Textatelier
BLOG vom: 17.01.2008

England: Unergiebige Suche nach guten Neuigkeiten

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
 
Weder in der englischen Presse noch in den Fernseh-Nachrichten finde ich erfreuliche Berichte, wiewohl ich mich darum bemühe, sie aufzustöbern.
 
5 Kinder erleiden täglich in London Schuss- oder Messerwunden
Diese Überfälle werden vorwiegend von Jugendlichen an Jugendlichen verübt. Strassenbanden bekämpfen einander mit Messern und Schusswaffen. Ein Bandenmitglied klaute am vergangenen Samstag eine Orange in einem Quartierladen in Brixton (ein gefährlicher Stadtteil) und wurde dabei ertappt. Anderntags kam der Dieb mitsamt der Bande wieder und erdolchte Khalil Nasseri, der eben die Gemüseauslage vor dem Geschäft aufräumte. Kahlil war am Tage des Orangendiebstahls nicht einmal im Geschäft gewesen … Das Opfer starb am Stich ins Herz.
Ein 16-jähriges Schulmädchen wurde von einer Bande in ein leeres Haus verschleppt und vergewaltigt. Nachher wurde das Opfer mit Ätznatron übergossen – angeblich, um DNA-Spuren zu tilgen. Mit schwersten Verbrennungen liegt das Mädchen jetzt im Spital.
 
Selbst 12-Jährige bewaffnen sich mit Messern zur Selbstverteidigung.
 
Ein Bagatellfall: Eine Gemüsehändlerin kriegt eine Busse von £ 2000
Weswegen? Einfach weil sie ihre Ware auf ihrer imperialen Waage auf dem Strassenmarkt in Hackney ausgewogen hat. Selbst die EU erlaubt in England weiterhin den Verkauf nach altbewährten Pfunden und Unzen (pound/lb.; ounce). Und sie ist nicht die Einzige, die von den „Trading Standard Officers“ der Lokalbehörde, deswegen gebüsst wurde. Hat die Behörde wirklich nichts Besseres zu tun?
 
Die betroffene Strassenhändlerin, Janet Devers, verkauft seit 15 Jahren ihr Obst und Gemüse auf dem Strassenmarkt. Sie bemerkte zum Vorfall, zwar habe sie eine metrische Waage, doch ihre Kunden bevorzugen die alten Masseinheiten.
 
Immerhin eine gute Nachricht für Hühner
Der Fernsehkoch Hugh Fearnley-Whittingstall veranschaulichte eindrücklich das Elendsleben der eingepferchten Batteriehennen. Die Konsumenten äusserten sich empört zu dieser Tierquälerei, und sie sind bereit, mehr für freilaufende Hühner (free-range chicken) und Eier aus Freilandhaltung zu bezahlen. Bereits haben einige Lebensmittelketten damit begonnen, die aus Hühner-Fabriken gewonnenen Produkte aus ihren Regalen zu räumen und durch solche von draussen scharrenden Hühnern zu ersetzen. Eine indische Restaurantkette wechselt die Produkte ebenfalls aus. Die Fertiggericht-Hersteller werden sich – es ist höchste Zeit – an Hühner halten, die glücklicher leben und folglich besser schmecken als der Dreckfrass, den so viele noch immer in ihren Schalen verkaufen.
 
Randnotizen zur politischen Korruption
Spenden im Wert von £ 103 000 zur Wahlkampagne von Peter Hain um den Posten als „Deputy Leader“ wurden nicht ausgewiesen, also vertuscht, und teilweise in einen dubiosen Fund (Progressive Policies Forum – PPF) versenkt. Peter Hain, jetzt MP und „Secretary for Work and Pensions“ (Sekretär für Arbeit und Pensionen) und zugleich enger Busenfreund von Premierminister Gordon Brown wird jetzt von 2 Untersuchungsorganen (Standards Committe und Electoral Commission) unter die Lupe genommen. Das sei einem Versehen zuzuschreiben, versicherte Peter Hain. Vermutlich wird dieser ehrenhafte Mann seine Stelle behalten wie so viele andere korrupte Politiker zuvor – und wohl auch nach ihm.
 
Der dubiose Ken Livingstone, Bürgermeister von London und ebenfalls ein Vertuschungsakrobat, schaufelte erklecklich viel Geld in verschiedene ihm nahestehende Organisationen, die bestenfalls als Scheinfirmen bezeichnet werden können. Er wird trotzdem – so nehme ich an – nächstens als Bürgermeister wiedergewählt.
 
Wer rechnet die Summe der verschleuderten Steuergelder hoch? Wer legt Rechenschaft ab über die ungerechtfertigten Ausgaben der Staatskasse? Die letzte Budgetscharade deckte auch diesmal wieder auf, wie neue Steuerfinten für Nachfluss sorgen und die Misswirtschaft aufrecht erhalten.
 
Der Grossverdiener Tony Blair
Kaum aus der Regierung geschieden und mit päpstlichem Pomp zum Katholiken bekehrt, erweist sich der ehemalige britische Regierungschef Tony Blair als finanzieller Hochstapler: Diese Woche verdiente er laut Pressebericht für seine Rede £ 300 000 von der amerikanischen Investitionsbank Goldman Sachs, nachdem er vor wenigen Tagen als Berater für eine andere amerikanische Investitionsbank, diesmal JP Morgan, zum fürstlichen Gehalt von £ 2,5 Millionen angestellt worden war. Hinzu kommen u. a. wuchtige Einnahmen aus seiner Biographie. Neben- und ehrenamtlich verfügt er über ein wohldotiertes Spesenkonto als Abgesandter für den Mittleren Osten, im Auftrag der United Nations, European Union, USA und Russland, wofür er einzigartig qualifiziert ist als ehemaliger Kriegsführer in Irak und Afghanistan. Tony Blair hat das verdient, nach allem Ärger mit seinem Nachfolger Gordon Brown ...
 
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