihnen folgen und sich anpassen“. So halsstarrig bin ich nicht, dass ich das nicht einsehe, aber … ich habe zugeschaut, wie IT-Kenner ihrerseits (mein Kollege nicht ausgeschlossen) leicht ins Strudeln geraten, wenn sie dem PC ihren Willen aufzwingen wollen und ihnen dabei immer wieder etwas entrutscht (die berüchtigten „computer glitches“), immer wieder etwas Neues und Unerwartetes. Aber sie lassen nicht locker. Ihr Beharrungsvermögen siegt zuletzt – einige „Megabites“ vom Herzinfarkt entfernt … Auf die E-Mail-Schwemme bezogen, stelle ich fest, dass viele Empfänger wesentlicher Mitteilungen allenfalls höchst oberflächlich lesen, was selbst im Geschäftsleben mehr und mehr feststellbar ist. Die Kunst des Lesens versandet. Schlotterig abgefasste Texte schrecken manchen Leser ab. Der Sinn und Zweck wirksamer Kommunikation strauchelt. Ich will hier nicht weiter meckern. Walter Hess hat es am Schönsten gesagt: „Auch PCs sind nur Menschen.“ Eben.
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Andere IT-Tücken
Wie tückisch die IT in verbrecherischen Händen sein kann, deckt das Schlamassel der verlorenen persönlichen Daten-Dossiers in England auf. 2 herunter geladene Computer Disks verschwanden spurlos in der Post. Alle Sicherheitsvorkehrungen wurden missachtet. 25 Millionen Leute – Bezüger von Kinderzulagen in diesem Fall – sind jetzt vom Computerbetrug bedroht. Ihre Bankangaben, Wohnadressen usf. wurden unabgesichert gespeichert. Diese Datenkrise hat jetzt die britische Regierung bewogen, das anstehende Erfassen der Personalien von 11 Millionen Kindern, übrigens ein aufwendiges Projekt von £ 224 Millionen, auf Oktober 2008 zu verschieben. Eltern haben gegen dieses Project „Contact Point“ protestiert. Die „Torys“ (Konservative Partei) wollen, dass dieses Unterfangen aufgehoben wird. Nachweisbar verlieren auch viele Beamte ihre mit vertraulichen Daten vollgestopften „laptops“, was schlimme Folgen haben kann.
 
Englands reiches Datenbanken-Sortiment
Trotz des Datenschutz-Gesetzes verschlucken in England immer mehr öffentliche Datenbanken die Personalien und viel mehr des ahnungslosen Publikums. Eine Übersicht über diese Errungenschaften (lies: Machenschaften) ist angezeigt:
 
– NHS medical records data base erfasst die Krankengeschichte der Patienten. Mit einem Aufwand von £ 12 Milliarden sollen 50 Millionen Patienten erfasst werden. Ein „glitch“ (ein Ausrutscher) und ein Datenräuber kann in die Krankengeschichte von X und Y einsteigen.
– DNA database, die grösste solche Datenbank weltweit, enthält die DNA-Angaben von bereits 4,25 Millionen Leuten (wovon 900 000 Kindern). Monatlich kommen 30 000 neue Einträge hinzu. Wer von der Polizei verhaftet wird, ob schuldig oder unschuldig, wird „lebenslänglich“ – wohl lang über seinen Tod hinaus – gespeichert.
– Police records werden in Hendon gespeichert und enthalten gegenwärtig 96 Millionen Einträge. Auf diese kann man über Polizei und Gerichte zugreifen.
– DVLA database erfasst 42 Millionen Autofahrer und ihre Autos. Die DVLA macht mit dem Verkauf solcher Unterlagen an Parkplatz-Verwalter und privaten Abschleppdiensten ein Bombengeschäft.
– HMRC, die staatliche Zollbehörde, jetzt mit dem „Inland Revenue“ (Steueramt) gekoppelt, speichert 6 Millionen Steuerzahler, die Steuerkredite, inbegriffen Kinderzulagen, beantragen und die NI – National Insurance Ausweise (der öffentlichen Krankenkasse) plus Angaben von 30,5 Millionen Steuerzahlern mitsamt ihrem Einkommen.
– Benefits computer gibt u.a. Auskunft über die Bezüger von staatlichen Pensionen (11,5 Millionen), von Invalidenunterstützung (2,65 Millionen).
– Passport database enthält die Personalien von 45 Millionen englischen Staatsbürgern. Privatfirmen erhalten gegen Bezahlung Einblick und Informationen darüber, wer ein Bankkonto eröffnet hat.
– E-Borders, dieses Projekt, das mit einem Aufwand von £ 1,2 Milliarden verwirklicht werden, soll wird die Personalien und Kreditkartendetails, Kontakt-Telefonnummern, Reisepläne und E-Mail-Adressen von Ein- und Ausreisenden erfassen.
– Das National Identity Register ist für das Jahr 2009 geplant und bezweckt die Registrierung von Identitätskarten mitsamt der Krankenkassen-Versicherung, Reisepass, Führerschein, biometrische Angaben u.a.m.
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Online-Missbrauch und Schutzmassnahmen
Wer online Bestellungen aufgibt, ist der Gefahr von Datenräubern ausgesetzt. Auch wer Geld aus einem Bankautomaten abhebt, riskiert, dass seine PIN von einem Gauner abgefangen wird, der damit Zugang ins Konto des Opfers gewinnt und Geld abhebt.
 
Wie kann sich der redliche Mensch vor solchem sträflichen Missbrauch schützen? Ich halte mich an meine eigenen Faustregeln und gebe keine persönlichen Angaben leichtfertig aus der Hand. Wer mich auf der Strasse, sei es ein Verkäufer von Doppelfenstern, Kücheneinrichtungen, Handys oder was auch immer, mit einem Fragebogen überrumpelt, dem gehe ich schneidig aus dem Weg. Ich beantworte Fragen nach meiner Religion grundsätzlich nicht, noch geht der Beruf meines Vaters jemand etwas an. Leider bin ich immer wieder genötigt, den Mutternamen preiszugeben – immerhin als Absicherung gegen Datenräuber vertretbar.
 
Mit wenigen Ausnahmen bestelle ich nichts „online“. Leider wird es immer schwieriger, Flugkarten direkt, also telefonisch, zu bestellen. Wehe, wenn der Finger bei solchen Bestellungen auf der Tastatur bei der Eingabe der Reisedaten ausrutscht … Bei Billigflügen ist man sein Geld unwiederbringlich los.
 
Nie beziehe ich Geld mit meiner PIN-Nummer von einem Bankautomaten, der oft draussen auf der Strasse eingemauert ist. Lieber stehe ich vor dem Bankschalter Schlange. Wer unbedingt auf „Online“-Käufen beharrt, vergewissere sich, dass die Bezugsquelle als gesichert (mit „padlock icon“) ausgewiesen ist und eine Geschäftsanschrift mit Telefonnummer und E-Mail-Angabe enthält.
 
Alle Belege von Einkäufen mit der in England gängigen Debitkarte sollten sofort vernichtet werden. Auszüge des Bankkontos müssen überprüft und an einem sicheren Ort aufbewahrt werden. Selbst Kehrichtsäcke werden vom lichtscheuen Gesindel nach Personalien aller Art durchwühlt. Somit empfiehlt es sich, weder Briefe noch adressierte Umschläge in der Mülltonne zu entsorgen.
 
So hat mein Kollege in Deutschland Recht: Man muss mit der Zeit gehen, ob es darum geht, ein neues IT-Programm zu bedienen oder sich vor Computerdiebstahl zu schützen. Die Lebensfreude wird dabei auf die Sparflamme gedrosselt.
 
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